Die Betriebsratsvorsitzende der ORF-Tochter Online und Teletext, Nadja Igler, geht als Vollblutjournalistin mit Stress und zähen Verhandlungen gelassen um. Um die Annäherung zwischen Onlinern und anderen ORF-Bereichen zu erreichen, setzt sie auf Geduld und Verhandlungsgeschick. Nervenzerfetzende Verhandlungen sieht sie als Persönlichkeitsbildungsprozess.
Seit 17 Jahren ist die gebürtige Wienerin Nadja Igler bei ORF.at tätig. Seit 2010 ist die 42-Jährige Vorsitzende des Betriebsrates der ORF-Online- und Teletextredaktion, davor war sie einige Jahre Stellvertreterin.
Igler und der ORF sind irgendwie zusammengewachsen. Während des Studiums jobbte die engagierte Frau im Telex- und Faxraum des ORF, rutschte dann in den administrativen Bereich im Fernsehen, um schließlich im damals noch jungen Online-Bereich zu landen. „Zuerst war ich für die Bildbearbeitung zuständig, dann habe ich eigenständig Geschichten zusammengestellt und hatte großen Spaß an der journalistischen Arbeit“, erzählt Igler. Nach einigen Jahren in der Futurezone und der IT-Berichterstattung wechselte sie in die News-Redaktion. Dabei merkte sie schnell, dass sie ihre Arbeitsumgebung selbst gestalten wollte: „Ich wollte mich über Ungereimtheiten nicht nur aufregen, sondern etwas Konkretes dafür tun, damit es uns Beschäftigten besser geht.“ Iglers Leitsatz: „Durch Motschkern ändert sich gar nichts. Man muss sich engagieren, wenn man etwas erreichen möchte.“
Ungleiche Bezahlung
Ihr Ziel war klar, die Stellung der Online-RedakteurInnen im ORF zu verbessern. „Es hat mich richtig gefuchst, dass in der Bezahlung so ein großer Unterschied zwischen den KollegInnen der unterschiedlichen Medien des ORF bestand. Wir haben uns irgendwie als MitarbeiterInnen zweiter Klasse gefühlt. Wir alle arbeiten unter dem Dach des ORF, sind extrem flexibel und belastbar und waren trotzdem finanziell wesentlich schlechter gestellt.“
Ursprünglich gehörte die Online-Redaktion des ORF zum Kollektivvertrag (KV) Werbung und Marktkommunikation. Da eine Integration in andere Kollektivverträge nicht möglich war, begann Igler 2008, sich gemeinsam mit Online-KollegInnen aus anderen Medienbetrieben für eine Besserstellung von Online-JournalistInnen aller österreichischen Medien einzusetzen. Sie mobilisierte die Interessengruppe Online und lobbyierte bei der Gewerkschaft. Doch über Nacht änderte sich natürlich nichts. „Der Abtastungsprozess hat mehrere Jahre gedauert, während der wir unsere Vorstellungen einer finanziellen Besserstellung rüberbringen mussten“, erzählt Igler.
Als junge Betriebsrätin war die persönliche Annäherung an die Gewerkschaft für Igler zunächst schwierig. In Verhandlungen ging sie mit der Einstellung: „Die Gewerkschaft soll uns etwas anbieten.“ In der erfahrenen KV-Verhandlerin Judith Reitstätter aus dem Geschäftsbereich Interessenvertretung fand Igler bald eine gute Mitstreiterin und traf gemeinsam mit den MitverhandlerInnen und ihren BetriebsratskollegInnen die strategische Entscheidung, einen eigenen KV für ORF-Online zu verhandeln: „Wir wollten nicht von persönlichen Zusagen abhängig sein.“
Mit Beständigkeit zum Ziel
In den Verhandlungen hat Igler viel gelernt, sich der Gewerkschaftsbewegung angenähert und viele Strukturen akzeptiert: „Wir haben uns gegenseitig kennengelernt und besser verstanden, wie wir ticken.“ Die Verhandlungen beschreibt sie als sehr zeitaufwendig, teils zäh und auch frustrierend: „Manchmal hat einfach das gegenseitige Verständnis gefehlt. Aber ich habe gelernt, mit Beständigkeit und Geschick zum Ziel zu kommen.“ Im Nachhinein beschreibt sie besonders anstrengende Verhandlungen als Persönlichkeitsbildungsprozess.
Seit 2014 haben die Onliner von ORF.at nun ihren eigenen Kollektivvertrag und „eigentlich haben alle davon profitiert“. Neben klaren Regeln etwa im Gehaltsschema sind auch Punkte wie die Arbeitszeit eindeutig geregelt. Die Vorteile des KV werden inzwischen auch geschätzt: „Die KollegInnen wissen, dass es regelmäßige Anpassungen gibt, auch ohne dass sie diese individuell verhandeln müssen.“
Verbesserungen im Zulagensystem
Für die Zukunft will Igler weitere Verbesserungen unter anderem im bestehenden Zulagensystem erreichen, auch das Mindestgrundgehalt soll weiter steigen. In den Verhandlungen vertritt die Betriebsrätin 105 MitarbeiterInnen – zu wenige, um freigestellt zu werden. Aufgrund der eigenen Arbeitszeit, die von Montag bis Sonntag zwischen sechs Uhr Früh und Mitternacht liegen kann, kümmert sie sich auch schon mal flexibel und außerhalb der Dienstzeiten um die Anliegen ihrer KollegInnen: „Noch besteht eine finanzielle Lücke zwischen den Medien des ORF. Diesen Gap will ich schließen.“ Das werde sicher nicht einfach, doch Igler sieht ohnehin „einen gewissen Reiz darin, den Mächtigen auf die Zehen zu treten“. Streiten gehöre zum Dasein einer Betriebsrätin nun einmal dazu.
Veränderungen meistern
Auch Veränderungen gehören für Igler zum Berufsleben. Ende Oktober soll die gesamte Online-Redaktion vom Ö3-Haus im 19. Bezirk auf den Küniglberg übersiedeln. „Wir BetriebsrätInnen spielen bei derartigen Veränderungen eine wichtige und wertvolle Rolle: Wir erklären und vermitteln – in alle Richtungen.“ Für MitarbeiterInnen seien derartige Veränderungen immer ein großes Thema, das viele Ängste und Unsicherheiten mit sich brächte. „Wir haben versucht, viele Bedenken in geordnete Bahnen zu lenken, um den Umzug so reibungslos wie möglich ablaufen zu lassen.“ Niemand solle sich „überfahren“ fühlen.
In ihrer betriebsrätlichen Arbeit wird Igler von neun Kollegen und einer Kollegin, die auch ihre Stellvertreterin ist, unterstützt. Alle zwei Wochen gibt es eine kurze Sitzung, in der aktuelle Themen besprochen werden.
In ihrer Freizeit entspannt Igler „recht traditionell“, ihre Hobbys sind Nähen, Kochen und ihr Garten: „Handwerkliches Tun gehört zu meinem Leben dazu, neben der fordernden geistigen Arbeit brauche ich als Ausgleich zur digitalen Welt eine Beschäftigung, aus der angreifbare Ergebnisse resultieren.“ Über ihre Arbeit als Betriebsrätin will Igler der Gesellschaft etwas zurückgeben.