Viele nutzen Teilzeitarbeit zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, Pflege oder Weiterbildung. Andere würden gerne Vollzeit arbeiten, bekommen aber nur Teilzeitverträge.
Die Mutter dreier kleiner Kinder würde gerne, so wie es in ihrem Vertrag steht, genau 20 Stunden in der Woche im Handel arbeiten. So würde sie Arbeit, Haushalt, die Betreuung der Kinder, die noch viel Hilfe bei den Hausaufgaben brauchen, am besten unter einen Hut bekommen. Doch kaum eine Woche, in der ihr Dienstplan nicht durcheinandergewirbelt wird: „Können Sie heute länger bleiben? Zusätzlich auch am Samstag kommen? Es ist leider jemand krank geworden/auf Urlaub/wir haben Schlussverkauf.“
Die Pflegekraft, die trotz ihres Teilzeitjobs Mindestsicherung beantragen muss, würde gerne ihre Arbeitszeit erhöhen. Ihr Arbeitgeber will diesem Wunsch aber nicht nachkommen: In der mobilen Pflege fällt Arbeit vor allem morgens und dann erst wieder nachmittags oder sogar spätnachmittags an. Mit vielen Teilzeitkräften ist es hier leicht, einen Dienstplan zu erstellen. Vollzeit Arbeitende hätten untertags Leerläufe, die auch auf Grund der immer enger werdenden Ausgaben der öffentlichen Hand im Pflegebereich nicht finanziert werden können. Teilzeit ist nicht Teilzeit. „Es gibt Teilzeit bei gut qualifizierten Positionen mit höherem Stundenausmaß, was durchaus existenzsichernd ist“, betont Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen – Familie in der AK Wien. „Und dann gibt es Teilzeit mit wenigen Stunden in Branchen, die insgesamt niedrige Stundenzahlen haben, und das ist überhaupt nicht existenzsichernd.“
Teilzeitarbeit kann Vorteile haben, ist aber auch vielfach benachteiligend, wie GPA-djp-Expertin Isabel Koberwein betont. Als positiv wird von vielen, die Teilzeit arbeiten, vor allem die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesehen. „Es ist ja auch ein vielfach gewünschtes Modell.“ Doch Teilzeitarbeiten hat andererseits einen hohen Preis: Je niedriger die Stundenanzahl, desto schlechter kommen die Betroffenen mit dem Gehalt aus. Urlaubs- und Weihnachtsgeld fallen ebenfalls entsprechend niedrig aus, und wer arbeitslos wird, erhält nicht viel Arbeitslosengeld. Bitter wird es zudem in der Pension: Schon bisher erhielten Frauen, die das Gros ihres Lebens Teilzeit gearbeitet haben, weit weniger als die meist Vollzeit arbeitenden Männer. Durch die lebenslange Durchrechnung wird hier künftig die Altersarmut weiter steigen.
Zwischen zwei Polen
Österreich bewegt sich, wenn man die Arbeitszeit der insgesamt 3,6 Millionen unselbstständig Beschäftigten ansieht, zwischen zwei Polen. Vollzeitbeschäftigte arbeiten im Schnitt 41,6 Stunden pro Woche – im EU-Vergleich ist das Platz drei nach Großbritannien und Zypern. Auf der anderen Seite hat Österreich mit 28,9 Prozent nach den Niederlanden die zweithöchste Teilzeitquote. Sieht man sich hier das Geschlechterverhältnis genauer an, lässt sich sagen: Teilzeitarbeit ist hierzulande weiblich. Von den unselbstständig erwerbstätigen Männern sind 10,7 Prozent teilzeitbeschäftigt. Sie nutzen ein niedrigeres Stundenausmaß vor allem, um sich weiterzubilden. Ganz anders das Bild bei den Frauen: 48,1 Prozent aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit. Rund ein Drittel von ihnen gibt laut Koberwein als Grund für den Teilzeitwunsch die Betreuung von Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen an.
„Teilzeitarbeit ist eine Strategie, um das traditionelle Rollenbild in Österreich umzusetzen“, gibt Koberwein zu bedenken. Moritz betont allerdings: „Nur darauf zu schauen, dass Frauen mehr Stunden arbeiten, als es derzeit viele tun, löst die Probleme nicht. Es geht um eine andere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Wenn die unbezahlte Arbeit großteils von Frauen übernommen wird, dann ist das eine enorme Belastung. Es geht darum, die bezahlte und unbezahlte Arbeit gerechter aufzuteilen und die Haushalte zu entlasten.“ Es brauche mehr und zeitlich flexiblere Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch Pflegemodelle. „Und es braucht die Männer mit an Bord.“
Ilse Fetik, Bundesfrauenvorsitzende der GPA-djp, verweist auf die Möglichkeiten, wie Unternehmen Männer animieren können, sich auch bei der unbezahlten Arbeit mehr einzubringen. Fetik ist Betriebsratsvorsitzende der Erste Bank. Dort hat sich eine Unternehmenskultur entwickelt, in der es auch für Männer okay ist, etwa in Eltern- oder Pflegeteilzeit zu gehen. „Es geht hier auch um Vorbildwirkung. Für Männer ist es ganz wichtig, ob das in einem Unternehmen gern gesehen wird oder nicht. Bei uns ist es in fast jeder Führungsebene möglich, Teilzeit zu arbeiten.“
Die Erste Bank hat aber auch einen Leitfaden für Führungskräfte entwickelt, anhand dessen mit Männern, deren PartnerInnen schwanger sind, Möglichkeiten besprochen werden können, wie sich Männer ebenfalls in der Kinderbetreuung einbringen können. Ein Modell ist hier ein Baby-Sabbatical, bei dem PartnerInnen bis zu zwei Monate zu Hause bleiben können und dafür vier Monate lang das halbe Gehalt beziehen. Ein ähnliches Modell wird für MitarbeiterInnen angeboten, die von einem Tag auf den anderen Pflege leisten müssen oder eine Überbrückung brauchen, bis sie Pflege organisieren können. „Man muss sich die verschiedenen Lebenssituationen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anschauen und dann geeignete Maßnahmen anbieten“, sagt Fetik. Sie spricht damit auch an, was für Beschäftigte insgesamt gilt: Jeder hat andere Bedürfnisse. Und jede Branche und jedes Berufsfeld hat andere Rahmenbedingungen.
Frauenbranche Handel
Maria Gluchman ist Billa-Betriebsrätin. Der Handel ist eine grundsätzlich frauendominierte Branche, viele arbeiten Teilzeit. Bei Billa sind es zwei Drittel der MitarbeiterInnen. Im Handel gibt es jene, die bewusst nicht Vollzeit arbeiten, um etwa im Rahmen einer Elternteilzeit Familie und Job gut vereinbaren zu können, erzählt Gluchman. Es gibt aber auch jene, die gerne mehr arbeiten würden, allerdings nicht mehr Stunden bekommen, weil der Arbeitgeber lieber mehr Teilzeit- als Vollzeitkräfte beschäftigt.
Warum das so ist, erklärt Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin für den Handel in der GPA-djp: „Es gibt im Handel Arbeitsspitzen wie das Morgen- und das Abendgeschäft. Hier braucht das Unternehmen zur selben Zeit viele MitarbeiterInnen zur Beratung der Kunden. Das Unternehmen braucht sie deswegen aber nicht länger.“ Gibt es Ausfälle – etwa durch Krankenstände oder Urlaube – zu kompensieren, werden dann oft MitarbeiterInnen gebeten, einzuspringen. Die ersten eineinhalb Mehrstunden pro Woche sind zuschlagsfrei, danach fällt ein 25-prozentiger Zuschlag an. Allerdings gibt es einen dreimonatigen Durchrechnungszeitraum. Die Mehrarbeit kann durch Zeitausgleich abgebaut werden. Einige Unternehmen versuchen bewusst, ihre MitarbeiterInnen Minusstunden aufbauen zu lassen, wenn weniger los ist. So schummeln sie sich um die Auszahlung des Zuschlags herum.
Im Pflegebereich ist es teils noch prekärer, weiß Beatrix Eiletz, Betriebsrätin bei der Volkshilfe Steiermark. Von den rund 2.800 MitarbeiterInnen sind nur an die fünf Prozent Männer. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten Teilzeit, zehn Prozent sogar unter 20 Stunden die Woche. Viele würden gerne 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten, doch solche Verträge seien rar. Werde mehr gearbeitet, weil man einspringen müsse, „dann gibt es kreative Wege, um die Auszahlung des Zuschlags zu umgehen“. Zum einen sei da der Durchrechnungszeitraum. Zum anderen würden aber MitarbeiterInnen für eine begrenzte Zeit vertraglich stundentechnisch hochgestuft, und dann wieder herabgesetzt. „Und die MitarbeiterInnen unterschreiben das, weil sie ja auch in Zukunft zum Einspringen eingeteilt werden wollen.“ Die vor allem im Bereich der mobilen Pflege üblichen geteilten Dienste – man arbeitet sowohl morgens als auch nachmittags – würden zudem einen weiteren Teilzeitjob verunmöglichen. Die einzige Möglichkeit, die Frauen bleibe, die mit ihrem Gehalt nicht auskommen, sei oft putzen zu gehen. Das sei sehr unbefriedigend.
Stunden aufstocken
Gluchman würde sich wünschen, „dass – wenn im Betrieb mehr Stunden zur Verfügung stehen – Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die vorhanden sind, Stunden aufstocken können, bevor neue MitarbeiterInnen aufgenommen werden“. Moritz verweist hier auf die geltende Rechtslage, wonach es ein Recht auf interne Information gibt, sobald es im Unternehmen freie Jobs gibt. „In der Praxis tut sich da nicht wahnsinnig viel, aber es ist ein Türöffner.“ Im Idealfall würde von Zeit zu Zeit erhoben, ob es Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gebe, die gerne Stunden erhöhen würden. „Kinder werden größer, Bedürfnisse ändern sich. Würden diese Wünsche regelmäßig erhoben, dann wäre das ein gutes Arbeitszeitmanagement.“ Palkovich hat sich in den vergangenen Monaten vor allem überlegt, wie finanzielle Benachteiligungen für Teilzeitkräfte ausgeglichen werden können. Einerseits geht es um niedrigere Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Pension, andererseits klaffen zwischen Teilzeit und Vollzeit auch Einkommen und Karrieremöglichkeiten auseinander. Daher müssen neue Modelle in unseren Kollektivverträgen zur Sicherstellung gleicher Rechte unabhängig vom Ausmaß der Arbeitszeit verankert werden. Handlungsbedarf gibt es hier insbesondere bei den Themen Arbeitszeit, Durchrechnung und der Erstellung von Dienstplänen. Teilzeitbeschäftigte kommen zudem seltener für Führungsaufgaben in Frage und kaum in den Genuss von Weiterbildung.
Wie man hier gegensteuern könnte? Der dreimonatige Durchrechnungszeitraum muss fallen, geleistete Mehrarbeit langfristig wie Überstunden behandelt werden. „Planungssicherheit und das Recht auf Einhaltung bzw. Aufstockung der vereinbarten Arbeitszeit ist unser Ziel. Die Währung muss nicht immer Geld oder Zeit sein. Auch Bildungs- oder gesundheitsfördernde Maßnahmen im Unternehmen sind denkbar.“ Für Palkovich ist das wichtigste: Mehrarbeit muss bei Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten gleich behandelt werden. Wenn ein Arbeitgeber auf Teilzeitkräfte setze, dann müsse sich diese Flexibilität auch für die Beschäftigten lohnen – sie müsse also abgegolten werden. Komme es zudem für Beschäftigte zu Mehrkosten durch Mehrarbeit – etwa für Kinderbetreuung oder die spätere Heimfahrt – müsse der Arbeitgeber für die Kosten aufkommen. All das sollte in mehr Planungssicherheit für Beschäftigte münden, ist Palkovich überzeugt. Denn je teurer Mehrarbeit für den Arbeitgeber werde, desto mehr werde er sich bemühen, diese zu vermeiden.
Langfristig will die Gewerkschaft die Arbeitssituation aller unselbstständig Beschäftigten so verändern, dass sich die Wünsche der ArbeitnehmerInnen mit der Realität mehr decken als sie es heute tun. Tendenziell wollen Vollzeitbeschäftigte weniger und Teilzeitbeschäftigte etwas mehr arbeiten, erklärt Koberwein. Eine hohe Zufriedenheit gibt es demnach bei 25 bis 30 Wochenstunden – wenn dabei die Entlohnung so ist, dass das finanzielle Auskommen gesichert ist. Nicht Teilzeit an sich ist das Problem, sondern die zu geringen Einkommen in frauendominierten Branchen, denen in der Gesellschaft nicht die richtige Bedeutung zukommt. Die Arbeitsdichte sei zudem heute viel höher als noch vor ein paar Jahren, gibt Fetik zu bedenken. Es sei in derselben Zeit wesentlich mehr zu erledigen. Daher spiele auch die Work-Life-Balance eine immer wichtigere Rolle.
Arbeitszeitverkürzung
Die Lösung: eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung, sagt Fetik. Erreichen will die GPA-djp mittelfristig die 35-Stunden-Woche, langfristig die 30-Stunden-Woche – jeweils bei vollem Lohnausgleich. Das geeignete Mittel dazu sind die Kollektivverträge. Schon jetzt gibt es in einigen Branchen statt der 40-Stunden- eine 38,5-Stunden-Woche. Diese Dynamik müsse sich fortsetzen, so Koberwein. Eine 30-Stunden-Woche würde gleichzeitig auch neue Verhältnisse bei der Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit schaffen. Wenn zum Beispiel zwei Elternteile je 30 Stunden arbeiten, könnten sie auch besser Kinderbetreuung und Haushalt teilen. Und das ist das langfristige Ziel: eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit.