KöSt-Reform: Überfülle dank Reduzierung?

Wie in Orwells Roman 1984 wird behauptet, sinkende Steuereinnahmen schaffen Wohlstand und Wachstum. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit: Lucia Bauer

Ein Eckpfeiler der geplanten Steuerreform wird eine Senkung der Unternehmenssteuern sein. Das entspricht ganz der schwarzblauen Tradition der 2000der Jahre.

Im dystopischen Ozeanien in George Orwells Roman „1984“ ist das „Ministerium für Überfülle“ für die wirtschaftlichen Tätigkeiten des tyrannischen Reiches zuständig. Gemäß der vorherrschenden Kontrolle der Sprache durch Neusprech, ist das Ministerium nach dem Gegenteil benannt, wofür es eigentlich zuständig ist. So erstellt das Ministerium für Überfülle offiziell 3-Jahres Finanzpläne, die ständig übertroffen werden und zur finanziellen Prosperität führen, sorgt aber tatsächlich für die Aufrechterhaltung eines Zustands ewiger Armut, Knappheit von Gütern und ständiger sozialer Unsicherheit in der Bevölkerung. Durch frei erfundene Daten wird der Anschein einer ständig wachsenden Wirtschaft in der Bevölkerung erweckt, womit man auch sämtliche Maßnahmen des Ministeriums rechtfertigt.

Parallelen zu Ozeanien lassen sich momentan im Zuge der Debatten rund um das große Projekt der Steuerreform erkennen. Auf der offiziellen Fairness-Tour 2019 reist Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs quer durch das Land und bewirbt die geplante Steuerreform 2020, deren „Eckpfeiler bereits eingeschlagen“ sind. Einer dieser Eckpfeiler ist die Reduzierung des Körperschaftssteuersatzes (kurz KöSt), welcher derzeit 25 Prozent beträgt und auf steuerpflichtiges Einkommen aus Kapitalgesellschaften wie Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) anfällt. Wird der Gewinn dann an eine natürliche Person ausgeschüttet, kommen noch einmal 27,5 Prozent Kapitalertragssteuer oben drauf (oder es erfolgt eine Besteuerung mittels niedrigerer/höherer Einkommenssteuer). Für nicht entnommene Gewinne wird außerdem eine Halbierung der KöSt auf 12,5 Prozent diskutiert.

Schwarz-blaue Tradition

Die Senkung der KöSt hat dabei schwarz-blaue Tradition. So betrug diese im Jahr 2004 noch 34 Prozent und wurde erst unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser auf 25 Prozent gesenkt, mit dem Wunsch diese in Zukunft auf 15 Prozent zu reduzieren. Über den genauen Prozentsatz der KöSt nach dieser Steuerreform wird momentan noch diskutiert. Betrachtet man aber die historische Entwicklung der KöSt, so erscheint diese Maßnahme nur als weiterer Schritt im „race to the bottom“ der Abgabenquoten für Unternehmen, dem in 15 Jahren vielleicht dann schon die nächste schwarz-blaue Reduktion auf 15 Prozent folgt.

Die Senkung der Körperschaftssteuersätze hat schwarz-blaue Tradition. Was Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Jahr 2004 begonnen hat, wird nun fortgesetzt.
Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit, Lucia Bauer

Wen betrifft die KöSt?

Als Grund für die Senkung werden zwei Argumente angeführt. Das Hauptargument lautet, dass man kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nachhaltig „entlasten“ (dabei empfinden gerade KMU Steuern eher als einen fairen Beitrag zum Zusammenleben als eine „Last“) möchte. Eine Reduktion der KöSt würde laut Regierung vor allem diese stark „entlasten“. Dafür muss man sich die Verteilung der KöSt genauer anschauen und beachten, wie sehr kleine und mittlere Unternehmen eigentlich dadurch betroffen wären. 40 Prozent der Unternehmen unterlagen im Jahr 2013 (letzten verfügbaren Zahlen) der Mindest-KöSt (einem geringeren Satz als 25 Prozent), weitere 19 Prozent hatten ein Einkommen von maximal 8.000 Euro, wodurch auch sie großteils nicht dem 25prozentigen Steuersatz unterlagen. Somit sind 59 Prozent der Unternehmen von der angedachten Reduzierung sowieso ausgeschlossen. Wen trifft die Körperschaftssteuersenkung also? 5 Prozent aller Unternehmen kommen für 80 Prozent der Einnahmen durch die Körperschaftssteuer auf. Dies sind vor allem Unternehmen mit einem jährlich zu versteuernden Einkommen von mehr als 10 Millionen Euro. Die Branchen der primär betroffenen Unternehmen lesen sich dabei wie ein „who is who“ der größten multinationalen Konzerne: „Gewinnung von Erdöl- und Erdgas“, „Versicherungen und Pensionskassen“ und pharmazeutische Betriebe. Nicht gerade Branchen die durch eine hohe Anzahl an kleinen und mittleren Unternehmen auffallen.

Mehr Einnahmen durch weniger Steuern?

Die Senkung der KöSt soll andererseits auch zu mehr Ansiedlungen von Unternehmen und zu höheren Investitionen in Österreich führen. Blickt man dabei zurück auf die Reduktion der KöSt im Jahr 2004 die folgenden Monate, so kann dies nicht bestätigt werden. Zwar stiegen die Einnahmen der KöSt tatsächlich an, aber nur deshalb, weil viele Unternehmen daraufhin ihre Gesellschaftsform änderten um niedrigere Abgaben zu zahlen. Die erhöhten Einnahmen der KöSt wurden ausgeglichen durch Verluste bei anderen Steuerformen wie der Einkommenssteuer. Auch wenn man dies in der Darstellung gerne verschwieg. Weiters zahlt ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft bis zu 55 Prozent Steuer auf nicht entnommene Gewinne, während eine Kapitalgesellschaft maximal 25 Prozent bezahlt. Eine Änderung der Gesellschaftsform war somit aus mehreren Gründen eine weise Entscheidung. Den Nachweis über höhere Investitionen durch eine Senkung der KöSt ist man bis heute schuldig geblieben, denn wenn alle Staaten die KöSt nach und nach senken, verlieren nur die Staaten selber.

Kosten durch die Reduktion der KöSt

Was übrig bleibt sind laut Schätzungen der Industriellenvereinigung jährliche Einschnitte im Budget von 2 Milliarden Euro, die Arbeiterkammer beziffert diese mit 2,5 Milliarden Euro. Zusätzlich verschärft sich der sogenannte Steuerwettbewerb weiter, obwohl erst vor kurzem die Enttäuschung über die verpasste Chance einer höheren Besteuerung von großen Internetkonzernen in der EU geäußert wurde. Dabei wurde die Forderung nach einer Harmonisierung der KöSt in der EU, sowie Steuerschlupflöcher endgültig zu schließen, bereits bei der letzten Reduzierung der KöSt im Jahr 2004 geäußert. Dass im Jahr 2017 Google 20 Milliarden Euro völlig legal durch eine Methode namens Double Irish, Dutch Sandwich aus der EU auf die Bermudas schleußen kann, ohne größere Probleme zu bekommen und kurze Zeit später nach Bekanntwerden darüber eine „Entlastung“ von Unternehmen im Zuge einer Fairness-Tour diskutiert wird, hätte wohl selbst im dystopischen Ozeanien zu fassungslosen Gesichtern geführt. Der Schaden durch die Verschiebung von Gewinnen in Niedrigsteuerregionen (auf den Bermudas versteuert Google nichts, da es dort keine Einkommenssteuer gibt) wird jährlich auf 500 Milliarden Euro global geschätzt. Die österreichische Regierung zeigt auf internationaler Ebene ihr Engagement gegen Steuerdumping durch Blockaden von Maßnahmen zur Beendigung dieser. Die Veröffentlichung von Konzerngewinnen in jedem Staat, sowie öffentliche Register über wirtschaftliche EigentümerInnen zur Bekämpfung von Briefkastenfirmen und Steuernetzwerken wurden von österreichischer Seite ebenso blockiert.

Dabei wird in Zukunft die Frage beantwortet werden müssen, wie die Reduktion von Steuereinnahmen aufgefangen werden soll. Diese Steuern leisten wichtige Beiträge zum Zusammenleben, wie der Bildung und Ausbildung von Menschen, dem Erhalt und Ausbau der Infrastruktur, oder einem funktionierenden Gesundheitssystems, allesamt Bereiche, von denen Unternehmen profitieren und dementsprechend auch einen gerechten Beitrag leisten sollten .Eine Verschärfung der Problematik rund um die Finanzierung des steigenden Mehrbedarfs im Pensionsbereich zeichnet sich dabei bereits ab. Die Antwort darauf findet sich im Regierungsprogramm, nämlich im Ausbau der privaten Gesundheits- und Pensionsvorsorge, welche Finanzminister Hartwig Löger, der eine beachtliche Laufbahn in der Versicherungsbranche vorzuzeigen hat, in fast keinem Interview unerwähnt lässt. Dass solch ein System höchst ineffizient und schlecht funktioniert – in den USA sind die Kosten pro Person doppelt so hoch wie in anderen Industriestaaten, bei schlechterer Versorgung – wird dabei stets verschwiegen. Die Kosten sollen schlichtweg umgeschichtet werden. Beiträge von Unternehmen für ein gutes Zusammenleben sollen den Profiten einiger weniger geopfert werden und jede einzelne Person muss dann schauen, wie sie sich die exorbitanten Kosten für ein Individuum in einem System privater Gesundheits- und Pensionsvorsorge leisten kann.

Ein neues Ministerium

Und so stellt man sich die Frage ob man die Fairness-Tour 2019 und deren Inhalt nicht primär wie eine Episode aus George Orwells Roman betrachten sollte. Die KöSt-Senkung wird nämlich vorwiegend die Abgaben von Großkonzernen senken, kleine und mittlere Unternehmen werden zum überwiegenden Teil überhaupt nicht betroffen sein und sich in einem noch ungleichmäßigeren Wettbewerb mit multinationalen Unternehmen wiederfinden. Dank der Unterstützung der österreichischen Regierung werden Großkonzerne auch weiterhin legal Milliardengewinne unversteuert ins Ausland schaffen können bis zu dem Tag, an dem die KöSt und andere Steuern 0 Prozent betragen und sie dies dank dem Steuerdumpingwettbewerb auch gar nicht mehr müssen. Das Finanzministerium sorgt mit der KöSt-Senkung zudem einnahmenseitig für weiteren Budgeteinbußen, die bei bisherigem Kurs wohl weitere Einsparungen im sozialen Bereich zur Folge haben werden. Wie lange es dann noch dauert, bis dass das Finanzministerium zum Ministerium für Überfülle umbenannt wird, steht dabei noch in den Sternen.

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