Die Umgestaltung der Sozialversicherung war eines der Großprojekte von Schwarz blau. 2020 bleibt in der Sozialversicherung kein Stein am anderen.
Während die Regierung voller Eigenlob Milliardeneinsparungen in Aussicht gestellt hat, fallen in Wirklichkeit Berater- und Fusionskosten in Millionenhöhe an. Hier klaffen Inszenierung und Wirklichkeit weit auseinander. Es wird teurer!
Dem Gesundheitswesen wird Geld entzogen – Geschenke an die Großindustrie
2020 werden die bisherigen neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt. Leider wurde im selben Gesetz beschlossen, dass die neue ÖGK mit weniger Geld für ihre Versicherten auskommen muss, als die neun Gebietskrankenkassen zusammen.
2019 bis 2023 werden der ÖGK über 500 Millionen Euro an Mitteln vorenthalten, die bislang den Krankenkassen zugeflossen sind. Ein Teil davon ist, dass Privatspitäler künftig 15 Millionen pro Jahr zusätzlich auf Kosten der Sozialversicherung erhalten. Darüber freut sich der Leiter der Privatklinik Währing, der ein persönlicher Freund von Ex Vizekanzler Strache ist. Seine Klinik wurde nun in die Liste der Privatspitäler aufgenommen, die Geld aus der Sozialversicherung erhalten können.
Auch bei der Unfallversicherung wurde der Sparstift angesetzt. Diese muss pro Jahr mit über 120 Millionen Euro weniger auskommen, weil den Arbeitgebern der Beitragssatz reduziert wurde. Das war eine langjährige Forderung der Industriellenvereinigung.
Teuer Manager statt Versichertenvertretern
In der neuen österreichweiten Gesundheitskasse gibt es im Leitungsgremium noch ganze sechs VersichertenvertrerterInnen. Da heißt, dass auf eine Million Versicherte nur noch ein/e VertreterIn kommt. Ein absurdes Verhältnis. Im Parlament kommt auf 35.000 Wahlberechtigte ein/e Abgeordneter. Während die VertreterInnen, die gar kein Geld bekommen eingespart werden, wird es möglicherweise mehr als doppelt so viele hoch dotierte ManagerInnen in der obersten Gehaltsklasse geben: 40 statt 18.
Die Zusammenlegung der Krankenkassen erfolgt in einem Eiltempo, das die Kosten massiv erhöhen kann. Es geht um viel: Neun Unternehmen mit über 12.000 Beschäftigten und über sieben Millionen Versicherten Menschen. Die Megafusion erfolgt unter enormen Zeitdruck in nur wenigen Monaten. Um das Projekt durchzuziehen, haben die WirtschaftsvertreterInnen in der ÖGK für Beratungsverträge mit privaten Firmen Millionen vorgesehen. Geld, das aus Sicht der ArbeitnehmervertreterInnen besser für Leistungen für die Menschen verwendet hätte werden sollen.
Alle Verträge müssen neu verhandelt werden
Doch bei diesen Kosten wird es nicht bleiben. In Österreich gibt die vorteilhafte Regelung, dass die Menschen mit der e-card zum Arzt gehen können, ohne dass man die Arztrechnung selber „auslegen“ muss. Die Ärzte verrechnen die Leistungen im Hintergrund direkt mit der Krankenkasse. Das ist alles in Verträgen zwischen Krankenkasse und Ärztekammer geregelt. Da die Krankenkassen aufgelöst werden, sind alle Verträge unter Zeitdruck neu zu verhandeln. Verhandlungen unter Zeit und Erfolgsdruck können teuer kommen.
Alle Macht den WirtschaftsvertreterInnen
Die Sozialversicherung wurde bisher von Vertretern der Versicherten gelenkt. Nachdem ArbeitnehmerInnen und Unternehmer in unterschiedlichen Sozialversicherungen zugehörig sind, war es früher so: In den Sozialversicherungen der ArbeitnehmerInnen dominierten Arbeitnehmervertreter, in den Sozialversicherungen der Unternehmer Unternehmervertreter. Die Reform brachte eine völlig neue und willkürliche Änderung:
In der neuen Struktur dominieren nun überall WirtschaftsvertreterInnen. Selbst im Dachverband und sogar in den Sozialversicherungen, in denen nur ArbeitnehmerInnen versichert sind, haben Arbeitgebervertreter das Sagen.
Und so ist ein Kärntner Hotelier der neue Obmann der österreichischen Gesundheitskasse, in er selbst gar nicht versichert ist, da er als Selbständiger zur SVA gehört. Für die Leitung des neuen Dachverbandes holten die Arbeitgeber als Büroleiter einen Investmentbanker, der zuvor u.a. Lehman Brothers und JP Morgan gearbeitet hat.
Was wollen die Wirtschaftsvertreter: Privatsierungen, Personalabbau und Krankensteuer
Die WKO hat ihre Pläne zum Gesundheitswesen schon vor 2 Jahren vorgestellt. Die Regierung setzte diese Ideen mit dem Gesetz um. Jetzt haben Wirtschaftsvertreter das Sagen. Und die haben andere Interessen als die Menschen. Das zeigt eine Unterlage die die WKO zur SV Reform erstellt hat. Die Regierung Kurz /Strache hat es der WKO ermöglicht, durch die Umfärbung der Sozialversicherung ihre Vorstellungen künftig umsetzen zu können.
Einsparen und Kürzen
Die geforderte Aufwertung der Wirtschaftsvertreter wurde offen damit begründet, dass sich die Arbeitnehmervertreter für mehr Leistungen für die Menschen einsetzen – das ist der Wirtschaft anscheinend zu teuer. Sie will keine besseren Leistungen, sondern Einsparungen!
Die WKO will hingegen die Gesundheitsausgaben pro Kopf senken! Das schafft Mittel frei, die für Senkungen der Arbeitgeberbeiträge verwendet werden können.
Krankheit zum Geschäft machen
Die WKO will die medizinischen Einrichtungen der Krankenkassen privatisieren und verkaufen. Zahnambulatorien und Gesundheitszentren, die jetzt von den Krankenkassen selbst betrieben werden, würden dann an private Unternehmen abgegeben, die damit einen Profit machen wollen. Man müsste also Leistungen, die derzeit selbst erbracht werden von außen zukaufen.
Kranke besteuern und Unternehmen entlasten ?
Und die WirtschaftsvertreterInnen wollten chronisch Kranke zur Kasse bitten. Sie unterstellen allen Ernstes, dass eine chronische Krankheit eine freie Entscheidung war, die man selbst zu verantworten hat.
Unter dem Motto „mehr Eigenverantwortung“ fordern sie höhere Selbstbeteiligungen und dass Zuzahlungen auf „alle Träger“ übertragen werden. Das heißt, dass man bei jedem Arztbesuch zahlen muss. Das trifft kranke Menschen mit voller Härte. Statt Menschen bei der Verbesserung ihres Gesundheitszustandes bestmöglich zu helfen und zu unterstützen, sollen kranke Menschen bestraft werden.
Es ist daher nicht egal, wer und welche Interessen in der Sozialversicherung dominieren, denn Wirtschaftsvertreter wollen die Unternehmen auf Kosten der Kranken Menschen entlasten.
Regionale Versorgung gefährdet
Bislang haben die Gebietskrankenkassen eine gute Vorort-Präsenz durch ca. 120 Außen- und Bezirksstellen in ganz Österreich. Die massiven Einsparungen, die die Regierung Kurz/Strache angekündigt hat, gefährden dieses Versichertenservice. So hat die Regierung im Zuge des Gesetzesbeschlusses angegeben, in nur fünf Jahren 30 Prozent (!) der Sach- und Personalaufwendungen einzusparen. Das ist zwar völlig unrealistisch, kann aber nur durch massive Kürzungen angestrebt werden.
Was ist nötig?
Die Arbeitnehmervertreter in der Sozialversicherung kämpfen weiter darum, dass es eine gute soziale Absicherung und medizinische Versorgung für alle gibt. Gesundheit darf keine Frage des Einkommens sein. Daher brauchen wir genug Geld um unser Gesundheitssystem finanzieren zu können. Das ist auch notwendig um bei der Ärzten längere und bedarfsgerechte Öffnungszeiten fixieren zu können. Außerdem sollen alle Menschen gleich gute Leistungen bekommen. Dass Beamte und Politiker nach wie vor eine eigene Versicherung mit besseren Leistungen haben ist nicht fair. Wir wollen dass die Angleichung der Leistungen nicht auf halbem Weg stecken bleibt.