Durch den Nationalratswahlkampf wurde die Diskussion um die Erbschaftssteuer wieder neu belebt. Da dieses Thema stark polarisiert und die Debatte sehr emotional geführt wird, haben wir hier die wichtigsten Fakten.
Was versteht man unter einer Erbschaftssteuer?
Gegenstand einer Erbschaftssteuer ist das Reinvermögen (d. h. das verbleibende Vermögen nach Abzug der mitübernommenen Schulden, denn als Erbe/Erbin übernimmt man ja nicht nur die Forderungen des Nachlasses, sondern auch dessen Verbindlichkeiten) der verstorbenen Person. Steuerschuldner ist der Erbe/die Erbin. Bei den in Diskussion befindlichen Modellen sind jedoch Ausnahmen sowie Freibeträge, ebenso wie gestaffelte Steuersätze vorgesehen.
Ab wann müsste man Erbschaftssteuer zahlen?
Das hängt vom konkreten Modell ab. SPÖ, Liste JETZT und die Grünen fordern die Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, jeweils mit hohen Freibeträgen (SPÖ: 1 Million Euro, JETZT: 500.000 Euro). Das würde bedeuten, dass man erst für den den Freibetrag übersteigenden Teil des Erbes Steuern zahlen müsste!
Beispiel 1:
Das Erbe beträgt 1,1 Millionen Euro. Es gibt nur einen Erben. Dieser müsste dann beim SPÖ-Modell (Freibetrag in der Höhe von einer 1 Million Euro, Steuersatz für 1 bis 5 Millionen Euro: 25 Prozent) 25.000 Euro an Erbschaftssteuer zahlen (100.000 x 25 % = 25.000)
Beispiel 2:
Das Erbe beträgt 500.000 Euro. Da es sich innerhalb des Freibetrages – sowohl beim SPÖ- als auch JETZT-Modell befindet, fällt keine Erbschaftssteuer an.
Wer wäre von einer Erbschaftssteuer betroffen?
Nur einer von drei Haushalten der unteren 90 Prozent in der Einkommensverteilung erbt überhaupt etwas. Im Durchschnitt beträgt diese Erbschaft 120.000 Euro. Im Gegensatz dazu erben innerhalb der reichsten zehn Prozent drei von vier Haushalten. Ihre Erbschaft ist mit durchschnittlich 830.000 Euro fast siebenmal höher als die durchschnittliche Erbschaft der restlichen 90 Prozent. Im reichsten Prozent macht die durchschnittliche Erbschaft sogar rund 3,4 Millionen Euro aus. Diese Daten verdeutlichen, dass Erbschaften in Österreich ein zentraler Grund für die ungleiche Verteilung von Vermögen sind.
Aus diesen Zahlen geht klar hervor, dass eine Erbschaftssteuer mit einem hohen Freibetrag keineswegs die breite Masse der Bevölkerung treffen würde. (Anmerkung: Im letzten Jahr der Erbschaftssteuer 2008 sorgten die vier größten Erbschaften für rund 25 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens.)
In Österreich gab es doch eine Erbschaftssteuer – warum wurde diese abgeschafft?
Der Verfassungsgerichtshof erklärte 2007 die Ausgestaltung der (alten) Erbschafts- und Schenkungssteuer für verfassungswidrig (wegen der Bewertung von Grundvermögen mit den veralteten Einheitswerten), nicht jedoch die Steuer an sich. Es wäre bloß eine Reparatur des Gesetzes im Sinne einer Gleichbehandlung der verschiedenen Erbgegenstände (Immobilien, Finanzvermögen) notwendig gewesen – die damalige Bundesregierung hat das VfGH-Erkenntnis allerdings dazu benutzt, die Steuer gleich komplett abzuschaffen (indem man die Frist zur Reparatur des Gesetzes verstreichen ließ).
Vermögensbezogene Steuern: Wie stehen wir im internationalen Vergleich da?
Der Anteil der vermögensbezogenen Steuern am Gesamtaufkommen an Steuern und Abgaben betrug in Österreich im Jahr 2017 lediglich 1,3 Prozent (1965 waren es noch rund 4 Prozent). Damit befinden wir uns im OECD-Vergleich an vorletzter Stelle, hinter Estland – wobei wir den vorletzten Platz gemeinsam mit der Slowakei und Litauen einnehmen. Der OECD-Schnitt (5,7 Prozent) ist mehr als viermal so hoch! Zum Vergleich: In wirtschaftsliberalen Staaten wie Großbritannien oder den USA haben vermögensbezogene Steuern mit mehr als einem Zehntel des Steuer- und Abgabenaufkommens ein starkes Gewicht.
Auch internationale Institutionen wie die OECD oder der IWF, aber auch die EU-Kommission weisen auf den niedrigen Anteil der vermögensbezogenen Steuern in Österreich hin und empfehlen deren Ausbau.
Welche Verbreitung haben Erbschaftssteuern innerhalb der EU?
19 der 28 EU-Staaten, also rund zwei Drittel, haben eine Erbschaftssteuer. Bei Wiedereinführung der Erbschaftssteuer würden wir uns somit in guter
Gesellschaft befinden (z. B. mit Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien).
Wie wird sich das Erbvolumen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln?
Berechnungen der Wirtschaftsuniversität zeigen, dass das Erbvolumen in Österreich in den nächsten zwei Jahrzehnten von jährlich ca. 12 Milliarden Euro (2015) auf über 20 Milliarden Euro (2035) ansteigen wird. Erbschaften werden somit in naher Zukunft ein immer größeres Gewicht erhalten.
Wie hoch ist das potentzielle Aufkommen einer Erbschaftssteuer?
Aufkommensschätzungen hängen natürlich vom jeweiligen Modell ab, also der Höhe des Freibetrages und der Steuersätze sowie von eventuellen Ausnahmen. Bei einer progressiven Erbschaftssteuer mit einem hohen Freibetrag kann davon ausgegangen werden, dass diese jedenfalls 500 Millionen Euro pro Jahr einspielen würde. Nachdem das Erbvolumen stark ansteigen wird, ist längerfristig sogar mit einer deutlichen Steigerung der Steuereinnahmen zu rechnen.
Führt eine Besteuerung des Erbes zu einer Doppelbesteuerung?
Der Staat setzt schon heute bei der Besteuerung an unterschiedlichen Punkten im Wirtschaftskreislauf an. Bereits – durch die Lohnsteuer – versteuertes Einkommen wird beim Kauf von Konsumgütern (z. B. Lebensmittel) erneut mit der Mehrwertsteuer belastet – ganz ohne Freibetrag! Eine teilweise Besteuerung von bereits versteuertem Einkommen ist also alltäglich. Zudem lässt sich einwenden, dass genau genommen gar keine Doppelbesteuerung vorliegt, da der Erbe/die Erbin auf das geerbte Vermögen selbst noch keine Steuern bezahlt hat.
AK-Broschüre zum Thema Verteilungsgerechtigkeit
Die Broschüre zeigt das besorgniserregende Ausmaß der Ungleichheit auf: Das reichste 1 Prozent verfügt in Österreich über rund 40 Prozent des gesamten Nettovermögens, während die ärmeren 50 Prozent der österreichischen Haushalte gemeinsam gerade einmal 2,5 Prozent besitzen. Dabei wird ein großer Teil der Vermögen nicht durch eigene Leistung erworben, sondern geerbt.