In Österreich gibt es ein Recht auf Streik – Damit wird sorgsam umgegangen. Doch im Ernstfall muss das Vorgehen gut organisiert sein.
In Österreich herrscht die Streikfreiheit. Streik und Teilnahme an Streik sind verfassungsrechtlich geschützt, denn Artikel 11 Der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert das Recht, Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Zu diesem Recht gehört auch, in wichtigen Fällen Kampfmaßnahmen setzen zu dürfen. Artikel 8 des UN-Sozialpaktes, dem Österreich beigetreten ist, gewährleistet ausdrücklich ein Streikrecht. Streiken ist daher in Österreich erlaubt und auch nicht strafbar.
Bevor zum Arbeitskampfmittel Streik gegriffen wird – bei uns eher selten -, kann es im Vorfeld zu gewerkschaftlichen Maßnahmen wie etwa einer BetriebsrätInnenkonferenz oder einer Betriebsversammlung im öffentlichen Raum kommen.
„Das soll dem Dienstgeber signalisieren, dass wir es mit den Forderungen sehr ernst meinen“, macht Helga Hons von der GPA-djp deutlich; sie ist stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin in der Abteilung Interessenvertretung. Während der Kollektivvertragsverhandlungen herrscht gemeinhin die Einsicht, lieber am Verhandlungstisch als auf der Straße zu einer Lösung zu gelangen. Erst wenn alle Schlichtungsversuche und andere gesetzte Maßnahmen scheitern, greifen Gewerkschaften und ÖGB zum „letzten aller Mittel“, wie es Hons nennt. „Mit diesem Recht wird nicht leichtfertig umgegangen“.
Streikunterstützung für Mitglieder
Voraussetzung für den Arbeitskampf ist ein Streikbeschluss der Belegschaft, der meist im Rahmen einer Betriebsversammlung fällt. Die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ist dabei essentiell. Gewerkschafterin und Juristin Hons: „Hat die Belegschaft den Streik beschlossen, kümmern wir uns um die Streikfreigabe des ÖGB-Vorstands“. Wichtig: Firmen, die keinen Betriebsrat haben, sollten im Zusammenhang mit einem Streik schnell einen Betriebsrat wählen.
Klar muss aber auch sein: Wird gestreikt, darf der Arbeitgeber das Entgelt ab sofort vorenthalten. Denn: Wer streikt und seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber willentlich nicht zur Verfügung stellt, hat kein Anrecht auf ein Entgelt.
Im Ernstfall hilft der ÖGB mit einer Streikunterstützung: Diese erhalten Mitglieder, die an einem von den zuständigen Gewerkschaftsorganen anerkannten Streik teilnehmen und einen Einkommensverlust erleiden.
Gute Organisation nötig
„Wir unterstützen bei den Betriebsversammlungen und sind während des Streiks präsent, um gemeinsam Lösungen zu finden“, erklärt Hons. Auch die Nachbearbeitung und Evaluierung des Arbeitskampfes gehören zu den Aufgaben der GPA-djp. Wer streikt, benötigt die richtige Infrastruktur – auch dafür sorgt die Gewerkschaft und berät überdies in rechtlichen und strategischen Fragen.
Die Belegschaft muss ihrerseits dafür sorgen, eine Streikleitung zu wählen. Eine gewichtige Position: Die Streikleitung organisiert die Streikposten, teilt der Betriebsleitung mit, wo genau gestreikt wird und verfasst Tagesberichte, um u.a. besondere Vorkommnisse festzuhalten. Hons empfiehlt, Betriebsratsvorsitz und Streikleitung zu trennen – schließlich fungiert der/die Betriebsratsvorsitzende als Ansprechs-und Verhandlungspartner/-in für die Betriebsleitung.
Ein Streik muss in jeder Hinsicht gut geplant und durchdacht sein.
Gestreikt wird am Arbeitsplatz
Streiken können wir alle! Angestellte, ArbeiterInnen und auch Lehrlinge – allerdings muss der Unterricht in der Berufsschule wahrgenommen werden. Niemand, der an einem Arbeitskampf teilnimmt, darf deswegen benachteiligt werden. Wegen der Teilnahme an einem Streik darf niemand entlassen werden: „Sollte ich jedoch wegen der Teilnahme an einem Streik gekündigt werden, kann diese Kündigung vor Gericht angefochten werden“, erklärt Hons.
Gibt es nach dem Streik eine friedliche Einigung, werden Sanktionen wie Verwarnungen vom Arbeitgeber oder Nichtausbezahlen der Streikstunden in den meisten Fällen zurückgenommen.
„Sollte ich jedoch wegen der Teilnahme an einem Streik gekündigt werden, kann diese Kündigung vor Gericht angefochten werden“
Helga Hons
An welchem Ort gestreikt wird, ist offensichtlich: am und vom Arbeitsplatz aus. Helga Hons gibt zu Bedenken: „Ich kann natürlich nicht von zu Hause aus streiken, weil kein Mensch mir sagen kann, wann der Streik beendet ist“. Theoretisch kann der Streik für einen ganzen Tag ausgerufen werden, doch wird bei den Verhandlungen plötzlich eine Einigung erzielt, könnte der Streik auch nach drei Stunden abgebrochen werden. „Wenn ich daheim sitze, müsste ich sofort wieder zur Arbeit kommen.“ Wer gerade im Urlaub ist, kann sich solidarisch erklären und in den Betrieb kommen. Allerdings gilt das nicht als Grund für eine Urlaubsunterbrechung.
Das große Streik-ABC
In jeder Branche – ob Industriebetrieb, Handel oder Fluglinie – gibt es unterschiedliche Strategien, wie ein Arbeitskampf geführt und wie darauf reagiert wird. Für die Beschäftigten des Sozialbereichs etwa gilt: Nicht auf dem Rücken der KlientInnen. „Da existiert ein hohes soziales Ethos, es muss anders vorgegangen werden als etwa in einem Industriebetrieb, wo die Abfüllstationen für einen Tag stillstehen“, erklärt Hons. Freilich gibt es auch zahlreiche Varianten von Streiks.
Trotz allem, in der Jahresstatistik werden österreichische Streiks oft nur in Minuten und Sekunden gezählt, in Ländern wie Frankreich hingegen verursachen sie Staus, die 400 Kilometer weit reichen. Gibt es nach einem Streik eine friedliche Einigung, so werden in der Regel die vom Arbeitgeber ausgesprochenen Sanktionen zurückgenommen.
Dies ist nicht zuletzt auf eine hohe Kollektivvertragsdichte und auf starke Gewerkschaften zurückzuführen, die in Österreich in den letzten Jahrzehnten einen guten Lebensstandard durchsetzen konnten. Je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto durchsetzungsfähiger ist sie.
Welche Arten von Streik gibt es?
Bei einem Abwehrstreik wehren sich die ArbeitnehmerInnen gegen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen. Dagegen sollen bei einem Angriffsstreik weitgehende Verbesserungen erzwungen werden.
Legen während eines Generalstreiks die Beschäftigten eines ganzen Landes die Arbeit nieder, sind es bei einem Vollstreik die ArbeitnehmerInnen einer Branche. Ein Teilstreik betrifft nur eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten, ein Schwerpunktstreik hingegen bloß manche Betriebe. Mit einem Warnstreik wird dem Gegenüber die ernste Situation aufgezeigt, er ist zeitlich befristet. Von einem Sitzstreik ist die Rede, wenn MitarbeiterInnen ihren Arbeitsumfeld sitzend blockieren oder untätig am Arbeitsplatz verharren. Wird das Arbeitstempo gedrosselt, aber Vorschriften trotzdem penibel eingehalten, ist das passive Resistenz. Streiken Beschäftigte nicht im eigenen Interesse, dann zur solidarischen Unterstützung im Rahmen eines Solidaritätsstreiks.