Debatte über Arbeitsverweigerung statt Unterstützung für Arbeitslose

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Angestoßen von Bundeskanzler Sebastian Kurz ist derzeit eine Diskussion um vermeintliche Arbeitsverweigerer entbrannt. Der Regierungschef und Arbeitsministerin Christine Aschbacher drängen auf eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung.

Arbeitslosengeld und Sozialleistungen seien für alle da, die Unterstützung brauchen, aber sicherlich nicht für Menschen, die nicht arbeiten wollen, betont der Bundeskanzler und spricht sich für einen strengeren Vollzug aus. Die Arbeitsministerin wird konkreter und sieht vor allem im Hinblick auf asylberechtigte Arbeitslose die Notwendigkeit gegeben, die Zumutbarkeitskriterien bei der Arbeitsvermittlung neu auszurichten. Missbrauch müsse reduziert werden, betont sie.

Strenge Zumutbarkeitsbestimmungen

Ein Missbrauch im Ausmaß, wie er in dieser Debatte suggeriert wird, findet freilich gar nicht statt. Grund dafür ist der bereits jetzt sehr strenge Vollzug auf Grundlage rigoroser Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung. Schon jetzt ist gesetzlich klar geregelt, dass wenn eine Arbeit verweigert wird, das Arbeitslosengeld für sechs, im Widerholungsfall für acht Wochen gesperrt wird. Auch die Verpflichtung, eine Stelle in einem anderen Bundesland anzunehmen, ist Praxis. Wenn keine Betreuungspflichten entgegenstehen und ein potentieller Arbeitgeber eine „angemessene“ Unterkunft anbietet, müssen Arbeitssuchende auch für die überregionale Vermittlung zur Verfügung stehen, ansonsten riskieren sie ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das gleiche gilt für Schulungen. Arbeitssuchende, die eine Teilnahme an Schulungen verweigern oder vereiteln, haben mit einer Sperre des Arbeitslosengeldes zu rechnen. Das gilt etwa bereits für Jene, die tageweise unentschuldigt einem Kurs fernbleiben.

Zahl der AMS-Sanktionen steigt

Die Sanktionsmöglichkeiten des AMS finden deutlichen Niederschlag. Insgesamt 71.634 Sanktionen hat das AMS im ersten Halbjahr 2019 verhängt. Das entspricht einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018, in welchem ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen war. Die Zahl der Sanktionen dafür, dass sich Arbeitslose weigern, eine vermittelte Stelle anzunehmen oder die Vermittlung vereiteln, ist im ersten Halbjahr 2019 mit mehr als 40 Prozent überproportional gestiegen.

„Die Arbeitgeber brauchen keinen, der gezwungen wird, sondern jemanden, der den Job will.“

Johannes Kopf, AMS Vorstand

Schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen machen offensichtlich auch aus der Sicht von AMS-Vorstand Johannes Kopf wenig Sinn. „Die Arbeitgeber brauchen keinen, der gezwungen wird, sondern jemanden, der den Job will“, betont er. Wenn jemand einen bestimmten Job nicht will, müsse das auch von vollkommener Arbeitsunwilligkeit unterschieden werden. Auch Auffälligkeiten bei Asylberechtigten hinsichtlich der Verweigerung bei der Stellenvermittlung seien für das AMS nicht feststellbar.

Der nur mäßige Erfolg hinsichtlich der Zielsetzung, mehr Arbeitslose überregional zu vermitteln, hängt mit vielen Faktoren zusammen. Nur fehlende Arbeitswilligkeit als ausschlaggebende Ursache festzumachen, ist ein sehr simples Herangehen, das keinen Beitrag zur Problemlösung beisteuert. Auch wenn keine Betreuungspflichten vorhanden sind, ist der Schritt, einen weit entfernten Arbeitsplatz anzunehmen nachvollziehbarerweise ein schwieriger, der mit vielen sozialen und auch finanziellen Problemen verbunden ist. Der Kontakt zu Freunden und Familie ist nicht mehr im selben Ausmaß möglich, Miete muss weiterbezahlt werden, Lebensgewohnheiten und Freizeitaktivitäten müssen oft grundlegend geändert werden. Mehr Anreize, vor allem durch deutlich bessere Arbeitsbedingungen und nachhaltige Beschäftigungsverhältnisse, wären jedenfalls Schüsselfaktoren, um die regional unterschiedlichen Arbeitskräftebedarfslagen besser gestalten zu können.

Sozialmissbrauch in der Baubranche

Unternehmen stehen bei der Debatte um den vermeintlichen Missbrauch in der Arbeitslosenversicherung übrigens weit weniger im Visier. Mit der Frage konfrontiert, ob die etwa in der Baubranche gelebte Praxis, Arbeitslose während der Wintermonate beim AMS „zwischenzuparken“ nicht auch eine Form des Sozialmissbrauchs sei, meint die Arbeitsministerin in einem Interview, sie kenne diese Problematik und man wolle sich diese Themen ansehen. Die Zahlen über Sanktionen des AMS gegenüber Unternehmen zeigen jedenfalls, dass hier weniger rigoros vorgegangenen wird: Laut AMS sind derzeit 570 Unternehmen mit einem gänzlichen Vermittlungsverbot belegt. Die Begründung dafür ist in über 70 Prozent der Fälle die Insolvenz des Unternehmens, in ca. 30 Prozent sind es Verstöße gegen das AusländerInnenbeschäftigungsgesetz und lediglich bei einem Prozent, also bei einer Handvoll Firmen, wurde eine Sperre auferlegt, weil gegen die Rechte von Beschäftigten verstoßen wurde.

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