Arbeiterkammern – das demokratische Plus

Kunstblumenerzeugung um 1920, Quelle: ÖGB-Archiv

Vor 100 Jahren, am 26. Februar 1920, beschloss die konstituierende Nationalversammlung der jungen österreichischen Republik das erste AK-Gesetz. Die Arbeiterkammern wurden als gleichberechtigtes Gegenüber zu den schon Jahrzehnte bestehenden Handelskammern der UnternehmerInnen, den heutigen Wirtschaftskammern, geschaffen.

Das hatte viel mit dem Gleichheitsgrundsatz der gerade durch dieses Parlament und ein Expertenteam vorbereiteten neuen demokratischen Verfassung zu tun, die auch noch 1920 in Kraft trat. Es bedeutete: Die Beachtung von ArbeitnehmerInnen-Interessen ist für das Zusammenleben und Zusammenhalten im demokratischen Staat gleich wichtig wie das Beachten von UnternehmerInnen-Interessen. Die AK bekam im Lauf der letzten hundert Jahre viele Aufgaben dazu, vor allem hinsichtlich der Serviceleistungen für ArbeitnehmerInnen, aber diese demokratiepolitische Funktion ist unverändert eine zentrale.

Eine revolutionäre Idee

„Schuld“ ist Napoleon. In seiner Regierungszeit entstanden erstmals gesetzlich verankerte Interessenvertretungen der UnternehmerInnen als Vertretung ihrer Interessen gegenüber dem Staat, und mit den Siegen der napoleonischen Armeen verbreitete sich die Idee in ganz Europa. In Österreich konnten solche „Handelskammern“ erst mit der Revolution von 1848 durchgesetzt werden, während die Forderung der ersten ArbeiterInnen-Organisationen nach einer vergleichbaren Interessenvertretung keine Chance hatte. Nach der Niederlage der Revolution duldete die neue Kaiserdiktatur keine Parlamente, aber die Handelskammern blieben bestehen, wenn auch mit stark eingeschränktem Mitspracherecht und der ursprünglich nicht vorgesehenen „Pflichtmitgliedschaft“.

Arbeiterkammern als Ersatz für demokratische Wahlen – nein danke
Nachdem die Länder unter der Herrschaft Kaiser Franz Josephs 1867 doch noch eine Verfassung und ein eigenes Parlament erhalten hatten, diskutierten liberale Politiker und Gruppen der jungen ArbeiterInnenbewegung, welche Möglichkeit es geben könnte, die „Habenichtse“ (also die ArbeiterInnen und Angestellten und die armen Selbstständigen) in das Abgeordnetenhaus dieses „Reichsrats“ einzubeziehen. Denn das Parlament war alles andere als demokratisch zusammengesetzt. Es bestand aus „Kurien“ mit festgelegten Mandatszahlen, und ein „Zensuswahlrecht“ sorgte dafür, dass Bürger mit kleinem Einkommen erst gar nicht zur Wahl zugelassen wurden.

1872 forderte der „Verein Volksstimme“ in einem Memorandum an den Reichsrat Arbeiterkammern, die auch die Mandatare in eine neu zu schaffende „Arbeiterkurie“ entsenden sollten. Erfolg hatte diese Eingabe ebenso wenig wie ein ähnlicher Antrag des liberalen Abgeordneten August von Plener 1886. Die seit der Jahreswende 1888/89 als geeinigte „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ (SDAP) agierende sozialdemokratische ArbeiterInnen-Bewegung lehnte alle diese Initiativen ab. Sie wollte keine Arbeiterkammern mit Delegierungsrecht für den Reichsrat, sondern demokratische Wahlen und dazu eine gesetzliche Interessenvertretung mit Gewicht. Bei einer Zusammenkunft christlicher Sozialpolitiker 1890 wurden Arbeiterkammern wiederum als Teil eines „berufsständischen“ Konzepts angestrebt, also in enger Verschränkung mit der Arbeitgeberseite und nicht als klares Gegenüber zu den Handelskammern.

Für SDAP und die Freien Gewerkschaften, die ihre „Reichsgewerkschaftskommission“ 1893 gründeten, trat die Forderung nach Arbeiterkammern während der folgenden zwei Jahrzehnte in den Hintergrund, denn es wurden alle Kräfte für ihre Wahlrechtskampagne mobilisiert. 1907 konnte dann ein erster Durchbruch erzielt werden, im Mai dieses Jahres fanden die ersten weitgehend demokratischen Wahlen für Männer statt. Mit dem vorläufigen Abschluss der Wahlrechtskampagne war der Weg frei, um die Forderung nach Arbeiterkammern wieder gezielt aufzunehmen, aber die innen- und außenpolitische Entwicklung erlaubte höchstens erste Diskussionsansätze.

Der Reichsrat wurde noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs vertagt, das kaiserliche Kabinett regierte wieder autoritär. Aber unter dem Druck von Revolutionsangst und angesichts des drohenden Zerfalls der Monarchie wurde 1917 das Parlament wieder einberufen. Noch in diesem Jahr forderten tschechische sozialdemokratische Abgeordnete Arbeiterkammern, und Anfang 1918 folgte ein ähnlicher Antrag der deutschen Sozialdemokratie, getragen von führenden GewerkschafterInnen. Diese Anträge enthielten schon viele Bestimmungen, die in das erste AK-Gesetz übernommen wurden, von weisungsfreier Selbstverwaltung konnte unter den Bedingungen der Monarchie aber noch keine Rede sein.

Weberei um 1918, Quelle: ÖGB-Archiv

Arbeiterkammern als Demokratieprojekt

Nach dem Zerfall der Monarchie riefen die verbliebenen Reichsratsabgeordneten im November 1918 den neuen Kleinstaat Deutsch-Österreich aus, deklariert als demokratische Republik „der Bürger, Bauern und Arbeiter“. Erstmals wurde mit dem Sozialdemokraten Ferdinand Hanusch als Sozialstaatssekretär ein Gewerkschafter Regierungsmitglied. Die 1919 nun tatsächlich demokratisch gewählte konstituierende Nationalversammlung leistete hervorragende Arbeit. Sie schuf nicht nur die Grundlagen für den modernen Sozialstaat, sondern bereitete die republikanische Verfassung vor, die bis heute eine der fortschrittlichsten der Welt geblieben ist.

Ein besonderes Anliegen der Republikgründer war die Anerkennung der Arbeitnehmerinteressen als gleichberechtigt. Die gesetzliche Grundlage für Kollektivverträge, die Betriebsräte und die Kammern für Arbeiter und Angestellte wurden in diesem Geist geschaffen. Das erste AK-Gesetz fand breite Zustimmung, bei der Debatte zur Beschlussfassung am 26. Februar 1920 stritt man sich höchstens darum, wer die Urheberschaft für sich beanspruchen durfte.

In der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung und unter deren SympathisantInnen galt die Errichtung der Arbeiterkammern als wichtige Maßnahme zum Ausbau der Demokratie über das Wahlrecht in die Parlamente hinaus. Eine Publikation der Gewerkschaftskommission aus dem Jahr 1924 formulierte diese Überzeugung: „Schon rein äußerlich stellen die … Kammern für Arbeiter und Angestellte das Symbol der aus rechtloser Knechtung und Bevormundung befreiten und zu gleichberechtigten über ihr wirtschaftliches und kulturelles Schicksal mit entscheidenden Bürgern eines freien Staates aufgestiegenen Arbeiterklasse dar.“ Diese Einschätzung entsprach dem Grundsatz der Verfassung von 1920, der in ihrem Artikel 7 festgelegt ist und noch heute gilt: „Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse sind ausgeschlossen.“

Als Voraussetzung für eine unabhängige Interessenvertretung wurde – parallel zur Demokratisierung der Handelskammern – eine demokratische Selbstverwaltung geschaffen, für deren Organe alle in Österreich lebenden ArbeitnehmerInnen das Wahlrecht besitzen, wenn das Gesetz die „Kammerzugehörigkeit“ zuerkennt, und zwar unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Die sogenannte „Pflichtmitgliedschaft“ ist also in Wirklichkeit ein Bürgerrecht wie die Bürgerschaft in einer politischen Gemeinde. Nur die demokratische Selbstverwaltung in dieser Form, kombiniert mit einer Finanzierung ausschließlich aus Beiträgen der Zugehörigen, garantiert das umfassende Vertretungsmandat gegenüber dem Staat.

Die ersten Wahlen in die AK-Vollversammlungen fanden 1921/22 statt, die zweiten 1926 – sie sollten die letzten bis 1949 sein. Die sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften konnten beide Wahlen in allen Bundesländern für sich entscheiden, und es kam immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihren „Kammermitgliedern“, wie die KammerrätInnen damals hießen, und den MandatarInnen der Minderheitsfraktionen, der Christlichsozialen, der Deutschnationalen und der wenigen KommunistInnen. Trotzdem waren die AK-Vollversammlungen die einzige Plattform in Österreich, wo demokratische Beschlüsse unter Beteiligung aller politischen Richtungen gefasst werden konnten, als dies sonst nirgends mehr möglich war.

Dies erwies sich besonders hinsichtlich der Vollversammlung für Wien und Niederösterreich als wichtig, weil ihr der „Österreichische Arbeiterkammertag“ die Vertretung der ArbeitnehmerInnen-Interessen gegenüber der Bundesgesetzgebung und den Bundesbehörden übertragen hatte. Es kam immer wieder vor, dass die Kammermitglieder der Minderheitsfraktionen im ArbeitnehmerInnen-Interesse kritische Stellungnahmen gegen die Politik der ab 1920 regierenden Mitte-rechts- oder Rechts-rechts-Koalitionen unterstützten. So verhinderte ein überfraktioneller Schulterschluss 1930 noch einmal ein von der Regierung geplantes Streikverbot. Gegen das Zerschlagen der demokratischen AK-Selbstverwaltung leisteten die christlichen und deutschnationalen Gewerkschaften dagegen keinen Widerstand.

Ende der demokratischen Republik – Ende der demokratischen Arbeiterkammern

Die demokratische Institution Arbeiterkammer war von dem politischen Rechtsruck nach 1920 massiv betroffen. Am 12. Februar 1931 plante die Regierung Buresch eine Novelle zum AK-Gesetz, mit der die EisenbahnerInnen und die Postbediensteten die AK-Zugehörigkeit verloren hätten und das Begutachtungsrecht für Landesgesetze praktisch aufgehoben worden wäre. Der Plan wurde nach Protesten vorerst zurückgestellt, dafür setzte die Regierung die 1931 fälligen AK-Wahlen aus. Die Funktionsperiode der Vollversammlung wurde bis zur Beschlussfassung eines neuen AK-Gesetzes verlängert, ein Vorgang, der sich bis Ende 1933 zweimal wiederholte. Damit stand die Rute im Fenster: entweder Zustimmung zu einer verkleinerten und politisch kaltgestellten Arbeiterkammer oder Entzug der Legitimationsbasis für die freigewerkschaftlichen Mehrheiten in den Vollversammlungen.

Im März 1933 schaltete die Regierung Dollfuß das Parlament aus, im Herbst 1933 startete sie die Initiative zur Abschaffung der Arbeiterkammern als autonome demokratische Selbstverwaltungseinrichtungen. Gegen Jahresende ging es dann Schlag auf Schlag. Am 21. Dezember wurde per Notverordnung bestimmt, dass die gewählten Vollversammlungen durch von der Regierung eingesetzte „Verwaltungskommissionen“ abgelöst werden sollten, verbunden mit einer „Umfärbung“ zugunsten der Regierungsparteien. Da die Freien Gewerkschaften die Reduktion ihrer Mandatszahl nicht akzeptierten, wurden sie ganz ausgeschlossen. Zusätzlich zur Gleichschaltung verschärfte die Regierung die Kontrolle durch staatliche „Aufsichtskommissäre“. Sie hatten das Recht, Sitzungen von sich aus einzuberufen, die Tagesordnung zu bestimmen und Entscheidungen der Verwaltungskommission außer Kraft zu setzen.

Die Demontage der Demokratie ging 1934 weiter, sie konnte auch nicht aufgehalten werden, als dies Teile des sozialdemokratischen Schutzbunds und damit auch viele Mitglieder der Freien Gewerkschaften und etliche AK-Angestellte am 12. Februar 1934 mit der Waffe in der Hand versuchten. Im März 1934 errichtete das Regime nach dem Verbot aller Richtungsgewerkschaften via Verordnung des Sozialministers den „Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten“. Neben dieser auch als „Einheitsgewerkschaft“ bezeichneten Staatsgewerkschaft durfte es keine andere ArbeitnehmerInnen-Vertretung geben. Die „neuen Arbeiterkammern“ verloren den letzten Rest ihrer Eigenständigkeit, sie wurden der „Einheitsgewerkschaft“ unterstellt und fungierten als deren Geschäftsstellen.

Liquidation von Staatsgewerkschaft und Arbeiterkammern durch den Nationalsozialismus

Mit der Machtübernahme durch Hitler-Deutschland 1938 beauftragte man österreichische Vertrauensleute des neuen Regimes damit, den Staatsgewerkschaftsbund plus „neue Arbeiterkammern“ zu liquidieren, nicht ohne sich vorher ihre Ressourcen zu sichern. Es ging darum, der nationalsozialistischen „Deutschen Arbeitsfront“ das Vermögen der Ständestaat-Institutionen zuzuschanzen, das diese wiederum aus den zerstörten demokratischen Einrichtungen kassiert hatten. Auch das Vermögen der Handelskammern, deren Integration in das System der österreichischen Diktatur unter Wahrung der Unternehmerinteressen möglichst schonend vollzogen worden war, wurde zum Teil der DAF einverleibt, deren riesiges Freizeit- und Kulturprojekt „Kraft durch Freude“ Unsummen verschlang.

Die Arbeiterkammern und der Wiederaufbau von Demokratie und Gewerkschaft in der Zweiten Republik

Arbeiterkammern mit autonomer Selbstverwaltung zählten 1945 zu den ersten Institutionen der österreichischen Demokratie, die wiedererstanden. Am 20. Juli 1945 verabschiedete die provisorische Staatsregierung auf Initiative des neugegründeten überparteilichen Österreichischen Gewerkschaftsbunds das Gesetz zur Wiedererrichtung der Arbeiterkammern. Es galt allerdings am Anfang nur in der sowjetischen Besatzungszone in Ostösterreich und konnte deshalb zunächst nur als Grundlage für die Konstituierung der Vollversammlung der Arbeiterkammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland am 25. August 1945 im Wiener Konzerthaus dienen. Trotzdem traten auch in etlichen anderen Bundesländern unter Berufung auf das AK-Gesetz von 1920 provisorische Vollversammlungen zusammen, auch wenn sich der Alliierte Rat mit der Anerkennung des neuen AK-Gesetzes bis zum 31. Dezember 1945 Zeit ließ. Erst jetzt stimmten auch die drei Westmächte zu, nachdem die Nationalratswahl im November 1945 die antikommunistische Grundstimmung der Mehrheit der Bevölkerung bewiesen hatte.

Das Vorhandensein einer anerkannten unabhängigen und überparteilichen Gewerkschaftsorganisation war die entscheidende Voraussetzung für die Konstituierung der ersten AK-Vollversammlungen, die bis Juli 1946 in allen Bundesländern vollzogen war. Denn die Kammermitglieder (wie die Mandatare in der Vollversammlung vorerst weiter hießen), wurden zunächst vom Sozialminister auf Vorschlag des ÖGB bestellt. Die ersten AK-Wahlen der Zweiten Republik fanden 1949 im Jahr nach dem ersten ÖGB-Bundeskongress statt. Da die wahlwerbenden Gruppen bei den AK-Wahlen zum größten Teil mit den verschiedenen politischen Richtungen im ÖGB identisch waren und sind, bildeten die grundlegenden Organisationsbeschlüsse des Kongresses eine entscheidende Voraussetzung für demokratiepolitisch unbedenkliche Wahlentscheidungen bei der AK-Selbstverwaltung.

Beitrag zum demokratischen Sozialstaat und seiner Verteidigung

Der Gewerkschafter und Sozial-Staatssekretär Ferdinand Hanusch umriss 1920 die Aufgaben der AK als Teil des demokratischen Systems auch für das dritte Jahrtausend noch gültig: „(Sie werden) zusammenfassend alle wirtschaftlichen Forderungen der Arbeiter und Angestellten als produzierende und konsumierende Bürger im Staate zu verfechten haben.“ Der Verfassungsjurist Karl Korinek erläuterte mehr als 70 Jahre später die Funktion der Kammern in Selbstverwaltung nicht viel anders. Sie hätten die Aufgabe, „die möglicherweise widerstreitenden Interessen ihrer Mitglieder im internen Bereich aufeinander abzustimmen und nach außen hin in allen Angelegenheiten eine gemeinsame Stellungnahme zu beziehen“.

Auf dieser Grundlage leisteten die gewählten Mitglieder der AK-Selbstverwaltungen, die die interessenpolitischen Grundsatzentscheidungen beschließen und tragen, und die AK-ExpertInnen mit ihrem fachlichen Wissen und ihrer politischen Verhandlungserfahrung einen Beitrag zur Ausformung der Zweiten Republik als demokratischer Sozialstaat, dessen Umfang wohl erst in Zukunft erkennbar sein wird. Und sie leisteten diesen Beitrag, das ist eine entscheidende Tatsache, unabhängig davon, wie sich die Regierung zusammensetzte und wie das Kräfteverhältnis im Nationalrat aussah.

Über Jahrzehnte standen die Arbeiterkammern auch öffentlich kaum zur Diskussion, wenn man von den AK-Wahl-Zeiten absieht, aber das änderte sich in den 1980er-Jahren im beginnenden Zeitalter des Neoliberalismus, als die Marktfreiheit den Sozialstaat als Mainstream-Ideologie zu ersetzen begann. Die Forderung nach dem Abschaffen der „Zwangsmitgliedschaft“ bei den großen Kammern wurde erstmals 1987 durch die Freiheitliche Partei zum politischen Thema. Seriöse verfassungsrechtliche Gutachten belegten allerdings, dass es in Österreich Kammern ohne „Pflichtmitgliedschaft“ nicht geben kann. Unter Berücksichtigung dieser Gutachten führten alle Kammern 1995 in Eigenregie Mitgliederbefragungen durch. An der AK-Befragung beteiligten sich mehr als zwei Drittel der Zugehörigen, und die Zustimmung lag über 90 Prozent. AK-Präsidentin Lore Hostasch konnte feststellen: „Ich sehe in diesem Ergebnis die Chance, gemeinsam mit den Gewerkschaften eine starke Arbeitnehmerpolitik zu betreiben.“ Dieses Versprechen löste die AK gegenüber der SPÖ/ÖVP-Koalition ebenso ein wie gegenüber der folgenden ÖVP/FPÖ-Koalition, als sie sich mit den Gewerkschaften konsequent gegen den Abbau des Sozialstaats wehrte.

Selbstverwaltung als demokratisches Recht

Als Druckmittel gegen die AK wurde nach 2000 die Kürzung der AK-Mittel durch Parlamentsbeschluss immer wieder in den Raum gestellt. Andererseits sind die Kammern ab 2008 als Institutionen der „nichtterritorialen Selbstverwaltung“ in der Verfassung verankert – analog zur „territorialen Selbstverwaltung“ der Gemeinden, die auch eine der Innovationen zu Beginn der Ersten Republik ist. Es handelt sich dabei um die Anerkennung einer demokratischen Legitimation. Es geht darum, wie sich die österreichische Demokratie weiterentwickelt, ob sie weiter bereit ist, auch die Interessen der ArbeitnehmerInnen als gleichberechtigten Teil der Politik zu akzeptieren. Das Kammersystem, wie es in Österreich besteht, setzt, so der Verfassungsexperte Karl Korinek, die „gemeinsame Überzeugung“ voraus, dass es „nicht ein Volksinteresse, sondern unterschiedliche Interessen in der Gesellschaft gibt, auch wenn das von bestimmten politischen Ideologien her nur schwer verständlich sein mag.“

Der Beitrag ist am 26. Februar am Arbeit und Wirtschaft Blog erschienen.

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