Buchtipp: Klimakiller Kapital

Grafik: GPA-djp-Öffentlichkeitsarbeit

Um die Klimakrise zu entschärfen wird es nicht reichen, punktuelle Maßnahmen zu setzen. Der Journalist und Publizist Tomasz Konicz plädiert in seinem eben erschienenen Buch „Klimakiller Kapital“ (mandelbaum Verlag) dafür nach „grundlegenden gesellschaftlichen Alternativen“ zu suchen. Er ist davon überzeugt, dass das derzeitige Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört.

Der Kapitalismus sei einerseits die Ursache der Klimakrise. Gleichzeitig verstärke er auch die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels. Kapitalismus und Klimaschutz seien unvereinbar, meint der Autor. Und trotz der bereits massiven Auswirkungen des Klimawandels „scheint die kapitalistische Weltwirtschaft weiterhin dem eingefahrenen Gleis des größtmöglichen Profit- und Wirtschaftswachstums zu folgen und kaum Rücksicht auf Mensch oder Natur zu nehmen“, prangert Konicz an. Doch Wirtschaftswachstum und Klimaschutz, das gehe eben nicht zusammen.

Der Autor schildert das eindrucksvoll am Beispiel der massiven Fehlentwicklungen in der Nahrungsmittelproduktion und dem Lebensmittelhandel: hier ist Konzentration das große Thema und die Abhängigkeit und Erpressbarkeit vieler, in diesem Fall kleiner Bauern, von wenigen, in diesem Fall großen Konzernen. Auf der einen Seite befinden sich die Supermarktketten. Durch Oligopolbildung beherrschen hier einige Konzerne den Markt und können so die Preise der Hersteller drücken. In Deutschland etwa wird der Lebensmittelhandel von fünf Konzernen beherrscht, in Finnland, Holland und Schweden kontrollieren sogar nur drei Großkonzerne 80 Prozent des Einzelhandels. In den USA habe Walmart mit zwei Millionen Angestellten und einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Dollar (2017) die Dimensionen einer kleinen Volkswirtschaft.

Der dadurch zunehmende Druck, Preise und Kosten zu senken, fördere die Verschärfung der ohnehin brutalen Arbeits- und Produktionsbedingungen in der gesamten Produktionskette der Lebensmittel- und Agrarbranche. Die Lebensmittelhersteller geben nämlich den Kostendruck an ihre Zulieferer weiter. „Wie hoch das Erpressungspotenzial inzwischen ist, illustriert die globale Verwertungskette beim Kaffee. Den rund 25 Millionen Kleinbauern und Landarbeitern, die im Kaffeeanbau beschäftigt sind. Stehen fünf internationale Händler gegenüber, die 55 Prozent des Marktes kontrollieren, sowie drei Röstformen, deren Marktanteil circa 40 Prozent beträgt.“ In anderen Bereichen sei es ähnlich: In den USA kontrollieren vier Fleisch verarbeitende Unternehmen 84 Prozent der Schlachtkapazitäten. Beim Saatgut beträgt der Marktanteil der Top-10-Konzerne 74 Prozent. Der globale Handel mit Soja und Getreide werde von vier Konzernen abgewickelt, die 74 Prozent Marktanteil erreichen.

Eine der Folgen: die Vielfalt der Waren in den Supermärkten sei nur eine scheinbare. Durch Konzentrationsprozesse bei den Tierzüchtern wurde die Anzahl der Zuchtlinien bei allen Nutztierrassen drastisch vermindert, gleichzeitig werden einander die Populationen der einzelnen Rassen genetisch immer ähnlicher.  Es kommen nämlich Hybride zum Einsatz, das sind besonders leistungsfähige Kreuzungen von Inzuchtlinien (also Bruder-Schwester-Verpaarung). Für die Züchter hat dieses Inzuchtsystem den Vorteil, dass ihre hybriden Tiere immer nachgekauft werden müssen, denn bei Nachkommen dieser Tiere würden die guten Eigenschaften sukzessive verlorengehen. Hybridzüchtungen gibt es aber auch bei Pflanzen – etwa dem Mais. Bauern sind damit, wie es Konicz formuliert, „auf die permanente Zufuhr von frankensteinischen Laborzüchtungen angewiesen“. Fazit des Autors: „Dem Profitstreben wird alles geopfert, auch die Gesundheit der Kunden.“

Heute gebe es jedenfalls kein Zurück mehr zur Wirtschaftswunderzeit, aber auch nicht zur sozialen Marktwirtschaft. „Stattdessen müsste wieder nach vorn geblickt werden und der kategorische Bruch gewagt werden“, so der Autor. Wenn die Gesellschaft den Kapitalismus nicht überwinde, dann werde das auch nichts mit dem Klimaschutz. Eine ernüchternde Lektüre, die aber zeigt: noch ist nicht alles verloren. Wie eine postkapitalistische Welt konkret aussehen könnte, darüber müsste nun breit nachgedacht und diskutiert werden.

Tomasz Konicz

„Klimakiller Kapital. Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört“
Wien/Berlin 2020, Verlag Mandelbaum, Reihe „kritik & utopie“ 360 Seiten, € 20, ISBN 978-3-85476-692-6

Scroll to top