Jugend ohne Job: Nein zu einer Lost Generation!

Die Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend spricht im KOMPETENZ-Interview über mindestens 7.500 fehlende Lehrstellen.
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Arbeitslosigkeit bei den 15–25-Jährigen hat sich aufgrund der Covid-19-Krise verdoppelt. Die Folge: eine verlorene Generation auf dem Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaftsjugend schlägt Alarm.

Die Wirtschaftskrise, hervorgerufen durch den Shut-Down während der Corona-Pandemie, ließ die Arbeitslosigkeit in Österreich dramatisch ansteigen. Stärker betroffen als alle anderen sind junge Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf ein historisches Rekordniveau gestiegen, und mit Ende des Schuljahres im Juli werden zusätzlich noch die SchulabsolventInnen auf den Arbeitsmarkt drängen.

Laut aktuellen Zahlen des AMS sind über 60.000 junge Menschen unter 25 Jahren als arbeitslos gemeldet. Seit dem Vorjahr hat sich die Jugendarbeitslosigkeit damit mehr als verdoppelt. Dazu kommen rund 22.000 Jugendliche, die derzeit an einer Schulung des AMS teilnehmen, was bedeutet, dass insgesamt mehr als 80.000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit sind.

„Das sind absolut alarmierende Zahlen, wir haben doppelt so viele Jugendliche ohne Job wie im Vorjahr, mindestens 7.500 Lehrstellen werden im Herbst fehlen und die Regierung hat bis jetzt noch nichts unternommen“, kritisiert Susanne Hofer, Vorsitzende der GPA-djp Jugend.

Die Gewerkschaftsjugend hat bereits wiederholt auf die Lage aufmerksam gemacht und nun die Kampagne #Lostgeneration – Jugend ohne Job gestartet. „Wir erleben eine noch nie dagewesene Arbeitslosigkeit. Junge Menschen dürfen in dieser wichtigen Lebensphase nicht das Gefühl haben, dass sie niemand braucht. Die Regierung muss sofort handeln, bevor es zu spät ist“, betont Hofer. Promotet wird die neue Kampagne in den Social Media sowie mittels Aktionen im öffentlichen Raum.

Gefordert wird von der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen die drohende Ausbildungskatastrophe. Kernstück des Forderungspakets ist die Schaffung eines Corona-Not-Ausbildungsfonds: Dotiert mit 140 Millionen Euro soll dieser Fonds Betriebe unterstützen, die trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten wegen der Corona-Krise Lehrlinge ausbilden wollen.

„Generation Corona“

Wenn man die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich analysiert wird deutlich, dass die Corona-Krise die negative Entwicklung der letzten Jahre nochmals massiv verstärkt: In den 1990er-Jahren lag die Arbeitslosigkeit der 15-25-Jährigen noch bei rund fünf Prozent. In den Jahren 2009/10 und 2013/14 ist die Wirtschaft geschrumpft bzw. kaum gewachsen. Bereits in dieser Zeit sind in Österreich jeweils rund 5.000 Lehrstellen weggefallen, die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen stieg auf 9 bis 11 Prozent an. Die Wahrscheinlichkeit, als junger Mensch arbeitslos zu werden, hat sich somit bereits in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt.

Die aktuelle Wirtschaftskrise verschlechtert diese Situation nochmals. „Wir wissen, dass Betriebe während einer wirtschaftlichen Krise deutlich weniger Lehrlinge aufnehmen werden. Als Gewerkschaftsjugend gehen wir daher davon aus, dass in der aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmesituation die Anzahl der freien Lehrstellen stark zurückgehen wird“, befürchtet Hofer. „Wenn nun auch noch die Schulabsolventen auf den Arbeitsmarkt drängen, führt das zu einer Lost Generation – eine Generation von jungen Menschen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben. Eine tickende Zeitbombe, die entschärft werden muss!“

Dramatische Prognosen

Auch Johann Bacher, Soziologe an der Johannes Kepler Universität Linz, warnt vor der drohenden „Lost Generation“. Die Zahl der Jugendlichen, die komplett für das Ausbildungs- und Arbeitssystem verloren sind, könnte um über 40 Prozent steigen, rechnet Bacher vor.

Denn der Internationale Währungsfonds IWF erwartet angesichts der Corona-Pandemie einen Rückgang des österreichischen BIP um 7 Prozent. Damit wäre das Wachstum der vergangenen zwei Jahre vernichtet. Bachers Prognose zufolge steht zu befürchten, dass heuer mindestens 7.500 Lehrstellen fehlen werden. Was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, so ergibt Bachers Studie einen Anstieg von 8,4 auf 15,3 Prozent, also beinahe eine Verdoppelung.

Lehrstellenmangel

Während es im Februar dieses Jahres noch mehr offene Lehrstellen gab als junge Menschen, die eine Lehrstelle suchten, hat sich die Situation zu Beginn der Krise im März drastisch ins Gegenteil verkehrt: Die Zahl der offenen Lehrstellen fiel auf ein Rekordtief von derzeit rund 4.500, das bedeutet einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel. Die Zahl der Lehrstellensuchenden ist zeitgleich um mehr als die Hälfte gestiegen, nämlich auf über 8.300. Das bedeutet, so rechnet Hofer vor, dass insgesamt an die viertausend Ausbildungsplätze fehlen, eine bisher nie dagewesene Zahl.

Verwundbare Jugend

Mehrere Faktoren führen dazu, dass die Gruppe der jungen ArbeitnehmerInnen zugleich auch am stärksten verwundbar in Krisenzeiten sind.

Erstens werden junge Menschen in einer Rezession meist als erstes entlassen, denn sie haben schwächeren Kündigungsschutz und die Betriebe haben noch relativ wenig Geld in ihre Weiterbildung investiert. Für Arbeitgeber ist es daher finanziell vorteilhafter, wenn sie ihre jüngeren MitarbeiterInnen kündigen.

Zweitens: Arbeitslosigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass junge Menschen psychisch erkranken. Jugendliche, die keinen Job haben und auch nicht in Ausbildung sind, leiden dreimal so häufig unter psychischen Erkrankungen wie jene, die arbeiten oder eine Schule besuchen. Für die erkrankten Jugendlichen bedeutet dies natürlich eine schlechtere Lebensqualität und für die Gesundheitssysteme eine enorme Belastung.

Hohe Kosten der Arbeitslosigkeit

Und schließlich haben junge Menschen, die infolge einer Wirtschaftskrise nicht in einem stabilen Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis sind, entsprechend weniger Geld für den Konsum zur Verfügung.

Gleichzeitig führen sie auch weniger Steuern an den Staat und weniger Beiträge an die Sozialversicherungen ab und verursachen höhere Kosten für die Arbeitslosenunterstützung. Laut Berechnungen von Johann Bacher belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund der dauerhaften Jugendarbeitslosigkeit von 43.500 Jugendlichen auf 775 Millionen Euro pro Jahr.

„Junge Menschen mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen verdienen 10 bis 20 Prozent mehr als Gleichaltrige, die nach der Pflichtschule immer wieder arbeitslos waren“, rechnet Susanne Hofer vor, „Dies hat außerdem Effekte auf ihr ganzes weiteres Leben, bis hin zu einer geringeren Pension.“ Ganz besonders wichtig ist hier die Lehrlingsausbildung. Hofer: „Gute Ausbildungen senken die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden. Wer jetzt in die Lehrlingsausbildung investiert, verhindert Tausende Sozialfälle in Zukunft!“

Rettungspaket gefordert

In ihrer Kampagne ‚#Lostgeneration – Jugend ohne Job’ fordert die Österreichische Gewerkschaftsjugend ein Maßnahmenpaket, das bei der Unterstützung der Betriebe ansetzt: Derzeit werden jährlich rund 140 Millionen Euro Unterstützungsgelder an Lehrbetriebe ausgeschüttet. Um eine Katastrophe zu verhindern, werden vor allem kleine und mittlere Unternehmen eine finanzielle Unterstützung bei der Ausbildung von Lehrlingen benötigen. „Daraus resultiert unsere Forderung, die bisherigen 140 Millionen Euro mit weiteren 140 Millionen Euro aus dem Budget der Bundesregierung aufzustocken“, erklärt Hofer.

Um eine qualitätsorientierte Lehrlingsausbildung auch in Zukunft nachhaltig garantieren zu können, muss, so Hofer weiter, ein eigener Ausbildungsfonds geschaffen werden. Dieser soll im Jahr 2020 mit den oben erwähnten 140 Millionen aus dem Budget des Bundes befüllt werden, in den darauffolgenden Jahren soll der Fonds durch die Betriebe selbst finanziert werden, indem jeder Betrieb ein Prozent seiner Bruttolohnsumme in diesen Fonds abführt.

Förderung nur für Qualität

Des Weiteren muss die Förderung der betrieblichen Ausbildung auch an Qualitätsstandards gebunden sein. Nur Betriebe, die mit hohen Qualitätsstandards ausbilden, sollen von dem Fonds profitieren dürfen. Zugleich soll der Fonds aber auch die finanzielle Basis der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung ÜBA sein, die mit Hilfe dieser Mittel ihre Lehrstellen aufstocken könnte.

„Die Wirtschaft muss alle Kräfte aufbieten, damit mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden“, fordert Hofer. „Wir appellieren auch an große Ausbildungsbetriebe, über Bedarf auszubilden und an die Regierung, hierfür verstärkt Anreize zu schaffen. Auch bei staatlichen Ausschreibungen müssen Firmen bevorzugt werden, die Lehrlinge aufnehmen.“

Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst

Auch der öffentliche Bereich muss seine Vorbildfunktion wahrnehmen, verlangt die Gewerkschaftsjugend. Leider nehmen nicht alle Länder und Gemeinden diese Verantwortung ernst. Gerade in der aktuellen Krise müssen der Bund, die Länder und die Gemeinden in die Pflicht genommen werden und Lehrlinge über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden.

„Der Spruch der Regierung ‚Koste es, was es wolle’ muss ganz besonders  für die Jugend und für die Lehrlinge gelten“, betont Hofer, „denn so vermeiden wir nicht nur enorme soziale Folgekosten, sondern auch einen extremen Fachkräftemangel, der in der Zukunft für die Wirtschaft zum Desaster würde.“

Kampagnenwebseite https://jugendohnejob.com/

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