24 Jahre und davon überzeugt, auch Jüngere – speziell als ArbeitnehmerInnen – für Politik zu interessieren. Das ist Martin Kacirek. Vom Jugendvertrauensrat ist er inzwischen zum Betriebsrat aufgestiegen.
„Du wirst irgendwann politisiert in der Firma, wenn du bemerkst, wie sich Gesetze auswirken“, sagt der heute 24-jährige Martin Kacirek. Er ist als IT-Techniker junger Betriebsrat bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) in Wien. Begonnen hat er seine (demokratie-)politische Laufbahn allerdings als Jugendvertrauensrat (JVR) 2016. Diese Funktion üben jetzt KollegInnen aus, die beinah um eine Generation jünger sind als er selbst. Und das ist gut so.
Denn das Instrumentarium des Jugendvertrauensrates, eine Art „Klassensprecher“ für junge Beschäftigte ab 16 Jahren, stand bereits auf der Abschussliste der ÖVP. Im Regierungsprogramm mit der FPÖ war die Abschaffung des JVR vorgesehen. Davon hat die türkis-grüne Koalition wieder Abstand genommen. Speziell die Gewerkschaftsjugend traut allerdings diesem Burgfrieden nicht ganz.
Kritisches Denken fördern
„Für Politische Bildung, nicht Parteipolitik, sondern das selbstständige, kritische Denken der Lehrlinge fördern“ – so skizziert Martin Kacirek seinen Einsatz als Jugendvertrauensrat im Interview mit der KOMPETENZ. Freilich bedeutet das, manchmal wie ein Mediator „Zickereien“, Streitereien unter Lehrlingen zu schlichten genauso wie die Zusammenarbeit zu fördern.
Während der Arbeit am Handy zu spielen ist ein absolutes Tabu, für den Krankenstand ist eine Entschuldigung zu bringen – auf Grundregeln wie diese weisen JugendvertrauensrätInnen hin. Vor allem aber sind sie Sprachrohr zwischen Auszubildenden und AusbildnerInnen – beide haben während einer Lehre Rechte und Pflichten.
Neben atmosphärischen und arbeitsrechtlichen Fragen war dem Jugendvertrauensrat Kacirek zudem wichtig, dass etwa Nachrichten hinterfragt und ihre Quellen überprüft werden, oder über das Thema Hass im Netz zu informieren und die Jugendlichen zu sensibilisieren. Sehr hilfreich, erinnert er sich, war hier die von den Parlamentsparteien veranstaltete „Demokratiewerkstatt“, die er mit der Berufsschule besuchte. Alles kostenlos, aber nicht umsonst.
„Das ist sehr gut angekommen“, ist Martin Kacirek sichtlich erfreut, wenn er sein Interesse auf andere übertragen kann. Dass er außerdem Jugendvorsitzender in der GPA-djp sowie Präsidiumsvorsitzender der Wiener Gewerkschaftsjugend ist, kommt denn auch nicht von ungefähr. Im Elternhaus herrschen geteilte politische Ansichten, seine Mutter habe ihn jedoch ermutigt, sich ehrenamtlich als junger Arbeitnehmervertreter zu engagieren, ist ihm auf Nachfrage dann doch zu entlocken.
Vom Jugendvertrauensrat zum Betriebsrat
Von wegen Politik sei ein fades Thema und nur Erwachsenen vorbehalten. Dass Vorurteile wie diese widerlegbar sind, dazu wirken Martin Kacireks Schultern breit genug – und ist er Plaudertasche genug. Bis vor ein paar Monaten als Jugendvertrauensrat im Betriebsrat nur kooptiert, wurde er kurz vor der Corona-Pandemie selbst in das ArbeitnehmerInnengremium gewählt.
Die von der Bundesregierung geplante Senkung des Wahlalters bei Betriebsratswahlen von 18 auf 16 Jahren freut die Gewerkschaftsjugend zwar. Sie hat jahrelang gefordert, dass die Mitbestimmungsrechte von Jugendlichen im Unternehmen ausgeweitet werden. Durch die vorgesehene Novelle des Arbeitsverfassungsgesetzes bleibt jedoch weiterhin ein Drittel der Lehrlinge – jene unter 16 Jahren – vom Wahlrecht ausgeschlossen.
„Man probiert, die Welt ein bisschen zu verbessern.“
Martin Kacirek
Für Martin Kacirek ist die Angst nicht gänzlich ausgeräumt, dass trotz Senkung des Wahlalters bei Betriebsratswahlen die Streichung des Jugendvertrauensrates wieder in Angriff genommen wird – gerade unter dem Eindruck des momentanen Corona-Schocks und der Höchstarbeitslosigkeit.
„Wir dürfen nicht einschlafen.“ Es sind Sätze wie dieser, die er im Gespräch wie selbstverständlich hinschmettert. Und die Aussage passt auf die nächste Großbaustelle in seiner neuen Funktion als Betriebsrat, nämlich auf das künftige Regelwerk zum Homeoffice, genauso wie auf die verunglückte Reform der Sozialversicherungsträger, zu denen auch seine Arbeitgeberin, die PVA, zählt. Im Klartext: Die Vertretung der ArbeitnehmerInnen sei von der ÖVP-FPÖ-Regierung im Verwaltungsrat der Sozialversicherungsanstalten ausgebootet worden, findet Kacirek. „Schade, dass da drübergefahren wurde“, fügt er hinzu.
Seine Zwischenbilanz als jugendlicher Arbeitnehmervertreter und als Betriebsrat formuliert Martin Kacirek so: „Die Erwachsenen haben viel höhere Erwartungen und wollen gleich eine Lösung haben.“ Da sie für mehr MitarbeiterInnen zuständig sind, haben BetriebsrätInnen auch mehr Probleme zu handeln – ganz aktuell im Vordergrund stehen etwa die Covid-19-Schutzmaßnahmen sowie das Arbeiten von zu Hause.
Die Meinungen zur Heimarbeit gehen in seinem Unternehmen, der Wiener Landesstelle der PVA, ebenfalls auseinander, berichtet der Arbeitnehmervertreter. Während die einen darunter leiden, kaum berufliche Sozialkontakte zu haben, könnten andere dauerhaft auf diese Art arbeiten. War früher eine Einzelbedarfsprüfung dafür notwendig, etwa um Angehörige zu Hause zu pflegen, ist seit Beginn der Pandemie das Genehmigungsverfahren dafür ausgehebelt. Neue Bildschirme, damit die PVA-MitarbeiterInnen zu Hause arbeiten können, werden heutzutage selbstverständlich zur Verfügung gestellt.
Bleibt die Frage, die dem jungen Computerfachmann tatsächlich gerade von Gleichaltrigen oft gestellt wird: Warum tut er sich das an, ehrenamtlich bei der Gewerkschaft aktiv zu sein? „Verändern statt sudern“ sei sein Credo, er habe sehr wohl den Ehrgeiz, selbst anzupacken, anstatt anderen die Schuld an Schwierigkeiten zuzuschieben. „Solidarität ist ein ausgelutschtes Wort“, aber nicht nach unten zu treten, das sei ihm wichtig, so Martin Kacirek. „Man probiert, die Welt ein bisschen zu verbessern.“