Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie sind die schlechten Arbeitsverhältnisse im Gesundheits- und Pflegebereich wieder stärker in den Fokus gerückt. Nicht nur hierzulande wird über eine angemessenere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten diskutiert, wie uns zwei Berichte aus Schweden und der Schweiz zeigen.
Schweizer Diplompflegerin über schlechte Arbeitsbedingungen im Unispital Zürich
Eine 27-jährige Diplompflegerin berichtete für die Zeitung („Work“) der Schweizer Gewerkschaft „Unia“ über die prekären und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen im Züricher Unispital. Die junge Kollegin stellte dabei gleich vorweg klar, dass im besagten Krankenhaus bereits vor Ausbruch der Pandemie Personalknappheit herrschte. Das Coronavirus hat die Situation nun aber enorm verschärft, das Krankenhaus ist voll belegt. Die Diplompflegerin überwacht nun vier statt wie bisher 3 IntensivpatientInnen. Gleichzeitig muss sie abteilungsfremden PflegerInnen stets auf die Finger schauen. Diese wurden als Verstärkung auf ihre Station verlegt. Problematisch ist jedoch, dass diesen KollegInnen die nötige Ausbildung dazu fehlt. Auch die 27-jährige selbst berichtet darüber, Tätigkeiten ausführen zu müssen, für die normalerweise nur Spezialpersonal vorgesehen sei.
Das Pflegepersonal im Krankenhaus steht unter enormem Druck. Bis vor wenigen Tage musste im Eiltempo operiert werden, um das Defizit wettzumachen, das in der ersten Corona-Welle mit dem Stopp von nicht überlebenswichtigen Eingriffen eingefahren wurde. „Ich weiß, dass Chirurgie lukrativ ist, aber eine derart hohe Anzahl an Operationen ist mit dieser dünnen Personaldecke einfach nicht zu stemmen“, so die Schweizerin.
Einfach fahrlässig: Innerhalb einer Woche 12 Pflegende mit Corona infiziert
Schutz und Gesundheit des Pflegepersonals haben für die Krankenhausleitung keinen hohen Stellenwert, wie am Beispiel der ersten Corona-Welle zu erkennen ist. Die Diplompflegerin berichtet:“ Die Schutzmaßnahmen waren lächerlich. Es gab nur eine Maske pro Tag! Dabei hieß es früher immer, Masken müssten alle zwei Stunden ausgewechselt werden. Auch Schutzanzüge waren Mangelware.“
In den Zimmern werden die PatientInnen lediglich durch Vorhänge voneinander getrennt. Dies ist insofern problematisch, weil die zu Pflegenden oft aus unterschiedlichen Stationen zusammengelegt werden, noch bevor deren COVID-19 Testergebnisse vorliegen. Dadurch befinden sich unter den PatientInnen auch immer wieder Corona-Positive. „Das ist fahrlässig! Für die zu Pflegenden aber auch für die Beschäftigten. Innerhalb kürzester Zeit haben sich deshalb 12 Pflegende auf meiner Station angesteckt, darunter auch ich selbst,“ so die 27-jährige. Anerkennung für die außerordentlichen Leistungen des Pflegepersonals während der Corona-Pandemie haben die KollegInnen bisher nicht erhalten. Von der Krankenhausleitung wurde lediglich ein Obstkorb für die ganze Station zur Verfügung gestellt. Die Diplompflegerin fordert eine Gefahrenzulage und mehr Personal von der Krankenhausleitung.
Überlastung, niedrige Löhne und lasche Corona-Maßnahmen: Schwedens Krankenhäusern laufen Beschäftigte davon
Aufgrund der seit September steil und ungebrochen steigenden Corona-Fallzahlen sowie der vergleichsweise hohen Sterblichkeitsrate im Land, steht das schwedische Gesundheitswesen kurz vor dem Zusammenbruch wie die Zeitung („Work“) der Schweizer Gewerkschaft „Unia“ ebenfalls berichtete. Die Situation sei „extrem angespannt“, warnte Irene Svenonius, die Bürgermeisterin der Region Stockholm. Sie forderte sofortige medizinische Unterstützung durch die Armee. Es sei kaum mehr möglich, neues Gesundheitspersonal zu finden. Der Trend geht sogar in die gegenteilige Richtung: Seit Ausbruch der Corona-Krise kündigen im Schnitt monatlich 500 Pflegebeschäftigte ihren Job. Berechnungen zufolge haben allein in Stockholm 3.600 PflegerInnen ihren Beruf bereits aufgegeben. 900 mehr als im Jahr davor.
Wenig überrascht darüber zeigt sich Sineva Riberio, Präsidentin der Gewerkschaft der Pflegenden. Zur Zeitung „Aftonbladet“ meinte sie dazu: „Schon im August sagten mir Mitglieder, sie würden kündigen, weil dies die einzige Möglichkeit sei, Freizeit zu haben und sich zu erholen.“ Die Situation hat sich in den letzten Wochen und Monaten derart verschlechtert, dass unter den ca. 100.000 Gewerkschaftsmitgliedern viele unter Krankheiten, Erschöpfungssymptomen und Corona-Infizierungen leiden. „In einem derart ermüdenden Arbeitsumfeld steigt die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen. Und diese Fehler können dazu führen, dass PatientInnen sterben“, so Riberio weiter. Ein weiterer Grund für die zahlreichen Kündigungen ist das Lohnniveau. Pflegehilfskräfte verdienen lediglich 29.000 Kronen brutto, was 2.844 Euro entspricht und gut 460 Euro unter dem durchschnittlichen Lohn des Landes liegt. Die schwedische Regierung hat bisher nicht angekündigt, die Löhne der Beschäftigten anheben zu wollen.
Österreich: Schlechte Arbeitsbedingungen verantwortlich für Personalmangel
In Österreich gibt es nicht genug Pflegekräfte – das ist spätestens seit Ausbruch der Corona-Krise klar. Das Problem im Pflegebereich sind die schlechten Arbeitsbedingungen. Mehr als 50 Prozent der Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitswesen arbeiten länger als ihre Normalarbeitszeit vorsieht. Viele von ihnen überlegen regelmäßig, den Job aufzugeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Arbeiterkammer. Die ständigen Überstunden, gepaart mit der enormen geistigen und körperlichen Anstrengung des Pflegeberufes führen dazu, dass nur wenige junge Menschen den Beruf in Erwägung ziehen. Um den Pflegeberuf in Österreich attraktiver zu machen, braucht es angemessenere Arbeitszeiten, bessere Bezahlung und Personalschlüssel.