Frühjahrslohnrunde: Mehr Einkommen für Lehrlinge, Berufsreifeprüfung erleichtern

Foto: Daniel Novotny

Bei der laufenden Frühjahrslohnrunde will die GPA Jugend dieses Jahr höhere Lehrlingseinkommen, aber auch Verbesserungen bei der Lehre mit Matura erreichen.

Das Motto für die industrielle Lohn- und Gehaltsrunde in diesem Frühjahr lautet: „Ein Danke wird nicht reichen!“ Nach einem schwierigen Jahr fordern die Gewerkschaften in der Frühjahrslohnrunde höhere Löhne und Gehälter sowie kürzere Arbeitszeiten für die rund 120.000 ArbeitnehmerInnen in mehreren großen Industriebranchen des Landes.

„Dem schließen wir uns als Gewerkschaftsjugend voll inhaltlich an“, sagt Christian Hofmann, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft GPA. „Wir erwarten von den Arbeitgebern eine spürbare Anhebung der Lehrlingseinkommen, wir wollen diesmal aber auch bei der Bildung etwas voranbringen, konkret: bei der Lehre mit Matura.“

Gestartet hat die Frühjahrslohnrunde bereits mit der Textilindustrie (12.000 Beschäftigte) Anfang März, aktuell laufen auch die Verhandlungen für die Elektro- und Elektronikindustrie (50.000 Beschäftigte). Im April kommen noch die Chemische Industrie (45.000 Beschäftigte), im Mai die Glasindustrie sowie einige kleinere Branchen dazu.

„Wir erwarten von den Arbeitgebern eine spürbare Anhebung der Lehrlingseinkommen, wir wollen diesmal aber auch bei der Bildung etwas voranbringen, konkret: bei der Lehre mit Matura.“

Christian Hofmann, Jugendsekretär

Bei den Lehrlingen geht zunächst wie jedes Jahr um eine Anhebung der Einkommen: „Unser Ziel sind mindestens 700 Euro im ersten Lehrjahr, 900 im zweiten und 1.100 Euro im dritten“, erklärt Christian Hofmann. „Viele Branchen liegen schon über unseren Mindestforderungen, daher ist es wichtig, nun die Lücken zu schließen.“

Einige bereits fertig verhandelte neue Kollektivverträge bringen gute Abschlüsse für die Lehrlinge: So wird der KV für Angestellte bei Rechtsanwälten sensationelle 5,9 Prozent mehr Lehrlingseinkommen bringen, außerdem mindestens 1.200 Euro für freiwillige Praktika. Angestellte und Lehrlinge von Speditionen erhalten 1,55 Prozent mehr Einkommen, die Beschäftigten bei privaten Bildungseinrichtungen 1,7 Prozent.

Die Papier- und Kartonverarbeitende Industrie („Propak“) konnte mit einem Plus von 1,4 Prozent bei den Lehrlingseinkommen abschließen. Darüber hinaus bringt der neue KV – wie von der GPA Jugend gefordert – eine deutliche Verbesserung für jene Lehrlinge, die ihre Berufsreifeprüfung vorbereiten wollen: Sie erhalten Bildungsfreistellungen für die Prüfungen. Alle Lehrlinge erhalten Prämien für gute Abschlüsse.

Attraktives Modell

Doch zunächst: Was ist die Ausgangslage bei der Berufsreifeprüfung, wo besteht Verbesserungsbedarf? Mit dem Modell ‚Lehre mit Matura’ können Lehrlinge, neben ihrer Lehre, die Matura absolvieren. Es gibt kein Auswahlverfahren, Lehrlinge müssen dafür nichts bezahlen, und die Möglichkeit besteht bei allen Lehrberufen. Der Abschluss berechtigt wie jede andere Matura zum Studium an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen. Welche Angebote es für die Vorbereitungskurse gibt, ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt.

Ein attraktives Modell in vielerlei Hinsicht, da es den Lehrlingen einen zusätzlichen Bildungsabschluss – die Berufsreifeprüfung – ermöglicht und darüber hinaus, wenn gewünscht, auch ein weiterführendes Studium. „Mit der Lehre mit Matura ergeben sich für die Absolventen zusätzliche Karrieremöglichkeiten, die Betriebe profitieren von gut ausgebildeten MitarbeiterInnen und Fachkräften, der oft beklagte Fachkräftemangel wird bekämpft“, erklärt Hofmann die Vorteile des Modells.

Doppelbelastung

Die meisten Betriebe stehen der Lehre mit Matura daher sehr aufgeschlossen und positiv gegenüber. „Sobald es aber darum geht, die Lehrlinge dabei zu unterstützen, sieht die Sache oft ganz anders aus“, berichtet der GPA Jugendsekretär aus der Praxis im Betrieb. „Die Rahmenbedingungen müssen dringend verbessert werden, und daran arbeiten wir nun ganz intensiv während dieser Frühjahrslohnrunde.“

Denn die Vorbereitungskurse und die Prüfungen stellen eine erhebliche Arbeitsbelastung dar, müssen doch neben der Ausbildung im Betrieb und der Berufsschule noch zusätzlich Kurse in Deutsch, Mathematik, einer lebenden Fremdsprache und einem Fachbereich besucht werden, und das meist in der Freizeit. Entsprechend hoch ist daher die Drop-Out Quote mit 36 Prozent.

Ein weiteres Problem liegt in einigen Branchen bei den dort herrschenden Arbeitszeiten: Für Lehrlinge im Handel oder in Unternehmen mit Schichtbetrieb ist es oft schwierig, an den Vorbereitungskursen teilzunehmen, weil die Arbeitszeiten und Dienstpläne es nicht zulassen.

„Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Lehre mit Matura in der Arbeitszeit und einen Anspruch auf Freistellung für die Prüfungsvorbereitung. Diese Verbesserungen wollen wir nun in den Kollektivverträgen verankern.“

Christian Hofmann

Die Gewerkschaftsjugend will hier ansetzen. „Das Modell Lehre mit Matura bringt viele Vorteile, es muss daher auch allen Lehrlingen zugänglich sein“, fordert Hofmann. „Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Lehre mit Matura in der Arbeitszeit und einen Anspruch auf Freistellung für die Prüfungsvorbereitung. Diese Verbesserungen wollen wir nun in den Kollektivverträgen verankern.“

Unterstützung im Betrieb

Mit über 9.000 TeilnehmerInnen absolvieren knapp 8 Prozent der Lehrlinge eine Lehre mit Matura, die meisten im Angestelltenbereich. Typischerweise dauert das vier Jahre lang. Derzeit gibt es verschiedene Modelle: Beim begleitenden Modell („Freizeitmodell“) besuchen die Lehrlinge die Vorbereitungskurse in ihrer Freizeit. Beim integrierten Modell („Arbeitszeitmodell“) werden die Vorbereitungskurse zur Gänze oder teilweise auf die Arbeitszeit angerechnet, oder aber – auch diese Möglichkeit besteht und soll weiter ausgebaut werden – die Lehrzeit kann um bis zu 18 Monate verlängert werden.

Die Vorbereitungskurse werden meist von Institutionen der Erwachsenenbildung wie dem BFI oder dem WIFI, schulnahen Institutionen, teilweise auch von kommerziellen Anbietern (z.B. Dr. Roland Matura Schule) durchgeführt.

„Tendenziell bieten große Betriebe oft bessere Bedingungen für die Berufsreifeprüfung, weil sie mehr Lehrlinge aufnehmen und entsprechend z.B. eigene Vorbereitungskurse organisieren und anbieten können“, sagt Hofmann.

Die Berufsreifeprüfung bietet außerdem die Möglichkeit, im Anschluss ein Studium aufzunehmen: Der Anteil der Studierenden mit Berufsreifeprüfung an öffentlichen Universitäten liegt bei 2,7 Prozent, an Fachhochschulen ist dieser Anteil deutlich höher: 2019/20 hatten 7,1 Prozent der Studierenden (bzw. 7,5% aller FH-Studierenden mit Reifeprüfung) den Zugang zum FH-Studium über die Berufsreifeprüfung erhalten. „Die Zahl der Lehrlinge mit Matura ist zwar im Steigen, aber sie steigt noch zu langsam, hier braucht es mehr und bessere unterstützende Maßnahmen“, stellt Christian Hofmann fest.

Bereits 2012 zeigte eine große Evaluation des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung (ÖIBF): Lehrlinge, die vom Betrieb bei der Absolvierung der Lehre mit Matura unterstützt werden, haben die höchsten Erfolgschancen, dieses Modell auch tatsächlich abzuschließen. Besonders dann, wenn sie die Möglichkeit haben, die Arbeitszeiten an diese doppelte Belastung anzupassen. Hofmann: „Daher ist ein Rechtsanspruch, zumindest einen Teil der wöchentlichen Kurszeiten für die Berufsreifeprüfung während der Arbeitszeit zu absolvieren, unsere zentrale KV-Forderung.“

Vorbildhafte Modelle

Manche Branchen und Betriebe haben schon länger auf die Vorteile der Lehre mit Matura gesetzt und entsprechend gute Modelle erarbeitet, die mittlerweile Früchte tragen und Vorbild sein können. So waren beispielsweise die Energieversorgungsunternehmen (EVU) Vorreiter: Sie gewähren fünf Tage bezahlte Bildungsfreistellung für die Berufsreifeprüfung.

Für die oben bereits erwähnten Papier- und Kartonverarbeitende Industrie konnte die GPA Jugend im aktuellen KV-Abschluss ebenfalls ein zukunftsweisendes Modell vereinbaren: „Lehrlinge erhalten bis zu 10 Tage bezahlte Freistellung in der Lehrzeit für Prüfungen und Prüfungsvorbereitungen bei der Lehre mit Matura. Darüber hinaus gibt es 100-250 Euro Prämie für erfolgreich absolvierte Lehrabschlussprüfungen. Wenn das nicht motivierend wirkt!“, freut sich Hofmann über diesen erfolgreichen Abschluss.

Verbesserungen bei der Berufsreifeprüfung signalisieren zugleich auch eine deutliche Aufwertung der Lehre. „An der Motivation der Jugendlichen scheitert es nicht, das Interesse an diesem Modell ist groß,“ ist Hofmann überzeugt. Aber: „Es müssen die Rahmenbedingungen stimmen, dann werden mehr Lehrlinge die Lehre mit Matura am Ende auch abschließen. Die derzeit hohe Dropout-Rate ist eindeutig auf die Doppelbelastung zurückzuführen.“

Dazu kommt: Die Umstände im vergangenen Jahr waren für alle Auszubildenden härter als sonst, junge Menschen sind durch die Pandemie stark betroffen. Lehrstellen sind rar, zahlreiche junge Menschen sind auf der Suche nach einer guten Ausbildung. Leider wurden Lehrlinge im vergangenen Jahr von Regierung als Schüler zweiter Klasse behandelt, die Gewerkschaft musste einen ständigen Kampf um bessere Bildungschancen für Lehrlinge führen. „Wir müssen ihnen mit Aus- und Weiterbildungsangeboten wieder Perspektive und Zukunft geben“, betont Hofmann.

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