Einen anspruchsvollen Sammelband, der einen Überblick über die Kreislaufwirtschaft in der EU aus mehreren Blickwinkeln liefert, hat Sepp Eisenriegler herausgebracht.
Wer von Alu-Dosen über Plastik-Flaschen und Auto-Reifen bis zu Waschmaschinen in der freien Natur „entsorgt“ sieht, müsste zum Schluss kommen: Recycling funktioniert nicht. Weshalb viele ein flächendeckendes Pfandsystem bevorzugen. Perfekt wäre freilich ein geschlossener Kreislauf von der Rohstoffgewinnung über die Erzeugung von Produkten bis zur Entsorgung und vor allem Rückführung oder Wiederverwertung der Materialien.
An der in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen Verwendung von Plastik oder Handys und Computer ist abzulesen: Unsere Wirtschaft hat sich sehr linear entwickelt. In der Zukunft muss sie jedoch zirkulär verlaufen. Dafür plädiert der Band „Kreislaufwirtschaft in der EU“ hin, der jetzt auch auf Deutsch vorliegt.
Herausgeber ist Sepp Eisenriegler, durch seine unermüdliche Beharrlichkeit österreichischer Pionier des kreisförmigen Wirtschaftens. Er gründete vor mehr als 20 Jahren Österreichs größtes, unabhängiges Reparatur- und Service-Zentrum (R.U.S.Z.) für Elektro-Geräte. Wobei er nicht nur aktiv etwas gegen den Wegwerf-Wahnsinn tun, sondern auch langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance bieten wollte, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Gut, dass Eisenrieglers jüngstes Buch dank internationaler AutorInnen und ExpertInnen einen europäischen Überblick liefert über die Kreislaufwirtschaft und die Schwierigkeiten, sie zu etablieren. Was zählt, ist Geld, und das kurzfristig. Obwohl wir als Gesellschaft und Individuen sehr wohl vorausschauend denken, wenn es etwa um Infrastrukturprojekte, Aufforstung oder Kindererziehung geht, wie Cillian Lohan unterstreicht. Er ist Geschäftsführer der irischen NGO „Circular Economy“ und Vize-Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.
„Wenn Gier und kurzfristiges Handeln vom System belohnt und gleichzeitig langfristige Stabilität und Altruismus abgewehrt werden, können die Ergebnisse keine langfristigen Lösungen begünstigen, die uns allen nützen“, bringt die finnische Europa-Abgeordnete Sirpa Pietikäinen die Problematik auf den Punkt. Das Europäische Parlament nimmt in Sachen Umwelt, Wirtschaft und Rechte für KonsumentInnen (Reparaturfähigkeit, Garantien etc.) auf EU-Ebene am ehesten nachhaltige Positionen ein – wenn es nur mehr Macht und Durchsetzungskraft hätte gegenüber Wirtschafts- und RegierungsvertreterInnen (die oft nicht eindeutig voneinander zu unterscheiden sind).
„Die derzeitige Art des Wirtschaftens basiert auf veralteten Annahmen einer unbegrenzten Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen und endloser Kapazität der Umwelt, Emissionen zu absorbieren“, schreiben die österreichischen Konsumentenschützerinnen Sylvia Mandl und Nina Tröger von der Arbeiterkammer. „Um von einer Wegwerfkultur zu einer Kultur der Nachhaltigkeit überzugehen, ist ein Wandel der Bildungssysteme und des Wirtschaftsmanagements erforderlich“, meint der Nachhaltigkeitsforscher Tim Cooper von der englischen Nottingham Trent University.
Viel Stoff zum Nachdenken – zumal in der größten Krise seit der Nachkriegszeit.
Sepp Eisenriegler (Hrsg.)
Kreislaufwirtschaft in der EU – Eine Zwischenbilanz
Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2020, 248 Seiten, ISBN 978-3-658-27378-1, Euro 35,97.