Wie Arbeitsplätze digital überwacht werden

Foto: Cracked Labs

Eine neue Studie des Datenschützers Wolfie Christl zeigt, wie Beschäftigte am Arbeitsplatz überwacht werden können. Deutlich wird aber auch: BetriebsrätInnen haben Handlungsspielraum. Um diesen wahrnehmen zu können, brauchen sie noch mehr Unterstützung.

Aus der Arbeitswelt ist die Digitalisierung nicht mehr wegzudenken: Daten von KundInnen werden automatisiert gespeichert, der synchronisierte Kalender erinnert an Termine und verdächtige Bank-Transaktionen werden automatisiert gemeldet. „Dabei wird offen oder versteckt eine Vielfalt an personenbezogenen Daten über Beschäftigte verarbeitet,“ so Wolfie Christl. Diese könnten zur Überwachung von Arbeitsleistung und Verhalten eingesetzt werden. Christl ist Datenschutzexperte und Autor einer jüngst publizierten Studie: „Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz. Von der Ausweitung betrieblicher Datenerfassung zum algorithmischen Management?“ Der Techniker und Programmierer mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund erforscht seit Jahren die Ökonomie persönlicher Daten.

Eine Warnung

In seiner jüngsten Studie warnt er: „Die umfassende digitale Protokollierung von Arbeitstätigkeiten wird schnell zur permanenten Überwachung und Kontrolle, die tief in die Rechte und Freiheiten der Betroffenen eingreift. Die Chancen und Risiken sind dabei ungleich verteilt.“ Während betriebliche Abläufe optimiert werden würden, geraten ArbeitnehmerInnen unter Druck – und unter Pauschalverdacht, so Christl. Seine Studie soll einen Überblick über die Verarbeitung personenbezogener Daten Beschäftigter und die digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz geben, sei es im Handel, bei Botendiensten, in Callcenters oder in der Wissensarbeit. Untersucht hat Christl digitale Systeme für die IT-Sicherheit, den Betrugsschutz ebenso wie für die Personalverwaltung, Datenanalyse oder die Steuerung gesamter Firmen.

„Die umfassende digitale Protokollierung von Arbeitstätigkeiten wird schnell zur permanenten Überwachung und Kontrolle, die tief in die Rechte und Freiheiten der Betroffenen eingreift.“

Wolfie Christl

Gruselkabinett der Arbeitnehmerkontrolle

Die Studie zeigt, dass Digitalisierung ArbeitnehmerInnen unterstützen kann, die Grenze zum Missbrauch aber fließend ist. Ist das Ziel die IT-Sicherheit, Betrugsprävention oder der Schutz von Kundendaten  – oder geht es eher um die Kontrolle von MitarbeiterInnen? Durch die Analyse vielfältiger Datenquellen in Echtzeit „lernen“ Programme laufend, wie sich Beschäftigte „normalerweise“ verhalten. So erkennen sie „anormales“ Verhalten um mögliche Sicherheitsrisiken zu bewerten. Der Einblick bringt ein wahres Gruselkabinett der Arbeitsplatzüberwachung zum Vorschein:

Das Unternehmen Forcepoint etwa bietet Software zur Analyse von Nutzerverhalten, wozu nicht nur Login-Vorgänge und das Internetsurf-Verhalten überwacht werden, sondern auch Online-Suchanfragen oder welche Dateien eine Nutzerin im System verändert hat. Darüber hinaus wird registriert, wo sich eine Mitarbeiterin im Betrieb physisch bewegt oder mit wem sie via E-Mail, Chat oder Telefon kommuniziert. Das Programm soll das Risikopotential jedes Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin für das Unternehmen erkennen; ob eine Kündigung bevorsteht, jemand in finanziellen Nöten ist, ob „obszöne“ Websites besucht werden und wie sich die Kommunikation unter KollegInnen gestaltet. Das Programm „Insider Threat“ läuft dem Hersteller zufolge aktuell auf über einer Million Rechner. Die Totalüberwachung des Arbeitsalltags ist in greifbarer Nähe.

Österreich

Zur Veranschaulichung liefert „Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz“ auch Fallbeispiele aus der österreichischen Praxis. In Interviews mit BetriebsrätInnen wurde der Einsatz digitaler Überwachungs-, Steuerungs- und Kontrollsysteme in acht heimischen Betrieben untersucht. Es zeigt sich: Sie werden oft ohne Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung eingesetzt, obwohl dies die Rechtslage vorschreiben würde.

Sichtbar werden Probleme, aber auch Handlungsmöglichkeiten von BetriebsrätInnen:

Im Sozial- und Gesundheitsbereich etwa wurden drei BetriebsrätInnen befragt. Auch hier: Oft liegt keine Betriebsvereinbarungen zu den datenverarbeitenden Systemen vor, obwohl dies rechtlich geboten wäre. Oft wissen BetriebsrätInnen nicht, welche Systeme im betrieblichen Einsatz sind. In zwei Unternehmen wurden die Daten unerlaubterweise zur Messung der Arbeitsleistung genutzt, um Beschäftigte unter Druck zu setzen. Zwar wird die exakte Erfassung der Arbeitsschritte in einem weiteren Unternehmen als Arbeitserleichterung gewertet. Sie wird aber dann zum Nachteil, wenn Normzeiten für Tätigkeiten nicht zutreffen und menschliche Bedürfnisse – wie der Toilettenbesuch – nicht ins System passen. In allen untersuchten Betrieben gibt es „kaum Beschränkungen für den Zugriff auf sensible Daten von KlientInnen oder Beschäftigte,“ problematisiert die Studie.

Auch spannend ist der Einblick in die Banken- und Finanzbranche: Der Betriebsrat in einem österreichischen Tochterunternehmen eines internationalen Bankkonzerns konnte gleich zweimal die Einführung invasiver Personalverwaltungssysteme verhindern. Erfolgreich war dies wegen gutem technischen und rechtlichen Wissen auf Seiten der Belegschaftsvertretung. Die personenbezogenen Daten wären auf US-Server in die Cloud übertragen worden, was datenschutz-rechtliche Probleme aufgeworfen hätte. Konzernintern ist die Software außerhalb Österreichs mittlerweile im Einsatz. Sie ermöglicht eine gegenseitige Bewertung von ArbeitnehmerInnen. Die vom Betriebsrat angestrebte Rahmenbetriebsvereinbarung zur Regelung in Österreich schon aktiver Clouddienste verweigert die Geschäftsführung allerdings bislang.

„Die rechtliche Situation für betriebliche Mitbestimmung über die Datenverarbeitung ist in Österreich im globalen Vergleich nicht schlecht.“

Wolfie Christl
Foto: Cracked Labs

Unsere Rechte nützen

Viel Software werde eingesetzt, weil es in der Branche üblich sei. Betriebe befürchteten „zurückzubleiben,“ so der Studienautor Wolfie Christl. Produkte entsprächen oft nicht den Verkaufsversprechen, haben aber umfassende „Nebenwirkungen“ für ArbeitnehmerInnen.

Die Studie zeigt aber: Ein gut organisierter Betriebrat kann so manches Übel abwenden. „Die rechtliche Situation für betriebliche Mitbestimmung über die Datenverarbeitung ist in Österreich im globalen Vergleich nicht schlecht,“ sagt Wolfie Christl. „Wir müssen diese Rechte nützen.“ Viele technische Systeme wären komplex und unübersichtlich. Die BetriebsrätInnen bräuchten mehr technisches und rechtliches Wissen, Schulung und Unterstützung.

Moderne Lösungen generell abzulehnen sei keine Option: „Die Digitalisierung kann uns das Leben erleichtern – auch in der Arbeitswelt.“ Unternehmen würden sie aber sehr einseitig im Sinne ihrer Interessen gestalten, so Wolfie Christl. „Wir müssen verstärkt Fragen stellen: Wie sieht diese Digitalisierung eigentlich aus? Wer gestaltet sie? Und wer profitiert davon?“

Die Studie „Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz“ ist Teil des Projekts „Gläserne Belegschaft“, in Kooperation mit GPA und PRO-GE und wurde vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der AK Wien unterstützt.

Die gesamte Studie ist hier zum Download frei verfügbar

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