Wir brauchen mehr Geld, Personal und Freizeit!

Tausenden Auszubildenden und Beschäftigten aus dem Gesundheits- und Pflegebereich reicht es. Sie demonstrierten am 9. November 2021 für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege und Betreuung.
Foto: Lucia Bauer

Im Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und (Elementar-) Bildungsbereich sind die Zustände so alarmierend, dass immer mehr ArbeitnehmerInnen ihren Job aufgeben. Dabei braucht die Gesellschaft immer mehr MitarbeiterInnen in diesem Bereich. Die GPA kämpft für längst anstehende Verbesserungen.

„Bisher werden wir von der Politik nicht ernst genommen,“ sagt Beatrix Eiletz. Die 51-Jährige vertritt rund 3.000 MitarbeiterInnen bei der Volkshilfe Steiermark. „Die Situation war schon vor Corona angespannt“, berichtet die Betriebsratsvorsitzende und Verhandlerin für der Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft. „Es gab schon damals zu wenig Personal und wir waren ausgepowert, doch die Pandemie hat uns noch härtere Arbeitsbedingungen geschaffen.“ Diese Problematik zieht sich quer durch alle Bereiche: Kinderbetreuung, Sozialarbeit, Altenpflege und die Betreuung von Behinderten.

Wenn es einen akuten Corona-Fall gibt, egal ob es ein/e KollegIn, oder ein/e KundIn/KlientIn betrifft, muss kurzfristig improvisiert werden. Dienstpläne gelten dann nicht mehr und es wird in 10 bis 12-Stunden-Schichten gearbeitet. Wer nicht in Quarantäne ist, der muss einspringen. „Nur ganz wenige Leute sagen dann: Nein, ich kann nicht mehr. Es heißt dann Augen zu und durch“, erklärt Eiletz. Das kann eine Weile gut gehen, doch nicht eineinhalb Jahre.

Immer mehr geben auf

„Viele sagen, dass sie es einfach nicht mehr schaffen“, erzählt die Betriebsratsvorsitzende. Und erwähnt eine Kollegin aus dem mobilen Dienst: Ihre 20-Stunden-Woche hält kaum, der Dienstplan ist katastrophal, sie wird für mehr Stunden eingeteilt als sie angestellt ist und soll permanent einspringen – die Pandemie hat auch ihre Arbeitsbedingungen nochmals verschlimmert. Jetzt hat ihre Familie einen Aufstand gemacht, weil sie nie daheim ist – die Pflegerin hat den Job hingeschmissen. Ebenso hat eine diplomierte Krankenpflegerin aus einer Palliativstation ihr langjähriges Dienstverhältnis jüngst aufgelöst. Begründung: Das sei nicht mehr die Arbeit, die ihrer Ausbildung entspricht, und die sie mit gutem Gefühl verantworten kann: nur noch Bürokratie und Druck und keine Zeit mehr für ihre PatientInnen.

„Wir hatten fünf Kündigungen in einem Monat, soviel gab es vorher das ganze Jahr nicht.“

Martina Kronsteiner


Ähnliches kann Martina Kronsteiner, sie ist seit 2007 Betriebsratsvorsitzende des Unfallkrankenhauses der AUVA in Linz, berichten. „Wir hatten fünf Kündigungen in einem Monat, soviel gab es vorher das ganze Jahr nicht“. Von Überforderung, zu wenig Freizeit, keine Dienstplan-Sicherheit, schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen bis zur fehlenden sechsten Urlaubswoche reichen die Gründe. Und Corona hat auch hier die Arbeit verdichtet.

Obwohl ein Unfallkrankenhaus, gibt es auch hier Betten für Corona-Fälle. „Vor allem aber weil die Kapazitäten anderer Krankenhäuser durch Corona ausgeschöpft sind, werden auch geriatrische PatientInnen mit dem gesamten Spektrum an Demenzerkrankungen bei uns behandelt.“ Die Arbeitsbelastung ist deshalb extrem gestiegen.

Die Stimmung ist dementsprechend schlecht. Bei einem Rundgang durchs Haus ist ihr kürzlich eine „Welle der Depression“ regelrecht entgegengekommen. „Ich habe das noch nie so krass erlebt wie jetzt – die Belegschaft ist so überfordert, dass sie nicht mehr weiß, was sie tun soll“, berichtet die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, die rund 450 Angestellte betreut. Zudem ist Kronsteiner die stellvertretende AUVA-Zentralbetriebsrätin: In dieser Funktion vertritt sie 6.000 Beschäftigte, davon arbeiten allein 3.000 in den Gesundheitsberufen.

Geschwundene Kräfte, geschundene Psyche

Laut einer Studie sind 85 Prozent der PflegerInnen psychisch belastet, leiden an Stress, Angstzuständen und Schlaflosigkeit. Zwei von drei PflegerInnen haben schon einmal oder öfters daran gedacht, in einen anderen Beruf zu wechseln. Immer mehr ArbeitnehmerInnen können diesem Leistungsdruck nicht mehr standhalten – sie schaffen es psychisch und physisch einfach nicht mehr.

„Viele sagen, dass sie es einfach nicht mehr schaffen.“

Beatrix Eiletz


Viele dieser Menschen haben gerne im Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und (Elementar-) Bildungsbereich gearbeitet, doch unter den immer noch aktuellen Rahmenbedingungen können sie die Arbeit weder mit ihrem Gewissen noch ihren verbliebenen Kräften vereinbaren. Ihnen bleibt oft nichts anderes als ein Branchenwechsel übrig.

Arbeiten kann arm machen

Wer nicht kündigt, arbeitet meist Teilzeit, denn eine Vollzeitbeschäftigung schaffen nur die wenigsten. Doch so verdienen sie wenig Geld. Viele ArbeitnehmerInnen im Gesundheits- und Sozialbereich leben unter der Armutsgefährdungsschwelle. Betriebsratsvorsitzende Eiletz: „Wir brauchen dringend mehr Gehalt, mehr Freizeit und mehr Personal“. Die Politik muss schnell handeln und dringend Maßnahmen umsetzen. Schon 2030 werden allein im Pflegebereich mehr als 76.000 Fachkräfte zusätzlich gebraucht.

Damit diese Lücke geschlossen wird, müssen die Arbeitsverhältnisse attraktiver werden. Die GPA fordert daher eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. So können ArbeitnehmerInnen, die Teilzeit arbeiten, von ihrem Gehalt auch leben und können genug Ressourcen für diese anstrengende Tätigkeit aufbauen. Daneben muss der Staat auch in eine Ausbildungsoffensive investieren. Derzeit ist die Situation kritisch. „Denn wenn ich in der Pflege arbeiten will, muss ich Erspartes haben, damit ich während der Ausbildung für meine laufenden Kosten aufkommen kann. Zusätzlich muss ich die Schule selber bezahlen, gratis Praktika absolvieren und werde dabei als vollständige Arbeitskraft eingesetzt“, sagt Beatrix Eiletz. Durch eine finanzielle Absicherung während der Ausbildung und bezahlte Praktika, können Menschen aus anderen Branchen für die Gesundheitsberufe eher gewonnen werden.

Die Regierung muss endlich handeln, und Geld in die Hand nehmen. Denn der Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und (Elementar-)Bildungsbereich ist ein zentraler Teil unseres Sozialstaats. Er ist auch ein Grund, dass Österreich ein international attraktiver Wirtschaftsstandort ist.

Kampagne #WorteReichenNicht

Wir fordern, gemeinsam mit der Gewerkschaft vida, dass die gesamten Rahmenbedingungen im Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und (Elementar-)Bildungsbereich verbessert werden.

Du arbeitest im Sozial-, Gesundheits-, Pflege- oder (Elementar-)Bildungsbereich und möchtest unsere Forderungen unterstützen? Dann lade ein Video- oder Foto-Statement auf die Plattform worte-reichen-nicht.at hoch und sag uns und der Bundesregierung was Sache ist und was sich in deinem Job ändern muss.

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