Ich helfe, wenn ich gebraucht werde

Foto: Magna Powertrain

Manfred Scherer, Betriebsratsvorsitzender der Magna Powertrain möchte die Anliegen der Belegschaft wahrnehmen und musste dabei lernen, dass nicht alle Wünsche erfüllbar sind. Anstrengenden Verhandlungen blickt er professionell ins Auge, in der Zukunft wird er viel Kraft brauchen, um Techniker und Monteure zu Umschulungen auf die elektronische Antriebstechnik zu motivieren.

Der Grazer Manfred Scherer heuerte direkt nach seiner HTL-Maschinenbau Ausbildung 1997 als Techniker bei Steyer Daimler Puch an. Im Jahr darauf wurde die Firma von Unternehmer Frank Stronach gekauft und zur Magna Powertrain umbenannt. Weil am Standort in Graz die Räumlichkeiten zu eng waren, wurde die Firma 1999 im weststeirischen Lannach neu gegründet, inzwischen gibt es weitere Niederlassungen in Ilz, Albersdorf und Traiskirchen.

Mit der Verlegung nach Lannach musste der Betriebsrat neu gegründet werden: „Der Grazer Betriebsrat war für uns nicht mehr zuständig –  wir wollten bei der Powertrain auch eine Belegschaftsvertretung haben. Viele KollegInnen hatten Angst, dass das Unternehmen Druck ausüben könnte, wenn jemand ein Betriebsrats-Mandat annimmt.“ Scherer war das egal: „Die Gründung einer Belegschaftsvertretung ist nicht immer ganz einfach, meistens stößt man dabei auf Widerstände. Mir war das egal, für mich war klar, dass ich mich engagiere, wenn ich gebraucht werde.“

Die Gründungsphase verlief dann derart professionell, dass Störfeuer gar nicht erst aufkommen konnten: „Alfred Reidlinger, ein erfahrener Betriebsratskollege aus Graz, der bis 2015 den Vorsitz innehatte, hat uns in der Gründungsphase unterstützt.“ Scherer arbeitete als einfaches Mitglied des Betriebsrates neben seiner normalen Arbeit mit, seit 2012 ist er für seine Aufgaben freigestellt.

„Die Gründung einer Belegschaftsvertretung ist nicht immer ganz einfach, meistens stößt man dabei auf Widerstände. Mir war das egal, für mich war klar, dass ich mich engagiere, wenn ich gebraucht werde.“

Manfred Scherer

Seit 2015 ist Scherer Vorsitzender des Angestellten Betriebsrates der gesamten Firmengruppe und vertritt die Interessen von 1400 Angestellten von insgesamt 3400 MitarbeiterInnen. Insgesamt gibt es in der Powertrain 15 BetriebsrätInnen, aufgeteilt auf die vier Standorte und die einzelnen Abteilungen. Der ständige Austausch ist Scherer wichtig: „Einmal im Monat haben wir eine gemeinsame Besprechung, aber auch im Alltag sind wir gut vernetzt. Ich kann natürlich nicht die Anliegen aller KollegInnen persönlich abdecken, ich möchte aber informiert sein.“

Scherer musste sich das Know-How der betriebsrätlichen Arbeit erst erarbeiten: „Zur Zeit der Gründung hatte ich wenig spezifisches Vorwissen, habe aber durch Gewerkschaftsschule und Sozialakademie eine fundierte Ausbildung bekommen und viele wichtige Infos auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt“, erklärt der 51-Jährige. Weiterbildung hat für den Belegschaftsvertreter einen enorm hohen Stellenwert: „Man sollte sich ständig weiterbilden, die Veränderungen im Arbeitsrecht, aber auch im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung sind sehr dynamisch und umfangreich. Die Schulungen brachten mir nützliche Infos, es hat aber auch einfach Spaß gemacht.“

In der Anfangsphase der Betriebsrats-Gründung gab es keine groben Probleme mit der Geschäftsleitung, alle Schutzbestimmungen wurden eingehalten. Auch wirtschaftlich ging es bergauf, die Powertrain fasste finanziell Fuß und beschäftigt heute ein Vielfaches, der damals rund 800 MitarbeiterInnen.

„Zur Zeit der Gründung hatte ich wenig spezifisches Vorwissen, habe aber durch Gewerkschaftsschule und Sozialakademie eine fundierte Ausbildung bekommen und viele wichtige Infos auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt“

Manfred Scherer

Vielfältige Tätigkeitsbereiche

Viele der Angestellten hatten in der Gründungsphase fixe Verträge mit einer Überstundenpauschale. Der Druck zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten hat auch Scherer beschäftigt: „Es gab viele Diskussionen über die Abrechnung von Überstunden bzw. die Gestaltung von All-In-Verträgen und es war ein hartes Stück Arbeit, hier tragfähige Kompromisse zu finden.“

Grenzgänge waren für den engagierten Betriebsrat die Weltwirtschaftskrise 2009 und die aktuelle Pandemie-Situation, die das Ausverhandeln und Gestalten von Kurzarbeitsregelungen erforderlich gemacht hat: „Nach einem Umsatzplus im Herbst 2020 sind wir seit August voll in die Halbleiter-Krise geschlittert. Die großen Auto-Hersteller rufen kaum mehr Aggregate bzw. wichtige Bauteile für die Allrad-Antriebe bei uns ab. Das Umsatzminus beträgt bis zu 50 Prozent.“

Herausfordernd war für Scherer vor allem die Tatsache, dass die lokale Firmenleitung ebenso wie die Belegschaft in die Kurzarbeit gehen wollte, die Konzernzentrale in Übersee davon allerdings erst überzeugt werden musste: „Es war nicht ganz einfach zu erklären, welche Möglichkeiten wir hier in Österreich haben, um die MitarbeiterInnen im Betrieb zu halten.“ Hier kam dem erfahrenen Betriebsrat, der auch in die Kollektivvertragsverhandlungen der Autoindustrie eingebunden ist, seine professionelle und gute Gesprächsbasis zur Geschäftsleitung zu Gute. Letztlich wurde die Mehrzahl der Beschäftigten, inklusive vieler LeiharbeiterInnen, im Betrieb gehalten. Die Kündigungswelle nach der ersten Kurzarbeitsphase war für Scherer zwar eine bittere Pille, konnte aber mit Hilfe des Betriebsrates im Rahmen einer Firmenstiftung ein wenig abgefedert werden – ein respektabler Erfolg für Scherer und sein Team.

Erfolge geben neue Kraft

Aus derartigen Erfolgen schöpft Scherer neue Energie für die täglichen Herausforderungen seiner Arbeit: „Ich mag es, Menschen helfen zu können. Die Ebenen, auf denen Hilfestellung benötigt wird sind sehr vielfältig. Oft geht es um rechtliche Probleme oder datenschutzrechtliche Fragen. Man weiß nie genau, was am nächsten Tag passieren wird – das finde ich spannend.“

„Es ist mir ein Anliegen, die Leute im Unternehmen zu halten und einen anderen Arbeitsplatz für sie zu finden, damit sie sozial und arbeitsrechtlich gut abgesichert bleiben.“

Manfred Scherer

Als anstrengend empfindet Scherer die hohe Erwartungshaltung der Kollegenschaft, der Druck ist phasenweise enorm: „Manchmal belastet es mich, dass ich nicht alle Probleme im Sinne der Betroffenen lösen kann. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass man als Betriebsrat nicht alle Wünsche erfüllen kann. Das musste ich akzeptieren, obwohl es nicht immer einfach ist. Ich will meine Arbeit gut erledigen und habe einen hohen Anspruch an mich selbst. In manchen Situationen wird es dann schwierig, auch persönlich mit dem Erreichten zufrieden zu sein.“

Der Betriebsrat hat bereits die Zukunft im Blick und tariert die Bedürfnisse der Belegschaft entlang der sich verändernden Rahmenbedingungen schon jetzt aus: „Technisch stehen wir vor der Überleitung auf den elektrischen Antrieb. In der Praxis bedeutet dies, dass bereits in sehr naher Zukunft Umschulungen von Konstrukteuren und Monteuren anstehen, weil künftig nur mehr Elektroautos produziert werden. Die Umstellung der gesamten technischen Planungen für Motoren und Produktionsmaschinen beginnt bereits jetzt.“

Die notwendige soziale Überleitung der technischen MitarbeiterInnen hin zu den veränderten Arbeitsbereichen ist ein riesiger Umstellungsprozess, der intensive betriebsrätliche Begleitung und Beratung braucht. Denn nicht alle älteren hochqualifizierten Ingenieure sind von sich aus motiviert, sich umschulen zu lassen: „Es ist mir ein Anliegen, die Leute im Unternehmen zu halten und einen anderen Arbeitsplatz für sie zu finden, damit sie sozial und arbeitsrechtlich gut abgesichert bleiben.“

Zur Person

Manfred Scherer ist 51 Jahre alt und lebt mit seiner Partnerin in Graz. In seiner Freizeit entspannt er am liebsten beim Lesen, Segeln oder Motorradfahren.

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