Nachmittagsbetreuung in der Krise

Hort- und FreizeitpädagogInnen leisten pädagogisch wichtige Arbeit, die viel zu wenig gesehen und bezahlt wird.
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Hort- und FreizeitpädagogInnen gestalten an Ganztagsschulen, in Horten und in Nachmittagsbetreuungseinrichtungen die Freizeit der SchülerInnen, die ganztägige Betreuung brauchen. Die MitarbeiterInnen arbeiten allerdings unter strukturell teils problematischen Bedingungen und beklagen, dass sie so ihrem pädagogischen Auftrag nicht nachkommen können. Dringend nötig wäre eine bundesweit einheitliche Regelung.

Mit wem auch immer man im Bereich der Hort- und Freizeitpädagogik spricht: geklagt wird vor allem über Personalmangel. Dass es für diesen Bereich schwer ist, PädagogInnen zu finden, ist nur die eine Seite der Geschichte. Oft ist das angebotene Stundenausmaß zu gering, dass man sich damit sein Leben ausreichend finanzieren könnte. Wer also bei einem anderen Träger eine Anstellung mit höherer Stundenverpflichtung findet, wechselt. Entsprechend hoch ist auch die Fluktuation in der Branche. Dazu kommt, dass die hohe Anzahl an zu betreuenden Kindern pro Gruppe qualitätsvolle Arbeit meist nicht möglich macht.

Zu viele Kinder in den Gruppen

25 Kinder in einer Gruppe sind eher die Regel als die Ausnahme. „Wenn es aber zu Ausfällen kommt, steht ein Betreuer auch schon einmal mit 40 Kindern alleine da. Das ist dann wirklich nur mehr ein Beaufsichtigen“, erzählt Stefan Schwarz, Betriebsrat bei der Städtischen Tagesbetreuung Graz. Im Moment seien zwar alle Planstellen besetzt, aber es gebe einen großen Mangel an SpringerInnen. Bei Krankenständen oder Quarantänen komme es da rasch zu einem Engpass.

„Wenn es zu Ausfällen kommt, steht ein Betreuer auch schon einmal mit 40 Kindern alleine da. Das ist dann wirklich nur mehr ein Beaufsichtigen.“

Stefan Schwarz

FreizeitpädagogInnen sehen sich als „Wegbegleiter, die einen Ordnungsrahmen vorgeben, in denen sich die Kinder wohlfühlen, um dann kreativ zu sein, Spiele zu spielen oder sich zu bewegen“, so Schwarz. Wichtig sei ihnen zudem, Konfliktsituationen so aufzuarbeiten, dass die Lage nicht nur nicht eskaliere, „sondern das einen Mehrwert hat“. Essensbegleitung, Tischgespräche, das Vermitteln von Tischmanieren seien weitere Aufgaben.

Kaum Vollzeitjobs

Die städtische Tagesbetreuung Graz beschäftigt aktuell rund 550 MitarbeiterInnen, nur drei von ihnen sind Vollzeit-beschäftigt, sie arbeiten allerdings in der Verwaltung und sind keine PädagogInnen. Das Stundenausmaß der anderen Beschäftigten variiere zwischen sechs Stunden in der Frühbetreuung und 30 Wochenstunden. Die Teilzeitarbeit sieht Schwarz als strukturelles Problem, das im Moment zu Existenzsorgen und später wegen der niedrigeren Einzahlungen ins Pensionssystem zu Altersarmut führe. Der Betriebsrat hielte sie aber für vermeidbar – es wäre seiner Ansicht nach durchaus möglich, mehr Vollzeitstellen zu schaffen, wenn es dazu den politischen Willen gäbe.

„FreizeitpädagogInnen könnten im Unterricht als zusätzliches Personal eingesetzt werden und dabei, ähnlich einer Schulassistenz, unterstützen, etwa in der Leseförderung.“ Auch das Lehrpersonal puste ja aus allen Löchern und viele Kinder bekämen oft nicht die Förderung, die sie bräuchten. Dass LehrerInnen von den Schulen, FreizeitpädagogInnen aber vom jeweiligen Träger bezahlt würden, sieht er dabei nicht als Hindernis. Am Ende handle es sich da wie dort um öffentliche Gelder. Was es brauche, sei eine grundsätzliche Erhöhung des Bildungsbudgets.

Horte werden abgeschafft

Genau das Gegenteil scheint derzeit in Oberösterreich zu passieren. In diesem Bundesland gebe es eigentlich gesetzliche Regelungen für Horte, sagt Daniela Gebauer, Betriebsratsvorsitzende der Familienzentren GmbH der OÖ Kinderfreunde. „Aber was seit einigen Jahren passiert, ist, dass die Horte reihenweise abgeschafft und in Nachmittagsbetreuungen umgewandelt werden“, kritisiert sie.

„Das, was jetzt in Oberösterreich an vielen Standorten stattfindet, hat nichts mehr mit Bildung zu tun, sondern kann man nur mehr als Betreuung bezeichnen.“

Daniela Gebauer

Mit Folgen für Beschäftigte und Kinder: die Nachmittagsbetreuung sei für die Gemeinden und das Land Oberösterreich billiger. Hier gebe es kaum bis keine gesetzlichen Rahmenbedingungen, angefangen von keiner vorgeschriebenen Kinderhöchstzahl bis hin zu keinen Vorgaben zu Raumgröße und Ausstattung. Massive qualitative Unterschiede gebe es im Vergleich zu den Hortvorgaben zudem bei der Ausbildung. Die Beschäftigten sollten zwar die Ausbildung zum/r FreizeitpädagogIn vorweisen, die Realität sehe aber anders aus. „Wenn man irgendeinen pädagogischen Kurs gemacht hat, reicht das oftmals. Und wenn man keine geeigneten Personen findet, kann man auch irgendjemanden einstellen.“ Gebauer fordert: „Dieses Qualitätsdumping muss ein Ende haben.“

Beschäftigte von Horten würden zwar an einem anderen Standort oder bei einem anderen Träger rasch einen neuen Job finden. Aber à la longue schade es der Freizeitpädagogik, und dabei vor allem den Kindern. Das, was jetzt in Oberösterreich an vielen Standorten stattfinde, „hat nichts mehr mit Bildung zu tun, sondern kann man nur mehr als Betreuung bezeichnen“. Ein individuelles Eingehen auf jedes Kind sei jedenfalls nicht möglich. Wie man aus dieser verfahrenen Situation herauskommen könnte? „Die Politik muss endlich die Rahmenbedingungen verbessern und die Nachmittagsbetreuung ins Kinderbildungs- und betreuungsgesetz integrieren. Ansonsten wird es bald zu einem Systemkollaps kommen, dieser wird dann auch gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen“, befürchtet Gebauer.

Keine einheitliche Ausbildung

Die Familienzentren GmBH der OÖ Kinderfreunde betreibt derzeit in Oberösterreich 23 Hort-Standorte und 30-Nachmitagsbetreuungs-Standorte (NABE), wobei nicht der Träger, sondern die jeweilige Gemeinde über die Form der Betreuung der SchülerInnen entscheidet. An diesen 53 Einrichtungen gebe es insgesamt rund 300 MitarbeiterInnen. Während an den Horten die Hälfte über eine Hortpädagogik-Ausbildung an einer BAFEP (Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik), ein Lehramtsstudium oder ein Fachhochschulstudium für Sozialpädagogik vorweisen könne, habe die Hälfte der an NABE-Standorten eingesetzten MitarbeiterInnen pädagogische Ausbildungen wie Freizeitpädagogik, aber eben auch nur diverse Kurse und Kurzausbildungen. Die andere Hälfte der NABE-Teams bestünden aus BetreuerInnen, die aber keine Ausbildung zur HorthelferIn bräuchten. In den Horten müssten es dagegen ausgebildete HelferInnen oder AssistenzhelferInnen für Integration sein.

„Wir leisten Pädagogik im Schatten.“


Margit Müller

Margit Müller ist Betriebsrätin im Hilfswerk Kärnten, das um die 120 PädagogInnen in Tagesbetreuungen an Ganztagsschulen beschäftigt. Das Problem in diesem Bundesland: die FreizeitpädagogInnen seien zwar Teil der Schulteams, würde aber nicht so gesehen. Manche Schulleitungen würden die Betreuungsarbeit schätzen und sich auch um eine Ausweitung der Stunden bemühen, andere „empfinden uns als Klotz am Bein“. Müller fordert hier mehr Anerkennung, „dass man uns im Schulsystem wahrnimmt“. „Wir leisten Pädagogik im Schatten“, meint sie. Man wolle aber nicht mehr länger nur als Anhängsel, „als Blinddarm der Pädagogik“ wahrgenommen worden, sondern eben als Teil des Schulsystems.

Wie auch ihre KollegInnen Gebauer und Schwarz fordert sie im Sinn der Kinder und der Beschäftigten einen besseren Betreuungsschlüssel. „Zehn Kinder pro PädagogIn wäre schon ein Anfang“, sagt Müller. Es gebe zudem Kinder, die am Vormittag auf Grund einer medizinischen Diagnose zusätzliche Unterstützung bekämen, am Nachmittag aber nicht. „Da fühlt man sich oft ein bisschen verloren.“ Ein besonderes Problem sei da die Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und von Integrationskindern. Diese am Nachmittag ohne zusätzliche Hilfe in eine Gruppe zu integrieren, sei schwer. Aber auch, dass in Kärnten Zusatzaufgaben wie die Essensausgabe auf die FreizeitpädagogInnen abgewälzt würden, sei nicht in Ordnung. „Das ist im Grund nicht unsere Aufgabe und es fällt dadurch ein/e PädagogIn als Aufsichtsperson aus.“

Für ein bundeseinheitliches Betreuungssystem

Stephanie Veigl vertritt in der GPA die Interessen von rund 2.500 FreizeitbetreuerInnen in Österreich – und kennt daher auch deren Sorgen. Hier ein bundeseinheitliches Betreuungssystem zu schaffen, sei dringend nötig, sagte sie. Um die Arbeitssituation der Beschäftigten, aber auch die Betreuungssituation für Kinder von sechs bis 14 Jahren (SchülerInnen an Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufen) zu verbessern, brauche es mehr Vorbereitungszeit für die PädagogInnen (was auch die Wochenarbeitszeit erhöhen würde), einen besseren PädagogIn-Kind-Schlüssel von etwa 1:12 zum Beispiel durch eine Verkleinerung der Gruppen, mehr Personal in Gruppen mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen, sinnvolle Regelungen für Betreuung und Arbeitszeit an schulfreien und Ferientagen, aber auch mehr Räume und Ausstattung für die Freizeitpädagogik. Veigl fordert zudem mehr Vollzeitstellen für FreizeitpädagogInnen.

Unbezahlte Arbeit

Was es vor allem nicht mehr geben dürfe: dass PädagogInnen, die an verschränkten Ganztagsschulen arbeiten und dort den ganzen Tag über eingesetzt seien, aber nicht in jeder Stunde Kinder betreuen, nur als Teilzeitbeschäftigte eingestuft würden, ergänzt dazu Schwarz. In den Stunden dazwischen könnten sie entweder Kaffee trinken oder herumsitzen oder aber sie würden Vorbereitungsarbeiten erledigen – und das sei meist der Fall. Diese Arbeit würden sie aber nicht bezahlt bekommen, so Schwarz.

Ebenso ergeht es KollegInnen, die sich Arbeit mit nach Hause mitnehmen, erzählt Müller. „Wir planen genauso wie LehrerInnen Projekte, weil wir eine pädagogisch sinnvolle Arbeit machen wollen. Aber oft ist es zum Beispiel vor Ostern oder vor dem Laternenfest nicht möglich, das am Standort zu machen, weil die Vorbereitungszeit zu knapp bemessen ist. Die KollegInnen wollen das aber nicht auf dem Rücken der Kinder austragen und leisten so zu Hause Arbeit, die niemand sieht.“

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