Prekär Beschäftigte: „Reduktion auf die nackte Leistung“

Zu den Sichtbarsten der prekär Beschäftigten gehören die Essenszusteller von Mjam, Lieferando und co.

In einer Veranstaltung der GPA berichtete die Clickworkerin Monika Maria Steiner von der IG Flex von ihrem Arbeitsalltag. Matthias Specht-Prebanda von der Arbeiterkammer zeichnete die Entwicklung solch prekärer Beschäftigungen nach und schlug Verbesserungen in dem Arbeitsbereich vor.

„Bevor mir die Decke am Kopf fällt, schau ich rein, was ich schreiben könnte“ beschreibt Monika Maria Steiner ihr Motiv für ihre außergewöhnliche Arbeit. Finanziell abhängig sei sie nämlich nicht davon. Es sei eher ein „Mittel gegen die Einsamkeit,“ berichtet sie. Aus dem Blick gerät dabei fast, dass das für andere aber ein sehr lukratives Geschäftsmodell ist.

Monika Maria Berger ist Clickworkerin und damit bei den wohl prekärsten Beschäftigungen gelandet, die noch legal sind. Die Frau, die sich selbst als „Schreibjunkie“ vorstellt, verfasst Auftragstexte für kommerzielle Unternehmen. Ihre Aufträge bekomme sie über eine Online-Plattform, wo sie diese thematisch sortiert vorfindet. „Meist sind es kleine Texte, bis zu 1000 Zeichen oder so,“ erzählt die Frau. Zuletzt schrieb sie einen längeren Beitrag über eineinhalb Seiten. Ihr Lohn dafür: 5,43 Euro netto.

Definiert prekär

Bergers Tätigkeit ist ein passendes Beispiel dafür, was Matthias Specht-Prebanda bei der Veranstaltung unter dem Titel „Essen oder Miete zahlen? Auswirkung der Teuerung auf prekär Beschäftigte“ analysierte. Im historischen Rückblick haben wir es mit „einer Veränderung der langfristigen Beziehung zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen“ zu tun. Beschäftigt werde „nur kurzfristig für ein bestimmtes Projekt.“ Specht-Prebanda ist bei der Arbeiterkammer Oberösterreich in der Abteilung Wirtschafts-, Sozial-, und Gesellschaftspolitik beschäftigt.

„Ein Zeichen für die zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt ist die Reduktion auf die nackte Leistung, dazu noch unterpreisig.“

Matthias Specht-Prebanda

Dabei ist Clickwork nur eine Ausformung prekärer Beschäftigung. Prekarität definiert sich einerseits über die Tatsache, dass derlei Jobs sehr unsicher sind: Mache von ihnen sind besonders kurzfristig, bei anderen besteht die Möglichkeit jederzeit den Job zu verlieren. Die Beschäftigten haben dabei kaum Kontrolle über Arbeitstempo und die Arbeitseinteilung, sowie nur beschränkt Möglichkeiten von Mitbestimmung am Arbeitsplatz. Zuletzt definieren sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse über ihren „mangelnden kollektiven Schutz“ weiß Specht-Prebanda.

Dieser Definition aus den 1980er Jahren will der AK-Experte aber noch zwei Dimensionen hinzufügen: Neu sei die Aushöhlung der langfristigen Qualifikationsentwicklung der ArbeitnehmerInnen, sowie der Verlust des Zeitgefühls. „Ein Verlust der Wahrnehmung man könne sich in der Arbeit entwickeln, man kann auf etwas zurückblicken.“

Bei Monika Maria Steiners Arbeit kontrolliere zwar die Online-Plattform ob Stil und Rechtschreibung passen – ob somit der Auftrag erfüllt sei. Ein guter Teil der Verantwortung liege aber bei der jeweiligen Kundin, wie es die Arbeiterin mit „Schreibtalent“ beschreibt. Für sie sei es eine „selbstständige Nebenerwerbstätigkeit.“

Atypisch prekär

Derlei gibt es viele und je weniger Stunden gearbeitet wird, desto höher sei meist das Maß der Prekarität, erklärt Matthias Specht-Prebanda von der Arbeiterkammer. Generell seien alle atypisch Beschäftigten prekär. Eine Prekarität mit einer deutlichen Geschlechterschlagseite: „Für Frauen und MigrantInnen war Arbeit schon immer prekär. Problematisiert wurde es aber erst seitdem es auch besser gestellte Männer trifft.“

„Prekär“ umfasst aber sehr unterschiedliche Ausformungen: Einerseits Plattformarbeiten, zu der auch Monika Maria Steiners Beschäftigung gehört. Hier sind Arbeitgeber wie Uber und die in Städten sehr sichtbaren Essenszusteller groß im Geschäft. Der größte Sektor am prekären Arbeitsmarkt aber ist die Leih- und Zeitarbeit, bei der sich Beschäftigte in einem „Dreiecksverhältnis“ wiederfinden – in dem sie immer die VerliererInnen sind. Der Sektor sei männlich und migrantisch geprägt. Ein Viertel der Jobangebote über das Arbeitsmarkt Service liegen im Bereich der Leih- und Zeitarbeit, weiß Specht-Prebanda. Sie sind aber nicht unbedingt im Niedriglohnsektor angesiedelt, sondern folgen eher dem Leitbild „das schnelle Geld“. Problem dabei: Hier verfestigt sich ein prekärer Sektor, der zunehmend um sich greift und auf lange Sicht Gefahr läuft ArbeitnehmerInnenrechte auszuhöhlen.

Aber auch befristete Anstellungen gelten als prekär. Sie treten häufig im hoch gebildeten Sektor der Beschäftigten auf. So arbeiten rund 40 Prozent der Universitätsangestellten mit zeitlich befristeten Verträgen, berichtet Specht-Prebanda. Ebenso weiblich dominiert sei die letzte Gruppe der Prekären, die Beschäftigten mit freiem Dienstvertrag und geringfügig Beschäftigte. Diese seien „eher unfreier als Normalbeschäftigte, aber vor allem gering geschätzt“. Viele junge Mütter etwa entscheiden sich für diesen Weg nach einer Babypause.

„Stabile Arbeitverhältnisse sind das beste Mittel gegen die Teuerung.“

Matthias Specht-Prebanda

Zum Glück ist aber auch schon einiges in Bewegung in dem Bereich. Aktuell sei eine EU-Richtlinie in der Diskussion um den PlattformarbeiterInnen „zumindest ihre grundlegenden Rechte zu geben“. Weiters müsse an der „langfristigen Propaganda gegen Arbeitlose“ angesetzt werden, so der AK-Experte. Insbesondere in der Krise sei eine bessere Absicherung der Arbeitslosen ein probates Mittel gegen die Prekarisierung. Diese sollen nicht gezwungen sein jeden Job zu allen Bedingungen anzunehmen. Nicht nur die gegenwärtige Arbeitskräfteknappheit sei eine Chance den Arbeitsmarkt ein Stück weit zu „ent-prekarisieren“. Auch „stabile Arbeitverhältnisse sind das beste Mittel gegen die Teuerung“, weiß der AK-Experte Specht-Prebanda. Der fordert den Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen und eine Abkehr von der staatlichen Sparpolitik.

Aber auch bei Monika Maria Steiner ist einiges in Bewegung. Sie ist nicht nur Clickworkerin, sondern auch gewerkschaftlich organisiert bei der IG Flex, der gewerkschaftlichen Interessensgemeinschaft für Flexible, Atypische und prekär Beschäftigte. In einzelnen Arbeitsgruppen könnten sich Beschäftigte aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich, der IT, der Führungsebene oder außerbetrieblich Beschäftigte Hilfe suchen. „Wir decken alles ab,“ berichtet die engagierte Gewerkschafterin. Das ist auch wichtig, wenn man bedenkt, dass Unternehmen immer versuchen „prekäre Arbeitskräftereservoirs zu schaffen“, wie es Matthias Specht-Prebanda beschreibt. Reservoirs, das es auch mithilfe von Initiativen wie der IG Flex zu leeren gilt.

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