Warum die Teuerungskrise Frauen besonders trifft und was dagegen zu tun ist

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„Ich habe Angst, dass ich mir mein Leben nicht mehr leisten kann“ – Diese Aussage sitzt tief und beschreibt ein Gefühl, das viele Menschen in Österreich seit 2022 verstärkt haben. Die hohe Inflation ist allgegenwärtig, und wird uns auch 2023 weiterhin begleiten, wie WirtschaftsforscherInnen mit einer Inflationsrate von 6,5 Prozent prognostizieren.

Kein Gefühl sondern Realität ist, dass Frauen stärker von der Teuerung betroffen sind.
Frauen sind in den unteren Einkommensgruppen überrepräsentiert und gerade diese Gruppen geben einen besonders hohen Anteil für Wohnen, Lebensmittel und Energie aus. Im untersten Einkommensviertel liegt ihr Anteil bei 58 Prozent, im zweiten sogar bei 61 Prozent. Besonders Energie und Wohnen sind aktuell die Preistreiber. Frauen müssen also mehr von ihrem Einkommen für Grundbedürfnisse ausgeben und sind daher mehrheitlich und stärker von der Teuerung betroffen als Männer.

Deshalb sind auch die aktuellen Forderungen nach einer Mietpreisbremse, Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und preisdämpfende Eingriffe im Bereich der Energie gerade aus Frauenperspektive so wichtig.

Monatliche äquivalisierte Verbrauchsausgaben nach Ausgaben-Vierteln.
Quelle: Konsumerhebung 2019/20;
Frauenanteil an den unselbstständig Erwerbstätigen nach Einkommens-Viertel.
Quelle: Allgemeiner Einkommensbericht 2022; eigene Darstellung.

Gibt es eine weibliche und eine männliche Inflationsrate?

Die Statistik Austria berechnet die Inflationsrate für den durchschnittlichen österreichischen Haushalt. Geht man aber auf die Konsumunterschiede ein, ergibt sich eine differenzierte Inflationsbelastung nach Einkommen, die insbesondere auch die stärkere Betroffenheit der Frauen zeigt. Während die offizielle VPI-Inflation für 2022 bei 8,6 Prozent liegt, ist sie für die unteren beiden Einkommensviertel, in denen sich der Großteil der Frauen befindet im Durchschnitt mit 9,2 Prozent deutlich darüber.

Durchschnittliche Preissteigerung der 12 VPI-Kategorien im Jahr 2022.
Quelle: Statistik Austria; eigene Darstellung.

Wir fordern daher die Einführung eines Gender-Preis-Indexes, um mittels besserer Datenlage gezielter auf die Betroffenheit die Preissteigerung reagieren zu können. Aber auch in der Erstellung von Kollektivvertragsforderungen kann der der Gender-Preis-Index ein wichtiges Gleichstellungsinstrument sein.

Konsum: Frauen müssen mehr für Grundbedürfnisse ausgeben

Selbst innerhalb der einzelnen Einkommensgruppen und deren Ausgaben gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die oft keine Beachtung finden. Frauen geben mehr Anteile ihres Haushaltseinkommens für Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse aus, während Männer tendenziell mehr für Verkehr aufwenden. Dadurch kann es in Situationen wie aktuell, bei denen der Preisdruck für Treibstoffe nachlässt, nochmals verstärkt dazu führen, dass Frauen mehr von der Teuerung betroffen sind. (Momentum Teuerungsreport November 22)

Quelle: Konsumerhebung 2019/2020. Verbraucherpreisindex. Momentum Institut; eigene Darstellung.
Anmerkung: Einkommensfünftel des äquivalisierten verfügbaren Haushaltseinkommens. Einkommen und Mehrkostenanteile jeweils für den gesamten Haushalt.
Stand Oktober 2022; Annahme einer Jahresinflationsrate von 8,5 Prozent.

Benachteiligung von Frauen hat System und Systeme kann man verändern

Frauen arbeiten insgesamt nicht weniger Stunden als Männer, es werden nur weniger Stunden in Form von Arbeits-Einkommen bezahlt. Das mittlere Einkommen von Frauen (24.309 Euro) unter allen unselbstständigen Beschäftigten lag 2021 nur bei 64 Prozent des Median-Einkommens der Männer (37.707 Euro).
Die Gründe für niedrige Arbeitseinkommen sind so vielfältig, wie bekannt:
Teilzeit ist weiblich: Wenn Frauen arbeiten, arbeitet jede zweite von ihnen Teilzeit (Teilzeitquote 50 Prozent). 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Weniger Stunden, weniger Einkommen.
Unbezahlte Carearbeit leisten hauptsächlich Frauen. Fehlende Angebote an ganztägigen, kostenlosen Kinderbildungsplätzen und Pflegeinrichtungen bieten so gut wie keine Wahlfreiheit.
Teilzeit bezahlt schlechter: Selbst pro Arbeitsstunde ist die Entlohnung in Teilzeit deutlich geringer als in Vollzeit. Das trifft Frauen zusätzlich zum geringeren Stundenausmaß.
• Typische „Frauen-Branchen“ sind öfter in Niedriglohn-Sektoren
• Unsere Steuer- und Abgabenstruktur verstärkt die Problematik strukturell durch Begünstigungen für Überstunden oder hohe Absetzbeträge wie dem Familienbonus, der häufig nur von Männern voll genutzt werden kann.

Auch beim Vergleich von nur ganzjährig in Vollzeit tätigen unselbstständigen Beschäftigten gibt es einen Einkommensunterschied im Mittel zwischen Männern und Frauen von rund 12,5 Prozent. Diese Einkommenslücke (Gender-Wage-Gap) ist nicht erklärbar und rein auf Diskriminierung zurückzuführen.

Wir zeigen in der Broschüre die Fakten auf, die zu dieser Benachteiligung führen und ein Bündel von Maßnahmen, die notwendig sind, um die akuten Folgen der Teuerung abzufedern und längerfristig die Einkommensungleichheit zu verringern!

Faire Verteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen

Wir sehen die volkswirtschaftliche Notwendigkeit in Zeiten des Arbeitskräftemangels, die wöchentliche Arbeitszeit von Frauen zu erhöhen. Aber nur die Wochenstunden zu erhöhen, greift also zu kurz, jede Stunde muss auch gleich viel wert sein – hier erwarten wir uns Verbesserungen durch Einkommensberichte und die Lohntransparenzrichtlinie der EU.
Eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit, durch Arbeitszeitverkürzung der Vollzeitarbeitszeit zunächst auf 35 Stunden, in späterer Folge auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich würde es mehr Frauen ermöglichen, ein Vollarbeitsverhältnis anzunehmen.

Auch viele Männern möchten Arbeitszeit reduzieren, was auch zu einer besseren Aufteilung von Sorgearbeit führt. Das und der flächendeckende Ausbau kostenloser Kinderbetreuungs- und Kinderbildungseinrichtungen in ganz Österreich, Ausbau von Ganztagsschulen und Pflegeeinrichtungen.

Familienarbeitszeitmodell von ÖGB und Arbeiterkammer

Das von ÖGB und AK vorgeschlagene Modell zur Familienarbeitszeit sieht vor, dass beide Eltern ungefähr gleich viel Zeit für die Kinderbetreuung und für die Erwerbsarbeit zur Verfügung haben. Anders als bei der bisherigen Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit, die sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt war, würden beide Eltern von diesem Modell profitieren. Väter hätten mehr Zeit für ihre Kinder und Mütter würden mehr verdienen. 

Warum ist Millionärssteuer aus Frauensicht wichtig?

Aus den Daten geht klar hervor, dass auch Vermögen ungleich verteilt ist. Frauen besitzen 23 Prozent weniger an Vermögen als Männer. Eine Millionärssteuer nach dem GPA-Modell für hohe Nettovermögen über 1 Millionen Euro würde in etwa 5 Milliarden Euro jährlich an Einnahmen für Österreich bedeuten. Damit könnte ein gewaltiger Beitrag für die Gleichstellung in unserer Gesellschaft geleistet werden. Zentral sind der Aufbau eines flächendeckenden, ganztägigen und kostenlosen Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen, welches es Frauen ermöglicht, voll am Erwerbsleben teilzuhaben sowie Investitionen in die Qualifizierung und Ausbildung von Frauen für klimarelevante, gute Beschäftigung in den Zukunftsbranchen.

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