In Zeiten der Rekordteuerung sind nachhaltige Gehaltserhöhungen wichtiger denn je. In den Lohnrunden der letzten Monate gingen Gewerkschafter:innen und Beschäftigte mit hohen Forderungen in die KV-Verhandlungen. Sie konnten erfolgreich Reallohnverluste ausgleichen und gute Abschlüsse erkämpfen.
Deine Gewerkschaft GPA verhandelt für fast zwei Millionen Beschäftigte in Österreich den Kollektivvertrag (KV), in dem die jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen festgelegt werden. Die aktuellen Ergebnisse können sich sehen lassen: Sie konnten trotz der schwierigen Bedingungen die extreme Teuerung abfedern.
„Gerade in Zeiten großer Unsicherheit müssen sich die Menschen darauf verlassen können, dass ihre Löhne und Gehälter nach oben angepasst werden. Die hohe kollektivvertragliche Abdeckung in Österreich schafft dafür eine gute Grundlage“, betont der Bundesgeschäftsführer und Chefverhandler der GPA, Karl Dürtscher.
„Österreich hat keine inflationsdämpfende Maßnahmen ergriffen. Die Regierung muss endlich handeln.“
Barbara Teiber
GPA-Vorsitzende Barbara Teiber fordert von der Politik eine effiziente Bekämpfung der Teuerung: „Österreich hat keine inflationsdämpfende Maßnahmen ergriffen. Die Regierung muss endlich handeln. So dürfen z.B. die Mieten nicht weiter steigen. Einmalzahlungen alleine reichen nicht aus, ebenso wenig wie bei den KV-Verhandlungen. Die GPA konnte hier in den Lohnrunden des vergangenen Jahres Maßstäbe setzen!“
Was steht im KV
Deine Gewerkschaft GPA verhandelt jedes Jahr mit den Arbeitgeberverbänden den Kollektivvertrag. Er gilt für die gesamte Branche und bestimmt, wieviel die Beschäftigten mindestens verdienen müssen. Verhandelt werden außerdem die Zuschläge, z.B. für Arbeit an Sonntagen oder in der Nacht, sowie die Zulagen. Neben dem Gehalt werden auch Arbeitszeit, Vorrückungen, Spesen sowie Überstunden und Mehrstunden im KV geregelt. Auch das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld bekommst du nur dank des Kollektivvertrags, das steht nicht im Gesetz!
Einmalzahlungen reichen nicht!
Einmalzahlungen, wie sie von Unternehmen oft anstelle von prozentuellen Erhöhungen angeboten werden, sind zwar eine Möglichkeit, über eine schwierige Situation hinweg zu kommen. Sie können aber kein Ersatz für eine nachhaltige Lohn- und Gehaltsentwicklung sein. „Die Einmalzahlung verpufft, aber die Inflation bleibt. Gerade im letzten Jahr war Nachhaltigkeit besonders wichtig“, betont Dürtscher, „Ich halte es für enorm wichtig, dass sich die Arbeitnehmer:innen auf die Regeln der Lohn- und Gehaltsfindung verlassen können. Wir konnten bei den Verhandlungen für alle Branchen eine nachhaltige Erhöhung über der Inflationsrate erzielen.“
Keine Lohn-Preis-Spirale
Oft versuchen Arbeitgeber und Politik, gegen die gewerkschaftlichen Forderungen die sog. ‚Lohn-Preis-Spirale‘ ins Spiel zu bringen. Eine solche Spirale gibt es allerdings nicht, denn: „Grundlage der Verhandlungen ist immer die durchschnittliche Inflationsrate der vergangenen 12 Monate. Wir verhandeln also immer über den zurückliegenden Zeitraum!“ erklärt Dürtscher.
„Die Einmalzahlung verpufft, aber die Inflation bleibt.“
Karl Dürtscher
Was aber immer öfter beobachtet werden kann, ist eine Gewinn-Preis-Spirale: Wenn Unternehmen Preise erhöhen, ohne dass die Produktionskosten steigen und dadurch hohe Gewinne abschöpfen, kommt es einer solchen Gewinn-Preis-Spirale. Auch die Mietpreise, bei denen eine Inflation ab fünf Prozent zu einer „automatischen“ Mieterhöhung führt, heizen die Inflation weiter an. Das bedeutet: Löhne reagieren auf Preise – nicht umgekehrt!
Überdurchschnittliche KV-Abdeckung
Eine Besonderheit in Österreich ist die hohe kollektivvertragliche Abdeckung für über 98 Prozent der Beschäftigten. Daher gibt es auch keinen gesetzlichen Mindestlohn wie in anderen Ländern. Welchen Unterschied macht das? Im Gegensatz zum gesetzlichen Mindestlohn regelt der KV nicht nur die Gehälter, sondern auch viele Zulagen, Zuschläge und Sonderzahlungen – wie das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld -, die Arbeitszeit oder die Überstunden.
Die Grundlage für die KV-Verhandlungen ist die durchschnittliche Inflationsrate der letzten zwölf Monate („rollierende Inflation“). Dazu kommen weitere Faktoren wie die Produktivitäts- und Gewinnentwicklung der Branche sowie der gesamtwirtschaftliche Produktivitätszuwachs.
Wie kommen die Löhne und Gehälter zustande?
Deine Gewerkschaft GPA verhandelt rund 175 Kollektivverträge – darunter die ganz großen wie z.B. die Metallindustrie, den Handel oder die Sozialwirtschaft. Besonders gute Erhöhungen konnten diesmal auch für die untersten Gehaltsstufen und bei den Lehrlingen erkämpft werden. Für viele Abschlüsse war ein Arbeitskampf mit Betriebsversammlungen oder Kundgebungen im öffentlichen Raum notwendig.
Das European Trade Union Institute (ETUI) kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass Österreich bei den Kollektivverträgen überdurchschnittlich gut abschneidet: Zum einen werden vorwiegend Kollektivverträge mit der Laufzeit von nur einem Jahr abgeschlossen, daher sind die jährlichen Steigerungsraten größer. Dazu kommen auch Erhöhungen bei Zulagen und Zuschlägen. Das ETUI betont, dass der Verzicht auf Einmalzahlungen der richtige Weg ist, weil das den nachhaltigen Lohnerhöhungen Vorrang gibt. Besonders positiv hervorgehoben wird auch die solidarische Lohnpolitik, die überproportionale Steigerungen für untere Lohngruppen erkämpft.
Was heißt nachhaltige Gehaltserhöhung?
Wie wirkt es sich auf das Lebenseinkommen der Beschäftigten aus, ob es einen guten Abschluss gab oder nur eine Einmalzahlung? Das Wirtschaftsforschungsinstitut ‚Economica‘ hat diese Frage in einer Studie für die GPA beantwortet: Wenn man alle Gehaltserhöhungen betrachtet, die in den Kollektivverträgen von der GPA verhandelt wurden, und auch die Prämien und Lehrlingseinkommen, so wurde – über die gesamte berufliche Karriere gerechnet -, im Durchschnitt 6 Prozent zusätzliches Lebenseinkommen erreicht!
Diese Berechnung wurde außerdem auch für eine Karriere ab 40 angestellt: Auch dann ergibt das noch eine fast gleichwertige Steigerung für das Lebenseinkommen von 5,6 Prozent.
„Das ist enorm viel Geld! In absoluten Zahlen ist das ein Betrag, der sich auf mehr als drei Jahresgehälter beläuft“, rechnet Teiber vor. „Was wir hier für die Beschäftigten erkämpft haben, sind Gehaltserhöhungen, die deutlich messbare Auswirkungen auf das Lebenseinkommen der Menschen haben – also nicht nur auf das, was sie jetzt gleich im Geldbörsel haben, sondern auch für ihre Zukunft!“
Absicherung von Konsum und Sozialstaat
Umgekehrt würde eine reine Einmalzahlung einen deutlichen Verlust für das Lebenseinkommen darstellen. Dazu kommt außerdem die Stärkung der Kaufkraft, die notwendig ist, um den Konsum stabil zu halten. „Insbesondere bei Lebensmitteln, Energie und Mieten war die Teuerung über das letzte Jahr hinweg dramatisch“, kritisiert Teiber, „Man stelle sich vor, welchen gesamtwirtschaftlichen Schaden es angerichtet hätte, wenn wir als Gewerkschaft keine guten Gehaltserhöhungen erkämpft hätten!“
Nicht nur der Konsum wird von den Gehaltserhöhungen gestärkt, sondern auch die soziale Absicherung. Teiber: „Man darf nicht vergessen, auf diese Gehälter zahlen die Beschäftigten ja auch ihre Sozialversicherungsbeträge. Daher sichern die guten KV-Abschlüsse zugleich auch unseren Sozialstaat ab!“
Mit Blick auf die kommende Herbstlohnrunde sieht Chefverhandler Dürtscher keinen Grund zur Bescheidenheit: „Auch hier wird wie immer die Teuerungsrate der letzten zwölf Monate ausschlaggebend sein.“ Im Vorjahr lag die Inflationsrate bei 8,4 Prozent, im Mai dieses Jahres bei 9,0 Prozent. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die Österreichische Nationalbank 7,4 Prozent. „Wir werden daher keine Zurückhaltung üben und wie jedes Jahr im Herbst Gehaltsabschlüsse über der rollierenden Inflation fordern! Darauf können sich die Beschäftigten verlassen!“
Wichtig für die Wirtschaft
Das Wirtschaftsforschungsinstitut ‚Economica‘ hat errechnet, dass die Nettoeinkommen der Angestellten in GPA-Kollektiverträgen im vergangenen Jahr um 3,2 Milliarden Euro gestiegen sind. Für Lehrlinge ist das Netto- Einkommen um 38,3 Millionen Euro gestiegen. Kollektivvertragsverhandlungen sind der wichtigste Treiber und Stabilisator der Inlandsnachfrage.