Nachhaltigkeitsberichte: Was die neue EU-Richtlinie bringt

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Mit 2024 ändern sich die Berichtspflichten großer Unternehmen. Diese müssen nun regelmäßig Angaben über ihre Auswirkungen ihrer Geschäftspraktiken auf Mensch und Umwelt machen. Eine neue EU-Richtlinie vergrößert den Anwendungsbereich und will Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen. Das verbessert auch die Rechte der Belegschaftsvertretung.

Zu Jahresbeginn treten neue EU-Regelungen in Kraft, die einen großen Schritt nach vorn für die Nachhaltigkeit großer Unternehmen bedeuten: Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten müssen nun dokumentieren, was sie dafür tun, um nachhaltiger zu wirtschaften. So wird es möglich, die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Umwelt und die Belegschaft genauer zu verstehen.

Diese sog. „nichtfinanzielle Berichterstattung“ hat zum Ziel, sich abseits der Bilanz ein Bild vom Unternehmen machen zu können: Geht es in Richtung nachhaltiger Entwicklung? Werden Kapitalströme in eine ‚grüne‘ Wirtschaft gelenkt? Was tun Unternehmen, um die Klimaziele zu erreichen? Aber auch: Gibt es einen Betriebsrat bzw. Eurobetriebsrat? Wie sind die Arbeitsbedingungen? Verringert sich der Gender Pay Gap? Investiert ein Unternehmen in die Aus- und Weiterbildung seiner Beschäftigten? Das eröffnet daher auch für die Betriebsrät:innen dieser Unternehmen vielversprechende Perspektiven.

Umwelt, Soziales, Unternehmensführung – ESG

In den Reports sollen die Chancen und Risiken eines Unternehmens in drei Bereichen sowohl für Investor:innen, als auch für Kund:innen transparent gemacht werden, nämlich betreffend Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) (engl. kurz ESG).

Nachhaltigkeitsberichte gibt es an sich schon seit 2014, erklärt Eva Angerler, Expertin in der Abteilung Arbeit und Technik in der Gewerkschaft GPA: „Es hat sich allerdings gezeigt, dass die alte Regelung zu viel Spielraum ließ und nur sehr wenige Unternehmen überhaupt dazu verpflichtet waren.“ Die neue Richtlinie sieht nun eine deutliche Ausweitung der Transparenzpflichten vor – in einem Ausmaß, die als eine der größten Reformen in der Geschichte des europäischen Bilanzrechtes gesehen wird.

„Nun erhalten auch Belegschaftsvertretungen neue Rechte und der soziale Dialog wird gestärkt“

Eva Angerler

„Nun erhalten auch Belegschaftsvertretungen neue Rechte und der soziale Dialog wird gestärkt“, betont Angerler. „Daher begrüßen wir die neue Richtlinie! Sie ist für uns ein Durchbruch, denn sie kommt unseren Forderungen nach Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit entgegen.“ Die Berichte sind verpflichtend, es wurden dafür eigens neue Standards erarbeitet (die ‚European Sustainablility Reporting Standards‘), und es sind externe Prüfungen vorgesehen, was bisher nicht der Fall war. „Das sogenannte Greenwashing wird damit eindeutig erschwert“, ergänzt Angerler, „und die neue Regelung wird dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Stufe mit dem finanziellen Reporting zu heben.“

Wesentlich mehr Unternehmen betroffen

Die Richtlinie wird, gestaffelt je nach Größe zwischen 2024 bis 2027, für alle großen Unternehmen gelten, unabhängig davon, ob sie an der Börse notiert sind oder nicht. Auch nicht-europäische Unternehmen, die in der EU Umsätze von mehr als 150 Mio. Euro erwirtschaften, sind betroffen, ebenso börsennotierte KMUs.

„Man schätzt, dass EU-weit künftig 50.000 Unternehmen berichten werden müssen, gegenüber derzeit 11.700“, erwartet Manuel Stolz, Sekretär in der Abteilung Europa, Konzerne und internationale Beziehungen der GPA. „In Österreich wird sich die Zahl sogar verzwanzigfachen und von 90 auf rund 2.000 ansteigen.“

Unternehmen müssen einerseits die Wirkungen von Umwelt und Gesellschaft auf das Unternehmen („outside-in“) dokumentieren, also beispielsweise die Folgen einer Hitzewelle auf die Geschäftstätigkeit. Andererseits sollen auch die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten nach außen („inside-out“) dargestellt werden, wie z.B. Emissionen oder Arbeitsunfälle. Dieser Grundsatz wird „doppelte Wesentlichkeit“ genannt.

„Das wird den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen zugute kommen, denn sie werden genauer informiert und können sich so auch besser in Verhandlungen einbringen“

Manuel Stolz

Die Berichte werden zahlreiche soziale Informationen enthalten, wie Angaben über Beschäftigung, Ausbildung, Arbeitszeit, angemessene Löhne oder auch die Existenz von Betriebsräten. „Das wird den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen zugute kommen, denn sie werden genauer informiert und können sich so auch besser in Verhandlungen einbringen“, so Stolz weiter, „Den Arbeitnehmervertreter:innen kommt nun eine wichtige und strategisch wertvolle Rolle zu, sie können eine Stellungnahme zum Nachhaltigkeitsbericht abgeben“

In der Praxis: Ein großes Projekt

Alexander Sollak, Betriebsrat, Eurobetriebsrat (EBR) und Mitglied des Aufsichtsrats in der A1 Telekom Austria Group  berichtet, dass das Thema bei der EBR-Sitzung in seinem Konzern Anfang Dezember einen sehr prominenten Platz einnahm: „Bei uns wird das neue Reporting schon seit einiger Zeit sehr intensiv diskutiert“, sagt Sollak, „denn es handelt sich um ein großes Projekt, das die Berichtspflichten und hoffentlich auch die Nachhaltigkeitsleistung stark verändern wird.“

Alexander Sollak ist Betriebsrat, Eurobetriebsrat (EBR) und Mitglied des Aufsichtsrats in der A1 Telekom Austria Group.

A1 ist in Österreich, Bulgarien, Kroatien, Serbien und Slowenien sowie in Nordmazedonien und Weißrussland aktiv. In Österreich vertritt der Betriebsrat rund 10.000 Arbeitnehmer:innen, Zeitarbeiter:innen miteingerechnet.

„Die Übernahme des Klimatickets für die Mitarbeiter:innen wäre  z.B. für das Unternehmen zwar mit Kosten verbunden, zugleich hilft es aber, Emissionen zu reduzieren.“

Alexander Sollak

Als Belegschaftsvertreter interessiert sich Sollak natürlich in erster Linie für den Geltungsbereich ‚Soziales‘, doch die zahlreichen Querverbindungen zu Themen aus Umwelt und Unternehmensführung ergeben eine Fülle von neuen Aspekten: „Homeoffice-Vereinbarungen betreffen zunächst die Mitarbeiter:innen direkt, aber durch die reduzierten Arbeitswege geht es hier gleichzeitig auch um Klimaschutz.“ In der Betriebsratsarbeit erwartet sich Sollak daher konkrete Ansatzpunkte und gute Argumente, wenn es darum geht, Themen besser zu positionieren. „Die Übernahme des Klimatickets für die Mitarbeiter:innen wäre  z.B. für das Unternehmen zwar mit Kosten verbunden, zugleich hilft es aber, Emissionen zu reduzieren.“

Gesamtbild des Unternehmens

Im Fokus stehen weiters eine breite Palette an Themen, von fairen Gehältern, Arbeitszeit, oder Arbeitsplatzsicherheit bis hin zu Work-Life-Balance, Equal Pay und Gleichstellung. „Uns werden mit dieser Richtlinie Instrumente in die Hand gegeben, die uns ganz konkret bei der Betriebsratsarbeit unterstützen können“, so Sollak weiter. So wird beispielsweise die Einkommenslücke (Gender Pay Gap) noch genauer analysiert und dokumentiert und kann detailliert nachverfolgt werden.

Die Richtlinie ist also ein Fortschritt? „Ja, denn wir erhalten nun endlich ein strukturiertes, kennzahlenbasiertes Gesamtbild unseres Unternehmens. Der Bericht ist verpflichtend, auch das ist wichtig. Dadurch können wir uns besser mit anderen  vergleichen und Entwicklungen genauer beobachten.“

Natürlich sollte sich die neue Transparenz letzten Endes auch auf den Finanz- und Kapitalmärkten bzw. in den Ratings niederschlagen. Als Betriebsrat hofft Sollak, dass langfristig auf diesem Weg im Management ein Umdenken herbeigeführt wird und neue Schwerpunkte gesetzt werden. „Für uns im Betriebsratsteam ist die aktuelle Frage: Wie und in welchem Ausmaß werden wir nun beim Thema ESG involviert, und zwar nicht nur auf EBR-Ebene, sondern auch lokal in den einzelnen Ländern? Diese konkrete Einbindung steht derzeit zur Diskussion.“

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