Reisebüros: Die Branche zukunftsfit machen

Foto: pexels.com | Porapak Apichodilok

Die KOMPETENZ hat mit Betriebsrät:innen verschiedener Reisebüros gesprochen. Auch wenn die Probleme im Arbeitsalltag nicht überall die gleichen sind, in einem Punkt sind sich alle einig: Der Kollektivvertrag muss fit fürs 21. Jahrhundert gemacht werden.

„Der Arbeitsdruck hat zugenommen, wir müssen mit weniger Mitarbeiter:innen mehr Kund:innen betreuen.“ – „Die Kundschaft ist besser informiert als früher und weiß, was sie will.“ – „Goodies und Freiflüge, das war einmal!“ – „Oft müssen wir rund um die Uhr erreichbar sein.“ – Betriebsrät:innen der Reisbüro-Branche berichten von steigendem Arbeitsdruck, von anspruchsvollen Kund:innen, die eine Top-Beratung erwarten, und erzählen nicht zuletzt von einer Branche, die sehr oft Krisen ausgesetzt ist. Vom Vulkanausbruch über Kriege und Attentate bis hin zur Klimakrise in Form von Bränden und Überflutungen, Covid-19 oder Norovirus – all das schlägt direkt im Arbeitsalltag der Beschäftigten in Österreichs Reisebüros auf.

Zwischen 8.000 und 9.000 Beschäftigte arbeiten österreichweit in der Branche. Obwohl viele Menschen sich ihre Reisen selbst im Internet organisieren, spielen Reisebüros nach wie vor eine zentrale Rolle bei der Urlaubsbuchung: Denn die Pauschalreise bietet Sicherheit und eine:n Ansprechpartner:in, die weiterhilft, wenn der Flug ausfällt oder in der Nähe des Urlaubsortes ein Waldbrand ausbricht. Und auch Geschäftsreisen brauchen die kompetente Hand des Profis.

Beratung und Kompetenz

„Wir haben bis jetzt alle Krisen gemeistert“, erzählt Irene Wagner, Betriebsrätin bei Ruefa, aus ihrer langjährigen Erfahrung. „Die Branche hat sich stark verändert, die Anforderungen sind gestiegen, entsprechend erwarten wir uns, dass unsere Kompetenzen abgegolten werden. Arbeiten im Reisebüro muss attraktiv sein, sonst wechseln die Leute die Branche und der Nachwuchs bleibt weg.“

Die Betriebsrätinnen Irene Wagner und Elena Hahn vertreten zusammen mit sechs anderen aktiven Betriebsrät:innen die rund 470 Beschäftigten bei Ruefa GmbH. „Wir treten leider auf der Stelle, was unseren Kollektivvertrag angeht“, umreißen die beiden die Lage. „Wobei wir durchaus schon einiges erreicht haben“, ergänzt Wagner. Home Office, Öffnungszeiten, Regelungen bei Weiterbildungsreisen und Dienstreisen, Rufbereitschaft u.a.m., „da hat sich einiges bewegt in den letzten Jahren!“

Zu den Berater:innen im Reisebüro kommen zahlreiche Stammkund:innen. Besonders während der Pandemie wurde vielen klar: „Die Sicherheit, die mir mein Reisebüro bietet, die habe ich, wenn ich Online selbst buche, nicht. Die Kosten für Service und Sicherheit machen sich im Ernstfall sofort bezahlt“, ist Hahn überzeugt.

„Home Office, Öffnungszeiten, Regelungen bei Weiterbildungsreisen und Dienstreisen, Rufbereitschaft – da hat sich einiges bewegt in den letzten Jahren!“
Irene Wagner und Elena Hahn, Ruefa

Die Kundschaft kommt mit hohen Erwartungen ins Reisebüro: Man hat sich vorher bereits gut informiert, weiß, wohin es gehen soll – und auch, was es kosten darf. „Als Beraterin muss ich aber mehr wissen. Über das Land, über die Reise, über rechtliche Bestimmungen, über das Gesundheitswesen und die Versicherungen, oder über Impfungen“, sagt Hahn. Ihre Kollegin Irene Wagner ergänzt: „Wir müssen immer am neuesten Stand sein, und das theoretisch für alle 193 Länder dieser Welt!“

Emotionen verkaufen

TUI beschäftigt in Österreich rund 400 Mitarbeiter:innen, die von insgesamt sieben Betriebsrät:innen vertreten werden. Kathrin Stecher ist eine von ihnen. Sie arbeitet mit großer Leidenschaft schon seit 18 Jahren in ihrem Beruf: „Zu Beginn meiner Laufbahn hatte ich stark ermäßigte Flüge  und zusätzlich Einladungen zu Reisen. Das gibt es alles nicht mehr, und falls mir doch mal sporadisch etwas angeboten wird, so muss ich solche Goodies versteuern“, sagt Stecher. Auch ihr Kollege Betriebsrat Mathias Wimmer pflichtet ihr bei: „Wir verkaufen Reisen, die wir uns selbst nicht leisten können. Trotzdem sollten wir die Destinationen gut kennen.“ Es wird erwartet, dass man sich enormes Wissen für die Beratung aneignet. „Die Recherche im Internet reicht da nicht aus“, findet Wimmer.

„Wir verkaufen Emotionen! Nur wer selbst viel reist, ist kompetent und kann gut beraten“, betont Stecher, „Das ist ein Job, den du selber leben musst.“ Auch in der Freizeit verfolgen die beiden Betriebsrät:innen aktuelle Nachrichten und schauen Dokus über ferne Länder. Die niedrigen Gehälter, finden sie, ließen sich früher noch aufgrund der Incentives und Goodies rechtfertigen. Doch inzwischen sind die Extras weggefallen, die Gehälter aber nicht gestiegen.

„Wir verkaufen Reisen, die wir uns selbst nicht leisten können. Trotzdem sollten wir die Destinationen gut kennen.“
Mathias Wimmer und Kathrin Stecher, TUI

Hohe Ansprüche

Sabine Gebhard ist die Vorsitzende eines Teams von sechs Betriebsrät:innen, die die rund 270 Beschäftigten des Reisebüros BTU vertreten. BTU ist auf Geschäftsreisen spezialisiert. „Wir haben uns nach Corona gut erholt“, berichtet Gebhard. Während der Pandemie wurden Meetings in den virtuellen Raum verlegt, doch inzwischen finden die meisten wieder persönlich statt, die Firmen schicken ihre Mitarbeiter:innen wieder auf Reisen, um Geschäftspartner:innen oder Kunden:innen zu treffen. Doch die Ansprüche der Kundschaft haben sich geändert: „Viele erwarten, dass wir für sie rund um die Uhr erreichbar sind. Die Arbeitsbelastung ist deutlich gestiegen!“

Die Beschäftigten von BTU haben während Corona ins Home Office gewechselt, viele sind dabei geblieben. Home Office ist überaus beliebt. Mit dem Nachteil, dass es eine ständige Erreichbarkeit ermöglicht, leider auch abends oder am Wochenende. Über zu wenig Arbeit kann Gebhard daher nicht klagen, eher schon über zu wenig Mitarbeiter:innen. „Wir haben viele Großkunden, und die Arbeit wächst uns zeitweise über den Kopf.“

„Viele erwarten, dass wir für sie rund um die Uhr erreichbar sind. Die Arbeitsbelastung ist deutlich gestiegen!“
Sabine Gebhard, BTU

Kernthema Gehalt

Auch wenn der Arbeitsalltag je nach Unternehmen und Spezialisierung unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringt, gibt es für alle Belegschaftsvertreter:innen zwei Kernthemen, um die ihre Forderungen für die nächsten KV-Verhandlungen kreisen. Beide betreffen die Gehälter.

Der KV-Abschluss im Vorjahr brachte 8,7 Prozent Gehaltserhöhung, was der damaligen Inflation entsprach. Trotzdem waren viele unzufrieden, da aufgrund der sog. „Saugung“ das Geld nicht bei allen Beschäftigten ankam. 

Saugung bedeutet, dass die Aufrechterhaltung der Überzahlung nicht in vollem Umfang stattfindet bzw. nur dann, wenn es der Geschäftserfolg des Unternehmens zulässt (Kann-Bestimmung). Wenigstens die Hälfte der Überzahlung muss ausbezahlt werden, die andere Hälfte wird „abgesaugt“. Das bedeutet für die Arbeitnehmer:innen einen realen Einkommensverlust, noch dazu bei ohnehin eher niedrigen Mindestgehältern.

„Diese Bestimmung kam nach dem Golfkrieg in den 1990er Jahren, der eine schwere Krise in der Branche auslöste“, erklärt Irene Wagner, „leider wurde seither die Überzahlung permanent verringert. Noch vor ein paar Jahren konnte 100 Prozent gesaugt werden. Dann hieß es über mehrere Jahre manchmal: keine Gehaltsanpassung, sofern man eine Überzahlung hatte.“

Der zweite Punkt, bei dem Handlungsbedarf besteht, sind die Biennalsprünge in ihrer jetzigen Form:  Diese enden nämlich nach nur 20 Jahren. „Ich bin mit nur 36 Jahren am Zenit meiner Gehaltstabelle und habe noch 30 Jahre bis zur Pensionierung“, kritisiert Kathrin Stecher. In der Branche arbeiten rund drei Viertel Frauen, und früher war das Pensionsalter niedriger, was diese Regelung erklären mag. „Inzwischen ist sie aber absolut nicht mehr zeitgemäß“, betont Stecher. „Zusammen mit der Absaugung der Überzahlungen macht es die Branche für langjährige Mitarbeiter:innen finanziell unattraktiv!“

Auch den Nachwuchs lassen solche Gehälter zögern, in der Branche Fuß zu fassen: „Der eher bescheidenen Verdienst kompensiert den Stress und die hohen Anforderungen nicht. Viele Berufsanfänger orientieren sich daher nach einiger Zeit neu, trotz des sehr guten Schulungsangebots“, beschreibt Wagner die Lage.

Ziele für den Herbst

Nicht alle Firmen praktizieren die Absaugung. „Bei TUI wurde in den letzten Jahren in Absprache mit dem Betriebsrat die Überzahlung aufrecht erhalten“, sagt Stecher. Andere wieder – darunter auch Ruefa – bezahlen Einmalprämien. Alle Belegschaftsvertreter:innen betonen außerdem, dass es auch positive Schritte gab. 2018/19 wurde der KV reformiert. Außerdem konnten durchaus auch einige Erfolge bei den rahmenrechtlichen Bestimmungen erreicht werden. Trotzdem sind sich alle einig, dass die Regelungen bei den Kernthemen Saugung und Biennalsprüngen so nicht mehr zeitgemäß sind.

„Bei TUI wurde in den letzten Jahren in Absprache mit dem Betriebsrat die Überzahlung aufrecht erhalten“
Kathrin Stecher, TUI

Es wird also „höchste Zeit, diese Branche zukunftsfit zu machen“, findet Gebhard. Was sind die Ziele für die Verhandlungen im Herbst? „Wichtig ist, dass wir uns einig sind und alle an einem Strang ziehen“, betonen Stecher und Wimmer. Daher haben die internen Gespräche bereits begonnen, damit bis November alle Vorbereitungen abgeschlossen sind. Vieles hat sich bereits in Bewegung gesetzt. „Wir sind besser vernetzt“, findet Stecher, „Wir werden dieses Jahr mit klar formulierten Zielen in die Verhandlungen gehen“, betonen auch Wagner und Hahn. Sicher ist: Ganz oben auf der Prioritätenliste steht eine gute Gehaltserhöhung!

Du denkst auch darüber nach, in deinem Betrieb bzw. in deiner Filiale einen Betriebsrat zu gründen? Ab fünf dauernd beschäftigten MitarbeiterInnen habt ihr das Recht, eine Belegschaftsvertretung zu wählen! Deine Gewerkschaft GPA unterstützt dich dabei! Alle Infos zur Wahl und Unterstützung auch nach der Gründung erhältst du in deiner Regionalgeschäftsstelle. Für Nicht-Mitglieder ist eine Erstberatung kostenlos!
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