Norbert Blaumoser ist Mitbegründer des Betriebsrates in der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ZAMG. Zum 25-Jahr Jubiläum zieht der Betriebsratsvorsitzende eine mutige und weitsichtige Bilanz. Vordringliches Ziel bleibt ein Beitritt zu einem Kollektivvertrag.
Norbert Blaumoser ist seit Mai 1993 an der ZAMG beschäftigt. Nach Jahren des Studiums der Geophysik und Mitarbeit an der Uni Wien, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der geologischen Bundesanstalt suchte er einen Ganztagsjob und fühlte sich in dem wissenschaftlich-technischen Umfeld aus MeteorologInnen, GeophysikerInnen, GeografikerInnen und MathematikerInnen beruflich gut aufgehoben.
Die dienstrechtliche Konstruktion des Unternehmens war von Beginn an speziell: Der staatliche meteorologische und geophysikalische Dienst Österreichs ist eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Das Forschungsorganisationsgesetz verleiht seit Anfang der 90er Jahre eine Teilrechtsfähigkeit, die es der ZAMG erlaubt, auf eigene Rechnung tätig zu werden und über diese Einnahmen auch Personal anzustellen. Daher arbeiten in dem Unternehmen seit damals Beamte neben Vertragsbediensteten und Privatangestellten. Betriebsrat gab es keinen. Blaumoser, der zuvor an der Geologischen Bundesanstalt beschäftigt war, hatte dort erste betriebsrätliche Erfahrungen gemacht und sehr bald darauf gedrängt, auch an der ZAMG einen Betriebsrat zu gründen. „Viele MitarbeiterInnen hatten Probleme mit ihren Dienstverträgen. Alle wurden auf der Basis von mündlichen Verträgen angestellt. Als es dann um die schriftliche Ausfertigung gegangen ist, gab es Komplikationen betreffend Bezahlungsschema, Fristen und anderer dienstrechtlicher Belange“, erzählt der 62-jährige, ruhige Gesprächspartner. Um eine Personalvertretung zu organisieren, setzten sich die damals 12 MitarbeiterInnen in der ZAMG Anfang 1994 zusammen. Im April 1994 wurde der Betriebsrat für die privatrechtlich Angestellten gegründet. Blaumoser wurde stellvertretender Obmann und stieg ein Jahr später zum Vorsitzenden des Betriebsrats auf.
„Viele MitarbeiterInnen hatten Probleme mit ihren Dienstverträgen. Alle wurden auf der Basis von mündlichen Verträgen angestellt. Als es dann um die schriftliche Ausfertigung gegangen ist, gab es Komplikationen betreffend Bezahlungsschema, Fristen und anderer dienstrechtlicher Belange“
Norbert Blaumoser
Die Direktion stand der Personalvertretung von Beginn an gespalten gegenüber. „Einerseits war unser Direktor stolz darauf, Privatangestellte und einen Betriebsrat zu haben. Auf der anderen Seite wurden die zahlreichen verwaltungsrechtlichen Problemebenen und die notwendigen Verhandlungen ganz offensichtlich als Belastung gesehen“, erzählt Blaumoser.
Gut mit der Gewerkschaft vernetzt
Eine Besonderheit des ZAMG Betriebsrates ist, dass es keine Fraktionen innerhalb der Personalvertretung gibt, es gibt nur eine einzige Liste „Wir sind ein tolles Team, wer sich engagieren will, der meldet sich und wir schauen dann, ob wir zusammenpassen“, so Blaumoser. Innerhalb des Betriebsrats gab es in den vergangenen 25 Jahren kein einziges echtes Streitthema. Blaumoser legt Wert darauf, parteipolitisch nicht verortet zu sein: „Unsere Arbeit ist stark personenzentriert, die Leute sind im Betrieb bekannt. Wir machen Politik für unsere Beschäftigten, aber keine Fraktionspolitik.“ Man wolle Ansprechpartner auf sachlicher Ebene sein. „Trotzdem hat jeder von uns zu den tagespolitischen Themen seine eigene, höchstpersönliche Meinung“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Von der Gewerkschaft der Privatangestellten – Druck, Journalismus und Papier (GPA-djp) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, mit denen man eng zusammenarbeite, werde diese Unabhängigkeit sehr geschätzt: „Wir sind an der Schnittstelle zwischen Privatwirtschaft und Bundesdienst und arbeiten mit der Personalvertretung des Bundes, der Arbeiterkammer und allen gewerkschaftlichen Gremien sehr gut und professionell zusammen“, erzählt Blaumoser. Der Betriebsrat der ZAMG engagiert sich im GPA-djp-Gremium des Wirtschaftsbereiches für Forschung, Bildung, Kultur und Vereine der Region Wien, den Blaumoser acht Jahre als Vorsitzender leitete.
Zur Zeit ist Norbert Blaumoser für rund 200 Privatangestellte der ZAMG zuständig, die zwischen Wien und Bregenz in den Kundenservicestellen und an einzelnen Observatorienstellen beschäftigt sind: „Früher waren wir reine Projektangestellte, seit Jahren übernehmen die Privatangestellten immer mehr die allgemeinen Aufgaben der Bundesbediensteten.“
Mit den MitarbeiterInnen ist auch das Aufgabenspektrum des Betriebsrates gewachsen. Am Anfang gab es zwei BetriebsrätInnen, derzeit kümmern sich fünf Personalvertreter und fünf Ersatzmitglieder um die Belange der MitarbeiterInnen. Norbert Blaumoser ist seit September 2016 freigestellter Betriebsratsvorsitzender: „Bei der letzten Wahl waren wir plötzlich mehr als 150 Wahlberechtigte, das ist die Freistellungsgrenze.“
„Wir haben keine Öffnungszeiten, die KollegInnen können vorbeischneien, wann es Ihnen passt.“
Norbert Blaumoser
Als größte Herausforderungen in seiner betriebsrätlichen Tätigkeit sieht Blaumoser die Unterstützung der Belegschaft bei alltäglichen arbeits- und sozialrechtlichen Belangen sowie die gezielte Information und Aufklärung, um Probleme oder Krisen gar nicht erst entstehen zu lassen. „Vielfach geht es um die Nachvollziehbarkeit von Gehalts- oder Dienstreiseabrechungen oder Fragen zu arbeitsrechtlichen Bereichen wie Karenz, Krankenstand oder Pflegefreistellung“, erzählt Blaumoser, dem es wichtig ist, verfügbar zu sein. „Wir haben keine Öffnungszeiten, die KollegInnen können vorbeischneien, wann es Ihnen passt.“
Wir arbeiten den Themen hinterher
Eine verbesserte Kommunikation und eine Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten seitens des Managements würden ihm seine Arbeit erleichtern. „Leider bekommen wir oft wenige Infos vorab, viele Neuerungen erfahren wir unter der Hand oder aus den Medien – daher müssen wir den Themen immer hinterher arbeiten“, beklagt Blaumoser.
Wenn sich gewisse Probleme häufen, setzt Blaumoser auf Aufklärungsarbeit und Infoveranstaltungen. „Als zahlreiche KollegInnen Fragen zur Gehalts- und Zeitabrechung hatten, sind wir draufgekommen, dass die Inhalte der betreffenden Betriebsvereinbarung auch vielen Vorgesetzten nicht lückenlos bekannt waren. Wir haben eine Betriebsversammlung gemacht um die Fakten auf den Tisch zu legen und zu verhindern, dass manches falsch weitertransportiert wird.“ Auch am betriebsrätlichen Schwarzen Brett und regelmäßigen E-Mails wird auf Themen Bezug genommen, die aktuell nicht gut laufen. „Wir gehen von Sozialraum zu Sozialraum um mit den Leuten zu reden und herauszufinden, wo der Schuh drückt. Viele Probleme können durch Aufklärungsarbeit vorab entschärft werden, wenn Richtlinien von beiden Seiten korrekt angewandt werden.“ Blaumoser und seine KollegInnen sind daher oft gefordert, sich zu überlegen, wo es „Brösel“ geben könnte. Bewährt hat sich eine fixe Betriebsversammlung mit mehreren Teilversammlungen an allen Standorten vor Weihnachten.
Weil der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nicht immer ausreichend nachkommt, erfahren Blaumoser und sein Team meist nicht zeitgerecht, wer neu angestellt werden soll oder ob Ausgliederungen und sonstige Reformvorhaben angedacht sind. „Es wäre sinnvoll und auch gesetzlich vorgeschrieben, den Betriebsrat in Umstrukturierungen so früh wie möglich einzubinden, wir könnten dann gemeinsam an einem Strang ziehen – wir sitzen im selben Boot,“ kritisiert Blaumoser die derzeitige Umgehungspolitik des Managements, bei der manchmal alle Mitarbeiter per Mail über Neuerungen informiert werden, die dem Betriebsrat noch völlig unbekannt sind.
Rituelle Sitzungen bringen wenig
Das Problem ortet Blaumoser im Rollenverständnis der Direktion gegenüber dem Betriebsrat: „Wenn man glaubt, dass der Betriebsrat Teil des Managaments ist und dabei helfen sollte, die Unternehmenspolitik gegenüber den Mitarbeitern umzusetzen, liegt ein Missverständnis vor – und wenn der Betriebsrat seine Rolle anders sieht, wird er ausgegrenzt.“ Gremien, in denen der Betriebsrat sitzt, werden nicht mehr regelmäßig einberufen – entschieden wird woanders.
Als größten Erfolg seiner 24jährigen Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender sieht Blaumoser die Angleichung der Rechte der Privatangestellten an jene der Bundesbediensteten: „Wir haben es geschafft, dass wir zumindest beim Gehaltsschema, aber auch in vielen dienstrechtlichen Alltagssituationen gleichbehandelt werden, wie die Bundesbediensteten und die Vertragsbediensteten“, freut sich der verheiratete Vater einer jugendlichen Tochter, dass die Privatangestellten schon lange nicht mehr als ArbeitnehmerInnen dritter Klasse behandelt würden. Viele Erfolge haben sich in Betriebsvereinbarungen manifestiert: „Die Dienstverträge wurden im Laufe der Jahre angeglichen, die Winter- und Sommerremunerationen sowie Essensgutscheine sind zum fixen Gehaltsbestandteil geworden.“ Auch das verbesserte Gehaltsschema VBG-NEU konnte übernommen werden.
Blaumoser, der in seiner Freizeit am liebsten bei Familienforschung entspannt, steht nicht an, bittere Momente seiner Tätigkeit zu beschreiben: „Die Einführung einer detaillierten Kostenrechnung, also die exakte Zuordnung jeder Tätigkeit zu einer Kostenstelle, in dieser Form und deren Auswirkung, konnte vom Betriebsrat nicht verhindert werden. Für viele wissenschaftliche MitarbeiterInnen stellen diese Verbuchungen einen erheblichen und sehr aufwendigen administrativen Aufwand dar.“ Die Wissenschaftler fühlten sich dadurch in ihrer Tätigkeit behindert. „Das Nachdenken über alternative Modelle und Konzepte wird eingeschränkt, weil immer mitgedacht werden muss, wo diese Zeit verbucht werden kann, oder eben nicht“, warnt Blaumoser.
Kollektivvertrag gefordert
Auch die Anrechnung der Vorrückungen während der Karenzzeiten, ist offen. „Seit 25 Jahren versuchen wir, unsere Beschäftigten in einen Kollektivvertrag, zum Beispiel den Forschungs-KV, zu bringen. Da müsste aber der Arbeitgeber mitspielen“, hofft Blaumoser auf eine Gesetzesänderung nach einer etwaigen Ausgliederung.
Neben mehr Transparenz wünscht sich Blaumoser auch künftig viele Gespräche mit den MitarbeiterInnen: „Die Leute sollen weiterhin und vermehrt mit uns BetriebsrätInnen reden. Am schönsten wäre es, wenn ich das Packerl Taschentücher, das bei den Beratungen immer bereits stehen sollte, bei Mitarbeitergesprächen nicht mehr brauchen würde.“
Zur Person
Norbert Blaumoser wurde 1956 in Wien geboren, ist in Scheibbs im niederösterreichischen Mostviertel aufgewachsen und wohnt seit 16 Jahren mit seiner Familie im 10. Wiener Gemeindebezirk. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn hat er lange Jahre Geophysik an der Uni Wien studiert. Nach der Organisationsreform der GPA-djp war Blaumoser 2008 Gründungsvorsitzender des Wirtschaftsbereichs Forschung, Bildung, Kultur und Vereine. Für sein betriebsrätliches Engagement hat er ein persönliches Vorbild: Sein Vater war viele Jahre Personalvertreter an der Bezirkshauptmannschaft in Scheibbs.