Jede Menge Denkanstöße aus einer sehr linken Perspektive gibt Robert Foltin in seinem eben in der Reihe „kritik & utopie“ des Mandelbaum Verlags erschienenen Band „Vor der Revolution. Das absehbare Ende des Kapitalismus“.
Seine These: Parteipolitik von oben ändert wenig, Bewegungen von unten dagegen sehr viel. Als Beispiele nennt er zum Beispiel den Feminismus der 1970er Jahre und die Anti-Atomkraft-Bewegung in Österreich.
Aktuell sei Klimaschutz das Thema. Die Klimabewegung finde in „Fridays for Future“ ihre Breite, in „Extinction Rebellion“ eine Radikalisierung in Richtung gewaltfreier Aufstand und in Organisationen wie „Ende Gelände“ oder „System Change, not Climate Change“ ihre antikapitalistische Dimension. Foltin legt dar, dass nur das Ende des Kapitalismus der Klimakrise entgegenwirken könnte. Er sieht sich darin auch durch Aussagen von Greta Thunberg, der Galionsfigur der „Fridays for Future“-Bewegung bestätigt. Sie habe erklärt, dass die verantwortlichen Politiker*innen nur von „Geld und vom Märchen des ewigen Wachstums sprechen“. Sie drücke damit, wenn auch nicht direkt, aus, dass der Kapitalismus das Problem sei.
Das lasse sich jedoch nicht nur an der Klimakrise festmachen. Foltin führt eine Reihe anderer Beispiele an: den Dieselskandal in Deutschland etwa oder den Brand des Greenfell Towers in London. Die Meere seien mit Plastik vermüllt, dennoch finden sich in den Supermärkten kaum Produkte, die nicht in Plastik verpackt seien. Jedem sei klar, dass die CO2-Ausstöße verringert werden müssen, trotzdem wird das Verkehrsaufkommen nicht wirklich reduziert – denn das würde der Wirtschaft und vor allem dem Wirtschaftswachstum schaden. Was es nach Ansicht Foltins bräuchte, sei zum Beispiel die Beendigung von Subventionen für klimaschädliche Produkte oder eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben für Autobahnen und Flugplätze. Doch solchen Ansätzen stünde immer die Sorge um den Standort entgegen.
Viele Jahre habe sich nun zudem eine Externalisierungsgesellschaft offenbart: die Schäden wurden zunehmend in andere Kontinente verlagert. Während in Mitteleuropa Flüsse gereinigt, Abgase reduziert und giftige Stoffe weniger genutzt werden, wurden die verschmutzenden Betriebe zunehmend in andere Länder verlegt, ebenso die großen Müllkippen für Plastik und Elektroschrott. Doch auch dort rege sich Widerstand. China wolle keinen weiteren Müll aus der EU annehmen, Malaysia habe 2019 angekündigt, Plastikmüll in die Industriestaaten zurückschicken.
Foltin spricht viele verschiedene Aspekte an: steigende Mieten ebenso wie die Zersiedelung am Land, Fremdenfeindlichkeit und die schädlichen Seiten des Tourismus, die unterschiedliche Wertigkeit von Berufen, die sich in schlechter Bezahlung gerade für die Care-Tätigkeiten ausdrückt. Zu letzteren merkt der Autor an: „Das herrschende System steht hier vor einem Dilemma: Mit dieser Arbeit lassen sich keine Profite erzielen, eine Steigerung der Produktivität durch Rationalisierungen oder Verlagerungen ist praktisch unmöglich.“
Einer von Foltins Schlüssen wirkt aus derzeitiger Perspektive allerdings bitter: „Wenn die ökologische Misere am Beispiel des CO2-Ausstosses betrachtet wird, müssen wir uns geradezu eine Wirtschsftskrise wünschen. Eine Wirtschaftskrise würde die Umweltzerstörung reduzieren. Wir müssen uns eine Immobilienkrise wünschen, damit der Wohnraum endlich wieder leistbar wird. Eine Krise würde bedeuten, endlich nicht mehr (so viel) arbeiten zu müssen.“ Das Buch wurde kurz vor der derzeitigen Coronakrise veröffentlicht – und in einer Situation, in der in einer Woche zehntausende Menschen arbeitslos wurden und das ganze Land im Ausnahmezustand ist, wünscht man sich alles andere als eine Wirtschaftskrise. Dennoch, es mehren sich Berichte, wie dieser Stillstand der Umwelt zuträglich ist: klares Wasser in den Kanälen Venedigs, wesentlich geringerer CO2-Ausstoß in Wuhan.
Insgesamt erscheinen einige von Foltins Vorschlägen zu extrem – so spricht er sich auch für Enteignung aus. Andererseits gibt das Buch viele Denkanstöße, zumal gerade in der Situation, in der wir uns gerade befinden. Was man daraus auch mitnehmen kann: nach der Bewältigung dieser Krise vielleicht nicht zur Tagesordnung überzugehen, sondern darüber nachzudenken, in welchen Bereichen weniger möglicherweise mehr ist.
Robert Foltin
„Vor der Revolution. Das absehbare Ende des Kapitalismus“
Wien/Berlin 2020, Mandelbaum Verlag,
136 Seiten, 10 Euro
ISBN 978-3-85476-694-0