Laut Österreichischem Arbeitsklima Index begegnen Beschäftigte dem Homeoffice mit gemischten Gefühlen. Betreuungspflichtige ArbeitnehmerInnen klagen über die Dreifachbelastung Kinder, Haushalt und Homeoffice.
Auch wenn die Corona-Pandemie unseren Arbeitsalltag durcheinander wirbelt, sind viele der in Österreich Beschäftigten nach wie vor zuversichtlich. Das geht aus dem jüngsten Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich hervor. Demnach sind mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen mit den Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze zufrieden. Drei Viertel sind optimistisch für die Zukunft ihres eigenen Unternehmens. Der Präsident der AK Oberösterreich Johann Kalliauer findet, „dass die Sozialpartner mit der Einigung über die Kurzarbeit und der Empfehlung zum Homeoffice vieles richtig gemacht haben“.
Seit Ausbruch der Krise sind laut Arbeitsklima Index etwa 40 Prozent der Beschäftigten zumindest teilweise im Homeoffice beschäftigt, doppelt so viele als vorher. Von den Betroffenen wird das mit gemischten Gefühlen aufgefasst. Zum Drahtseilakt wird das Arbeiten von zu Hause aus derzeit vor allem für Eltern mit Kindern. Sie gaben bei der Erhebung (Ende März) an, nun deutlich häufiger nachts oder am Wochenende zu arbeiten. Betreuungspflichtige Eltern in Heimarbeit klagen über eine deutlich höhere Arbeitsbelastung in Form von Stress, Zeitdruck oder Überlastung.
Im Homeoffice gelten dieselben Regeln wie im Betrieb
Isabel Koberwein, Expertin für ArbeitnehmerInnenschutz bei der GPA-djp, empfiehlt, die Arbeitssituation im Homeoffice mit dem/der ArbeitgeberIn vorher möglichst klar zu definieren, auszumachen, was wann wie und wo zu erledigen ist. „Im Homeoffice ist natürlich die Möglichkeit gegeben, rund um die Uhr zu arbeiten“, warnt Koberwein. „Höchstarbeitszeiten gelten auch im Homeoffice und eine klare Arbeitszeitorganisation kann Entgrenzung vermeiden“.
„Höchstarbeitszeiten gelten auch im Homeoffice.“
Isabel Koberwein, GPA-djp-Expertin für Arbeitnehmerschutz
Für das Arbeiten von zu Hause aus kennt der Gesetzgeber keine expliziten Vorschriften. Koberwein stellt klar: „Das bedeutet nicht, dass im Homeoffice überhaupt keine Regeln gelten – im Gegenteil: im Homeoffice gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie auch in der Arbeitsstätte“, beispielsweise Bestimmungen zu Arbeitszeit, Haftung und Unfallversicherung.
Gleichzeitig betont Koberwein, Homeoffice sei nicht automatisch eine Lösung, um Betreuungspflichten, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bekommen. In der Zeit der Maßnahmen gegen das Coronavirus können ArbeitnehmerInnen, die Kinder bis zum 14. Lebensjahr, Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftige Angehörige betreuen müssen, mit ihren ArbeitgeberInnen noch bis Ende Mai eine Sonderbetreuungszeit von bis zu drei Wochen vereinbaren. Während dieser Zeit bekommen betreuungspflichtige Beschäftigte ihr volles Gehalt ausbezahlt, ArbeitgeberInnen bekommen ein Drittel davon vom Bund ersetzt. ArbeitnehmerInnen haben jedoch keinen Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit.
Frauen fühlen sich im Homeoffice wohler als Männer
Bei Beschäftigten ohne Kinder überwiegen laut Index die positiven Seiten der Arbeit im Homeoffice. Insgesamt gaben rund zwei Drittel der Befragten an, das Arbeiten in den eigenen vier Wänden biete Vorzüge, die man auch nach der Krise so beibehalten solle. Vor allem Frauen sprechen sich für die Vorteile der Heimarbeit aus. „Frauen arbeiten derzeit häufiger von zu Hause aus, weil sie sich häufiger in den dafür in Frage kommenden Angestelltenverhältnissen wiederfinden“, erklärt die zuständige AK-Referentin Gabriele Fehringer.
„Frauen arbeiten derzeit häufiger von zu Hause aus, weil sie sich häufiger in den dafür in Frage kommenden Angestelltenverhältnissen wiederfinden“
Gabriele Fehringer, AK Oberösterreich
Dass sich Arbeitnehmerinnen im Homeoffice deutlich wohler fühlen als ihre männlichen Kollegen, liege an der zumindest potenziellen Vereinbarkeit von Betreuungs- und Erwerbsarbeit. Laut Arbeitsklima Index befürworten drei Viertel der Frauen, jedoch nur knapp die Hälfte der Männer die Arbeit im Homeoffice. Da es in vielen Haushalten nach wie vor Frauen sind, die einen Großteil der Betreuungspflichten übernehmen, würden sie die Umstellung aufs Homeoffice tendenziell positiver bewerten, erläutert Fehringer.
Mit Blick auf die Gesamtauswertung des Arbeitsklima Index meint Fehringer, sie sei „überrascht, wie positiv die Leute mit der Situation umgehen“. Sie vermutet jedoch, dass sich die Stimmung mit Andauern der Krise verschlechtern werde. Sollten die Maßnahmen noch über mehrere Monate gelten, werde auch die Verunsicherung der Beschäftigten weiter ansteigen.
Das Homeoffice als Isolationsfaktor
Diese Befürchtung hat auch die Arbeitspsychologin Natascha Klinser. Bereits jetzt verzeichnet sie zunehmend mehr MitarbeiterInnen, denen die Isolation zu Hause durch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz schwer zusetzt. Besonders davon betroffen seien allein lebende Menschen. „In-Beziehung-Sein ist mehr als nur E-Mail-Kommunikation“, erklärt Klinser. „Wenn nun aber Struktur, Arbeitsroutinen und persönlicher Austausch fehlen, hat das massive Auswirkungen auf die Psyche“. Mit der Pflicht zum Homeoffice beschränkt sich für allein Lebende plötzlich das gesamte Leben auf die eigenen vier Wände. In der aktuellen Situation fehlt nicht nur der Austausch mit ArbeitskollegInnen, sondern auch abseits des Jobs bestehen kaum mehr Möglichkeiten zum persönlichen Kontakt.
Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt Klinser Führungskräften, vermehrt auf Videokonferenzen, klare Anweisungen, Feedbackschleifen sowie einen gemeinsamen Terminplan zu setzen. Videokonferenzen stärken das Teamgefühl und reduzieren Missverständnisse – „ein klarer Vorteil gegenüber dem klassischen Telefonat zwischen zwei Personen, denn dadurch sind konzentriertes und zielgerichtetes Arbeiten leichter möglich“, erklärt die Arbeitspsychologin. Außerdem gebe „arbeitsplatzmäßiges Verhalten“, also das Tragen adäquater Kleidung und entsprechendes Auftreten auch im Homeoffice, Struktur und Halt.
Beschäftigten, die ihr Homeoffice notgedrungen mit Kinderbetreuung vereinbaren müssen, empfiehlt Klinser mit den ArbeitgeberInnen eine möglichst tragfähige Lösung zu erarbeiten. Wichtig seien eine „klare Trennung und eine gute Planung“. Empfehlenswert sei beispielsweise, nicht acht Stunden am Stück zu arbeiten, sondern in Abstimmung mit den ArbeitgeberInnen persönliche Erreichbarkeiten und kleinere „Arbeitspakete“ festzulegen. Die Zeiten dazwischen gelten dann den eigenen Kindern.