Die COVID-19-Krise hat von jedem Opfer verlangt. Langsam nähert sich der Alltag einer gewissen Normalität an. Für den Wiedereinstieg ins Berufsleben im Handel setzen sich Betriebsräte und Gewerkschaft mit viel Energie ein.
Das gab es noch nie – sieben Wochen stand im Land beinahe alles still. Auch die meisten Geschäfte abseits des Lebensmittelhandels waren davon betroffen. Um diese Krise abzufedern, vereinbarten die Sozialpartner gemeinsam mit der Regierung eine zeitlich befristete Kurzarbeitsregelung. Viele Arbeitsplätze konnten dadurch gerettet werden, rund 1,3 Millionen Beschäftigte haben davon profitiert. Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin der GPA-djp, erklärt: „Mit Kurzarbeit wird der Arbeitsplatz gesichert – als ArbeitnehmerIn bin ich neben zeitlicher Flexibilität auch bereit, auf einen Teil meines Einkommens zu verzichten, damit der Betrieb durch diese Krise steuern kann.“
Wie bei anderen Corona-Hilfsmaßnahmen auch, gab es bei der Kurzarbeit Probleme und Unklarheiten. Die nun bis Ende August verlängerte Regelung wurde nachgebessert. Dabei
wurde die Berechnung vereinfacht, die Arbeit auf Abruf verboten (Unternehmer müssen jetzt zumindest drei Tage im Voraus eine Erhöhung des vereinbarten Arbeitszeitausmaßes bekanntgeben) und die Beschäftigten bekommen mindestens die tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt. Auch haben alle Beschäftigten Anspruch auf eine Kopie der Sozialpartnervereinbarung oder auf einen Kurzarbeits-Dienstzettel.
Späte Informationen
Die Bundesregierung sorgte auch für viel unnötigen Stress, denn sie veröffentlichte ihre Verordnungen meist sehr spät. Das führte zu vielerlei Missverständnissen und großen Organisationsproblemen. „Am 30. April um 23 Uhr wurde die Verordnung zur Öffnung am 2. Mai verkündet“, erinnert sich Palkovich.
Für Monika Schöngruber, Betriebsrätin der Firma Sports Direct, war das Aufsperren mit einer großen Portion Adrenalin verbunden: „Wir hatten sieben Wochen geschlossen und niemand wusste, ob wir gleich überrannt werden oder es ein entspannter Arbeitstag wird.“ Der enorme Zulauf bei der Öffnung überraschte: „Durch die Kurzarbeit hatten wir nicht die Ressourcen und mussten mit den wenigen Leuten Umsätze stemmen, die wir zuvor nicht hatten – der 2. Mai war besser als jeder Weihnachtssamstag“, erinnert sich Schöngruber, die im Headoffice am Standort Linz tätig ist. „Dort arbeite ich – obwohl freigestellt – stets mit, wenn Not am Mann oder der Frau ist.“ Für den Sportartikel-Diskonter hat sich verwirklicht, wovon andere Geschäfte immerhin geträumt haben: Die Umsätze sind höher als vor der COVID-19-Pandemie. Doch das brachte die Belegschaft in kurzer Zeit an ihr Limit.
Quälender Mund-Nasen-Schutz
Sicherheitstechnische Ausrüstung wie Plexiglasabdeckungen, Handdesinfektionsmittel, Sprays und antiseptische Tücher für Bildschirme und Tastaturen wurden vom Unternehmen zur Verfügung gestellt. Allein, auch die ständige Nutzung der Schutzmaßnahmen, bringt das Verkaufspersonal an neue Grenzen. „Ständig mit der Maske im Verkauf zu arbeiten, das
ist eine Katastrophe“, erklärt Schöngruber. „Speziell an den Kassen muss viel gesprochen werden – vom permanenten Tragen des Mund-Nasen-Schutzes hat eine Kollegin eine aufgeschürfte Nasenspitze und auch wenn sie alle zwei bis drei Stunden eine Pause macht, ist die Maske immer feucht.“ Da viele MitarbeiterInnen unglücklich mit den MNS-Masken waren,
wurde im Betriebsrat beschlossen, so genannte Face Shields des oberösterreichischen Unternehmens Rosenbauer zu ordern. „Unter den BetriebsrätInnen sind wir gut vernetzt und haben einfach angefragt“, ist Schöngruber erleichtert. Die Anschaffung wurde durch den
Betriebsratsfonds finanziert, alle MitarbeiterInnen, die ein Plexiglasvisier wollten, haben eines bekommen.
Kraftakt für BetriebsrätInnen
Während des Corona-Shutdowns und den vielen Wochen der Ungewissheit, waren auch die BetriebsrätInnen besonders gefordert. Nicht anders ist es auch Ingrid Rindler, Betriebsratsvorsitzende einer großen Textilkette, ergangen. Seit dem 16. März hatte sie kaum Freizeit.
An den stressigsten Tagen hat sie um sechs Uhr morgens mit ihrer Arbeit begonnen: „Ich bin für beinahe 80 BetriebsrätInnen zuständig, musste sie alle mit ins Boot holen und natürlich gab es auch regelmäßig Telefonkonferenzen mit der Unternehmensleitung“, weiß Rindler. „Oft habe ich nicht einmal aufgelegt, da kam schon der nächste Anruf, und das letzte E-Mail des Tages habe ich meist um 22 Uhr geschrieben.“ Die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit musste auf den Weg gebracht werden, doch die ständigen Neuerungen blockierten den Abschluss. So konnten etwa zu Beginn der Pandemie die Anträge auf Corona-Kurzarbeit nicht gestellt werden, weil sie beim Arbeitsmarktservice für den Download nicht verfügbar waren. Daneben war es auch wichtig auf die Belegschaft zu schauen: „Wir BetriebsrätInnen haben jede Woche bei den MitarbeiterInnen angerufen und gefragt, wie es ihnen geht und ob sie etwas brauchen. Und wir haben sie darauf hingewiesen, dass sie bei Bedarf den Corona-Familienhärteausgleich nutzen können“, erzählt Rindler.
Intensiv war diese Zeit auch für Barbara Kreuzer, Betriebsrätin der Handelskette Pagro Diskont. Rund 2.100 MitarbeiterInnen arbeiten in Österreich für das Unternehmen, zu dem auch die Libro-Kette gehört. „Ich komme aus der Steiermark und muss permanent nach Guntramsdorf in die Zentrale fahren“, erklärt Kreuzer. Die Arbeitsabläufe haben sich seit der Öffnung am 2. Mai aber kaum geändert – freilich bis auf das Desinfizieren und die MNS-Masken. „Viele Leute sind froh, dass sie wieder arbeiten können. Etwa 90 Prozent unserer MitarbeiterInnen arbeiten in Teilzeit“, macht Betriebsrätin Kreuzer, an die sich die Belegschaft auch mit privaten Problemen wendet, deutlich. „Es ist richtig schwierig, wenn MitarbeiterInnen zu mir kommen, die mit einer Lohnpfändung leben und deshalb umso mehr auf ihren gesamten Lohn angewiesen sind.“
GPA-djp-Expertin Anita Palkovich hofft, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Handel sich auf Dauer in Grenzen halten: „Es muss aber Konjunkturmaßnahmen geben, damit der Handel sich in allen Bereichen stabilisieren kann.“ Dazu zählt auch der versprochene Corona-Tausender. Denn gerade viele Teilzeitbeschäftigte würden von ihm profitieren und das Geld direkt in den Konsum investieren. Davon profitiert wieder der Handel.