Kollektivvertrag: Gute Ergebnisse ohne lange Arbeitszeiten

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Die Lohn- und Gehaltsverhandlungen im Herbst 2018 stehen unter einem besonderen Vorzeichen. Während die Wirtschaft aufgrund der hohen Produktivität der ArbeitnehmerInnen boomt, verschlechterte die Regierung auf Bestellung der Industrie die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten – das hat Auswirkungen auf alle Verhandlungen.

Den Auftakt für die sogenannte Herbst-Lohn- und Gehaltsrunde macht wie jedes Jahr die Metallindustrie. Am 20. September 2018 wurde von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE und der GPA-djp das Forderungsprogramm für die etwa 192.000 Beschäftigten übergeben. Die Gewerkschaften verweisen in ihrer Forderung nach einer Lohn- und Gehaltserhöhung um 5 Prozent bzw. einen Mindestbetrag von 100 Euro auf die aktuelle Hochkonjunktur. Insbesondere in der Metallindustrie sprudeln derzeit die Gewinne. Das Wirtschaftswachstum wird heuer laut Prognosen bei 3,2 Prozent liegen. Die Produktivität, das ist die Wertschöpfung pro Beschäftigtem, ist in der Metallindustrie sogar um 6 Prozent gestiegen. „Die Zahlen beweisen, dass wir in Österreich hoch motivierte und sehr produktive Beschäftigte haben, die diese Ergebnisse unter dem bisher gültigen Arbeitszeitgesetz möglich gemacht haben. Die Verschlechterungen, welche die Bundesregierung handstreichartig und ohne Diskussion im Juni im Parlament beschlossen hat, verschlechtern die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten und stellen somit auch den bisherigen wirtschaftlichen Erfolgsweg in Frage“, erklärt der Chefverhandler der GPA-djp Karl Dürtscher.

Schieflage im Kollektiv­vertrag korrigieren
Weil das neue Arbeitszeitgesetz alle Branchen trifft, haben alle Gewerkschaften innerhalb des ÖGB erstmalig am 18. September 2018 eine KV-VerhandlerInnenkonferenz abgehalten, um einen Forderungskatalog zu erstellen, der auf die spezifischen Gegebenheiten in jeder Branche Bezug nimmt. „Genau das macht die Regierung nicht. Sie macht mit ihrem Gesetz keinen Unterschied und fährt über alle Bereiche drüber“, betonte der Präsident des ÖGB Wolfgang Katzian im Rahmen der Konferenz. Die Ebene zur Gestaltung der Arbeitszeit müsse weiterhin der Kollektivvertrag und die Mitsprache des Betriebsrates sein. Deshalb fordert der ÖGB auch in jeder Branche gesonderte Verhandlungen zum Thema Arbeitszeit, um die negativen Wirkungen des Gesetzes abzufedern.

„Es geht uns nicht darum, die KV-Verhandlungen zu politisieren. Durch das Gesetz ist aber eine Schieflage für die Beschäftigten entstanden, die wir korrigieren wollen. Es geht um negative Auswirkungen, es geht um belastende, gesundheitsgefährdende Arbeitszeiten und es geht insbesondere um drohende finanzielle Einbußen“, erklärt Dürtscher.

Konkret fordern wir für die Metallindustrie Rechtssicherheit für die Beschäftigten, wie etwa bei einer 4-Tage-Woche oder bei Ablehnung von Überstunden. Es geht um eine individuelle Wahl­freiheit bei Überstunden, sich diese in Freizeit oder Geld abgelten zu lassen. Das Erreichen einer 6. Urlaubswoche soll für alle deutlich erleichtert werden, und für ArbeitnehmerInnen mit besonders belastenden Tätigkeiten wie Schichtarbeit, Akkord- oder Prämienarbeit soll es eine Verkürzung der Normalarbeitszeit geben, fordern die Gewerkschaften. Hinzu kommen deutlich höhere Zuschläge für die 10. (75 Prozent), 11. und 12. Arbeitsstunde (100 Prozent).

ÖNB-Gouverneur unterstützt
Die Arbeitgeber stellten den Forderungen der Gewerkschaften ein Konzept für einen „zukunftsorientierten“ Kollektivvertrag entgegen, das aber außer Schlagwörtern wie „Fairness“ und „Transparenz“ wenig Konkretes beinhaltet.
Wenig überraschend wurde von den Arbeitgebern die Forderung nach der prozentuellen Gehaltserhöhung als nicht nachvollziehbar dargestellt. Schützenhilfe erhielten die Gewerkschaften von einem, der es wissen muss. Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) Ewald Nowotny bezeichnete die Gewerkschaftsforderungen angesichts der aktuellen Wachstumsraten und einer Inflation von über 2 Prozent als nicht überschießend.

Arbeitszeit auch im Handel ein Thema
Spannung verspricht auch die Kollektivvertragsverhandlung für die etwa 500.000 Beschäftigten im Handel, die am 30. Oktober startet. „Natürlich sind die Arbeitszeit und die konkreten Auswirkungen des Arbeitszeitgesetzes auch bei uns ein Thema“, erklärt die Verhandlerin der GPA-djp Anita Palkovich. „Ohne den Verhandlungen vorgreifen zu wollen, ist etwa die Forderung nach der 6.Urlaubswoche gerade im Handel ein zentraler Punkt. Durch die hohe Fluktuation erreicht in dieser Branche kaum jemand die geforderten 25 Jahre bei einem Arbeitgeber als Voraussetzung für die 6. Urlaubswoche. Bedingt durch den hohen Anteil weiblicher Beschäftigter handelt es sich um eine eklatante Benachteiligung von Frauen“, so Palkovich.
Ein spannender Kollektivvertragsverhandlungsherbst steht auf jeden Fall bevor. „Ob es ein heißer Herbst wird, hängt maßgeblich von den Arbeitgebern ab. Sollten sie null Bereitschaft zeigen, über konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitszeitqualität im Kollektivvertrag zu verhandeln, dann stehen die Zeichen auf Sturm“, so der Bundesgeschäftsführer der GPA-djp Karl Dürtscher.

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