Der Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der AUVA, Erik Lenz, hat schon als Jugendlicher gelernt, was Zusammenhalt bedeutet. Aus den Höhen des Aktionismus führt er die Belegschaftsvertreter der Unfallversicherung derzeit zurück zur Tagesarbeit. Er hat Angst, dass die aktuellen Reformen unser Gesundheitssystem nachhaltig zerstören.
Erik Lenz hat schon in Kindheitstagen erfahren, wie gelebte Solidarität funktioniert. Geboren in der Südsteiermark, übersiedelte der heute 50-Jährige im Alter von neun Jahren nach Hallstatt. In dem verwinkelten Ort waren nicht alle Häuser mit dem Auto erreichbar. Gab es schwere Lasten zu tragen, half die Ortsgemeinschaft zusammen.
Diesen Zusammenhalt wünscht sich Lenz auch für unser Gesundheitssystem. Für jene, die Hilfe benötigen, spiele es keine Rolle, aus welchem Geldtopf die Mittel stammen. Das Argument, dass die AUVA, die ausschließlich aus Dienstgeberbeiträgen gespeist wird, über die Behandlung von Freizeitunfällen die Krankenversicherung subventioniert, lässt Lenz nicht gelten: „Viele orthopädische Leiden oder Krebserkrankungen sind unmittelbare Folgen einer beruflichen Belastung. Für die Behandlung dieser arbeitsbedingten Erkrankungen trägt die Krankenversicherung die Kosten, weil die AUVA über einen Großteil dieser Krankheiten gar nicht informiert wird. Ein Teil davon wären aber Berufskrankheiten, die an die AUVA zu melden wären und für die es Leistungen der Unfallversicherung geben würde. Sehr häufig kommt das bei beruflich verursachten Krebserkrankungen vor.“ Für die Arbeitgeber sei das eine Okkasion.
Einsparungen bei der AUVA
In der aktuellen Diskussion um Einsparungen innerhalb der AUVA vermisst Lenz, der 2007 das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung abgeschlossen hat, das gesamtwirtschaftliche Denken: „Die Regierung interessiert sich nur für kurzfristige betriebswirtschaftliche Effekte, volkswirtschaftliche Zusammenhänge werden völlig außer Acht gelassen. Man ist nicht an Einsparungen interessiert, sondern einzig an der Reduktion der Einzahlungen.“ Bei einem Gespräch mit der Gesundheitsministerin haben die BetriebsrätInnen daher ein Konzept vorgelegt, das einen jährlichen Nutzen von drei Milliarden Euro bringen würde, wenn man den Beitragssatz der AUVA bei 1,3 Prozent belassen und das Geld in die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten stecken würde. Das wären wesentlich höhere Einsparungen, als die aktuell diskutierte Beitragskürzung in Höhe von 500 Millionen Euro, die nur dem Gesundheitssystem entzogen werden sollen.
„Die Regierung interessiert sich nur für kurzfristige betriebswirtschaftliche Effekte, volkswirtschaftliche Zusammenhänge werden völlig außer Acht gelassen.“
Unternehmensberater für Arbeitsplatzsicherheit
Lenz weiß wovon er spricht, hat er sich doch zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn intensiv mit dem Thema Unfallverhütung auseinandergesetzt. Nach der HTL für Holztechnik und Innenausbau und einem kurzen Intermezzo als Musiker (Saxophon und Klarinette) in Salzburg, verbrachte er knappe sieben Jahre in verschiedenen Betrieben der Holzindustrie – vom Techniker bis zum Bauleiter. 1996 heuerte er in der AUVA an und war im Außendienst für die Unfallverhütung in den holzverarbeitenden Betrieben und in der Forstwirtschaft zuständig. Den langfristigen Nutzen von Prävention zu erklären, war sein Geschäft: „Ich war eine Art Unternehmensberater für Arbeitssicherheit“.
Der scharfe Blick für die Kernprobleme kommt dem verheirateten Naturliebhaber, der trotz umfassender beruflicher Verpflichtungen in Wien wann immer es geht ins ländliche Zuhause im oberösterreichischen Lambach pendelt, auch heute zugute. In der aktuellen Krise ist Lenz fokussiert: „Zu Jahresbeginn, als die Einsparungspläne durchgesickert sind, haben wir informiert, mobilisiert und kampagnisiert.“ Nach gewaltiger Mobilisierung und spürbarem Aufwind innerhalb der Belegschaft geht es nun zurück zum Tagesgeschäft. „Wir müssen schauen, welche Auswirkungen die geplanten Gesetzesänderungen auf die Arbeitsverträge der KollegInnen haben“, präzisiert Lenz.
2010 wurde Lenz Betriebsratsvorsitzender in der AUVA Landesstelle in Linz. Er betreute rund 160 Beschäftigte und übte parallel dazu seinen Job in der Präventionsabteilung aus. Im Mai 2017 übernahm er den Vorsitz des Zentralbetriebsrates in der AUVA und ist damit zuständig für alle Dienststellen und Einrichtungen der Unfallversicherung. Diesen großen beruflichen Umbruch besprach er mit seiner Frau Susi, von Beruf Psychologin. „Veränderungen für das Familienleben waren zu erwarten. Wir haben uns ein Wochenende lang Zeit genommen, um Vor- und Nachteile zu diskutieren.“ Nun vertritt Lenz die Interessen von rund 6.000 Beschäftigten – medizinischem Personal, Verwaltungsangestellten und ArbeiterInnen in sieben Unfallkrankenhäusern, vier Rehabilitationszentren und fünf Verwaltungseinrichtungen der AUVA in ganz Österreich.
Coaching und Supervision
Wichtig ist ihm, die KollegInnen im Betriebsrat gut und gesund durch die Unternehmenskrise zu bringen: „Wir haben ein Sicherheitsnetz aufgebaut, das entlastet. Im Falle, dass der Druck zu groß würde, sollten Vertretungsregelungen und die Möglichkeit von Coaching und Supervision zur Verfügung stehen.“ Die Arbeit im Team beschreibt Lenz als fruchtbar und gewinnbringend, seinen KollegInnen bringt er sehr viel Wertschätzung entgegen: „Ich habe ein extrem gutes und motiviertes Team an BetriebsrätInnen, eine gute Mischung aus jungen KollegInnen und erfahrenen Persönlichkeiten.“
„Das Damoklesschwert der Privatisierung hängt über uns, gewinnbringende Teile sollen herausgelöst werden, die Versorgung für die Allgemeinheit wird zurückgefahren.“
Aktuell fürchtet Lenz, dass das gut funktionierende Gesundheitssystem zerschlagen und profitable Teile an private Betreiber ausgelagert werden sollen: „Das Damoklesschwert der Privatisierung hängt über uns, gewinnbringende Teile sollen herausgelöst werden, die Versorgung für die Allgemeinheit wird zurückgefahren“, befürchtet Lenz. Die Gefahr sei, dass die Menschen Verschlechterungen immer erst spürten, wenn es zu spät sei. „Wenn eine Versorgungsstruktur zerschlagen wird, geht das Know-how verloren. Nach der vergangenen Beitragssenkung wurde die Verbrennungsstation im Unfallkrankenhaus Linz geschlossen, obwohl es einen Bedarf für die Verletzten gibt. Nun sind die Kompetenzen weg, die Erfahrung ist weg, das Fachpersonal ist weg“, veranschaulicht Lenz. Kraft schöpft Lenz aus der Familie und der unberührten Natur: beim Fliegenfischen oder bei ausgedehnten Spaziergängen mit seinem jungen Golden Retriever. Jetzt hat er Angst um die Versorgungssicherheit: „Wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt – in zwei Jahren werden wir darüber reden, wie gut es war.“