Die GPA-djp hat gemeinsam mit dem Betriebsrat des Roten Kreuzes den Kampf um die nachträglich korrekte Abrechnung von Überstunden für 170 MitarbeiterInnen der Blutspendezentrale im vierten Wiener Gemeindebezirk gewonnen. Es geht um Nachzahlungen von insgesamt mehr als einer Million Euro.
Gertrude Bauer, die bei keiner Ungerechtigkeit wegsehen kann, ist seit 1991 in der Blutspendezentrale im Österreichischen Roten Kreuz als diplomierte Krankenschwester beschäftigt. 1997, nachdem sie zur Betriebsrätin gewählt wurde, ist sie der GPA-djp beigetreten. Ihr Credo lautet: „Nur ein gut organisierter Betriebsrat kann etwas erreichen.“
In der Blutspendezentrale werden verantwortungsvolle Tätigkeiten abgewickelt. Viele Angestellte fahren mit dem Blutspendebus ins Land, andere nehmen das Blut stationär ab, konservieren es und verteilen rund um die Uhr Blutprodukte an die Wiener Spitäler und müssen auch die Sicherheit im Kühlraum handhaben. Gewerkschaftliche Betätigungsfelder gibt es da genug. „Am Standort arbeiten über 400 Angestellte in verschiedenen Bereichen. Viele arbeiten Teilzeit oder sind alleinerziehend und haben Angst davor zu sagen: Gebt mir das, was mir zusteht!“, erklärt Bauer, warum es sich lohnt, für die anderen zu kämpfen.
Seit Juni 2018 agiert Bauer als Betriebsratsvorsitzende des Roten Kreuzes, von 2014 an war sie stellvertretende Vorsitzende und hat in dieser Funktion mitgeholfen, mit der GPA-djp einen großen Erfolg für 170 MitarbeiterInnen zu erringen. Zwischen 2005 und 2014 hat ihnen das Rote Kreuz zu wenige Überstunden ausbezahlt und später die bereits anerkannten Ansprüche trotz gerichtlichen Urteils verschleppt. Die Ansprüche der betroffenen MitarbeiterInnen machen mehr als eine Million Euro aus.
Andere Durchrechnung
Bereits 2008 erkannten Bauers KollegInnen im Betriebsrat, dass die Überstundenabrechnungen nicht korrekt waren: Statt einer täglichen Berechnung wurde ein einmonatiger Durchrechnungszeitraum herangezogen. Als Rechtfertigung benutzte das Unternehmen eine Betriebsvereinbarung von 1984. „Mir war rasch klar, dass das finanziell eine ordentliche Dimension haben muss“, so Bauer.
Im Sommer 2009 bot das Rote Kreuz allen Betroffenen einen Vergleich an. Die gebotenen Summen betrugen, je nach Stundenverpflichtung des Mitarbeiters, maximal drei Monatsgehälter und lagen damit teils erheblich unter den tatsächlichen Ansprüchen. Dennoch haben rund 100 Betroffene den Vergleich angenommen, etliche verließen das Unternehmen oder gingen in Pension. Es blieben rund 70 Angestellte mit offenen Ansprüchen aus den Jahren 2010 bis 2014 übrig.
GPA-djp-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher war in die weiteren Verhandlungen persönlich stark involviert. 2010 traf er eine Vereinbarung mit den Generalsekretären des Roten Kreuzes, in der man sich darauf einigte, die Höhe der Ansprüche in einem Musterverfahren gerichtlich klären zu lassen. Als dann 2014 feststand, dass Überstunden nachgezahlt werden müssen, stellte sich die Organisation auf den Standpunkt, dass nur die ausständigen Gelder der letzten drei Jahre nachbezahlt würden. „Unsere Vereinbarung, dass auf einen Verjährungseinwand verzichtet wird, wurde außer Acht gelassen“, kritisiert Dürtscher und ärgert sich über den schwierigen Prozess der weiteren Rechtsdurchsetzung: „Es ist schändlich, dass hier versucht wurde, sich auf dem Rücken der MitarbeiterInnen Geld zu ersparen und dafür hohe Anwalts- und Gerichtskosten in Kauf genommen wurden. Das ist einer NGO unwürdig.“
Dürtscher weiß es zu schätzen, dass sich Anwalt Thomas Majoros im Auftrag der GPA-djp unermüdlich für die Beschäftigten eingesetzt hat: „Er hat sich sehr stark für die erfolgreiche Klagsdurchsetzung engagiert.“
Trotzdem die Ansprüche der Beschäftigten vom Gericht bestätigt wurden, zahlte das Rote Kreuz die ausstehenden Überstunden nämlich nicht freiwillig aus, sondern ließ es auf Einzelfallklagen ankommen. Bis dato wurden bereits 20 Verfahren zugunsten der Beschäftigten (Pensionisten und Ausgetretene inkludiert) entschieden und die Ansprüche in voller Höhe ausbezahlt – die Verjährung wurde außer Acht gelassen. Weitere 50 Verfahren sind noch anhängig.
Rotes Kreuz unkooperativ
Die Ansprüche auf die nicht ausbezahlten Überstunden mussten von den Beschäftigten vor Gericht bewiesen werden. Bei der Feststellung der Stunden war das Unternehmen den ArbeitnehmerInnen nicht behilflich. „Lohnzettel wurden kein zweites Mal ausgestellt, weil es dazu keine gesetzliche Verpflichtung gibt. MitarbeiterInnen, die ihre Stundenzettel und Gehaltsabrechnungen nicht aufgehoben haben, konnten so ihre Ansprüche nicht mehr nachweisen“, erklärt Bauer. Auch die Berechnungen über die ausständigen Überstundenzahlungen wollte das Unternehmen nicht durchführen. Bauer hat rund 50 Berechnungen in stundenlanger Kleinarbeit auf Basis der Lohn- und Stundenzettel der KollegInnen selbst durchgeführt und für den ehrenamtlichen Einsatz im Rahmen ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit von ihrem Ehemann den Spitznamen „sozialer Kasperl“ verliehen bekommen. Der Aufwand hat sich ausgezahlt, zahlreiche MitarbeiterInnen haben ansehnliche Summen nachgezahlt bekommen, Bauer selbst bekam mehr als 32.000 Euro brutto als Nachzahlung.
Neue Mitglieder
Die Betriebsratsvorsitzende ist stolz darauf, dass so viele KollegInnen den Klageweg beschritten haben und damit letztlich Erfolg hatten. „Es ist nicht selbstverständlich, in einem aufrechten Dienstverhältnis einen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber bis zum Ende durchzuziehen.“ Der aktuelle Fall habe das Verständnis für die Bedeutung eines hohen, gewerkschaftlichen Organisationsgrades innerhalb der Belegschaft gestärkt. „Bei meinen Touren durch die Abteilungen musste ich nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten – oft hatte ich in fünf Minuten ein neues Mitglied gewonnen“, erzählt Bauer, die in ihrer Arbeit von sieben weiteren BetriebsrätInnen unterstützt wird. Bildung ist für sie der Schlüssel zur erfolgreichen Unterstützungsarbeit: „Seit ich die Gewerkschaftsschule begonnen habe, sehe ich besser, was bei uns alles im Argen liegt.“
Bauer ist in ihrer betriebsrätlichen Tätigkeit erst zufrieden, wenn sie eine Verbesserung erreicht hat. Sollten ihr die dienstlichen Belastungen und Probleme dennoch einmal über den Kopf wachsen, sucht sie den Ausgleich im Sport: „Ich trainiere für den Halbmarathon. Beim Laufen kann ich gut abschalten.“
Seit 2014 rechnet das Rote Kreuz die Überstunden tagesaktuell ab. Auf der Hut bleibt Bauer dennoch: „Ich fürchte mich nicht davor, mich für andere einzusetzen.“