„Betriebsräte, steht auf und sprecht mit euren Leuten!“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Primark-Betriebsrätin Rita Forstner will allen Beschäftigten des G3 Shopping Centers klar machen, warum es Sinn macht, Gewerkschaftsmitglied zu sein.

Gespräche auf Augenhöhe schätzt sie ebenso wie den familiären Umgangston zwischen Führung und Angestellten im Konzern. Aufgrund unterschiedlicher Standpunkte können bei Verhandlungen schon auch mal die Fetzen fliegen.

Geplant hat Rita Forstner ihre Karriere als Betriebsrätin bei Primark nicht. Als sie 2012 arbeitslos war und sich bewarb, war ihr das britische Unternehmen gänzlich unbekannt. Doch bereits während der vierwöchigen Einarbeitungszeit in zwei verschiedenen Stores in Deutschland zeichnete sich ab, dass Forstner von ihren KollegInnen als Ansprechpartnerin gesucht wird. „Da hat es begonnen. Wir waren elf neue MitarbeiterInnen, wenn jemand etwas gebraucht hat, ist er zur Rita gegangen“, erzählt die engagierte 51-Jährige. Auch während der Store im G3 Shopping Center in Gerasdorf im Oktober 2012 befüllt wurde und nach der Eröffnung des Geschäftes ist es so weitergegangen: „Frag doch die Rita, sie weiß sicher Bescheid“, meinten viele KollegInnen. Nach ein paar Monaten wurde Forstner immer häufiger gefragt, ob sie dazu bereit wäre, als Betriebsrätin zu kandidieren.

Ein Guter Start

Zu Beginn war nicht klar, wie das Unternehmen auf die Gründung eines Betriebsrates reagieren würde. „Ich habe mit Werner Rochlitz von der GPA-djp gesprochen, ihn abseits des Geschäftes getroffen, um auszuloten wer bei der Betriebsratsgründung dabei sein würde und wie alles ablaufen sollte.“ Viele MitarbeiterInnen wollten mittun, allen war klar, dass es möglicherweise zu Kündigungen kommen könnte. Da hat Forstner Verantwortung übernommen: „Ich bin als Spitzenkandidatin ins Rennen gegangen, weil ich riskieren konnte, den Job zu verlieren. Ich habe ein gesundes soziales Umfeld zu Hause, und wir waren uns einig, dass es keine Alleinerzieherinnen treffen sollte.“

Die Listengründung stieß dann auf weniger Widerstand als befürchtet, es gab volle Unterstützung seitens des Unternehmens. „Niemand hat uns schief angeschaut, bei der Kundmachung waren das Management und die Storeleitung anwesend. Wir hatten einen guten Start“, erzählt Forstner.

„Ich bin als Spitzenkandidatin ins Rennen gegangen, weil ich riskieren konnte, den Job zu verlieren.“

Rita Forstner


Forstner hatte viel gewagt und wurde belohnt. „Alles hat toll funktioniert, ich habe viele Basiskurse besucht und schnell verstanden, wie Arbeitnehmervertretung funktioniert“, erzählt die freigestellte Betriebsrätin. Mittlerweile agiert Forstner mit ihrem Team sechs Jahre lang: „Es gibt bei uns nur eine Liste, da machen sechs bis sieben Frauen mit – das war nicht so geplant, es hat sich einfach ergeben.“

Ein gemischter Haufen

Die Tätigkeit als Betriebsrätin beschreibt Forstner als von Beginn an abwechslungsreich und vielfältig: „Wir waren ein sehr gemischter Haufen von teilweise bis zu 200 verschiedenen Nationalitäten.“ Zu Beginn galt es, bis zu 500 MitarbeiterInnen zu vertreten, nun hat sich die Zahl der Angestellten auf 250 stabilisiert – 80 davon arbeiten Vollzeit, der Rest ist teilzeitbeschäftigt.

Primark hat an allen fünf Standorten in Österreich einen eigenen Betriebsrat, manches wird auch österreichweit zwischen den Vorsitzenden besprochen, um dann in gemeinsame Verhandlungen zu gehen. „Wir treffen uns oder stimmen uns vorab am Telefon ab.“
Auch nach einer schweren Erkrankung und einem Dauerkrankenstand ließ sie das Unternehmen nicht fallen: „Alle haben sich nach meinem Befinden erkundigt. Das Willkommen bei meiner Rückkehr in den Betrieb war ehrlich herzlich bis hinauf zur Geschäftsführung – ich war gerührt.“ Auch andere KollegInnen würden beim Wiedereinstieg, etwa nach einer Babypause, vom Unternehmen sehr unterstützt: „Primark verhält sich enorm sozial und familienfreundlich, wir sind wie eine große Familie. Im Konzern sind alle per Du miteinander, Geschäftsführer und Flächenmitarbeiter sprechen sich mit dem Vornamen an.“

Verhandeln auf Augenhöhe

Auch in den notwendigen Verhandlungen habe sich die Geschäftsleitung immer fair, respektvoll und gesprächsbereit gezeigt: „Wir haben seit jeher viel zu besprechen gehabt, teilweise fliegen in den Verhandlungen die Fetzen, es waren aber immer Gespräche auf Augenhöhe“, respektiert Forstner, dass Abgrenzungen zwischen Beschäftigten und Management notwendig sind. „Das ist nie böse gemeint, die Standpunkte sind eben oft verschieden. Wir suchen nach Lösungen, mit denen wir alle leben können und haben auf diese Art schon viel erreicht. Die Geschäftsführung ist niemals einfach aufgestanden und hat die Verhandlungen beendet, obwohl wir als Betriebsräte bei einigen Themen naturgemäß stur geblieben sind.“ Wichtig sei, dass die Argumente der Belegschaftsvertreter gehört würden.

Damit kommt Forstner zu ihrem Herzensanliegen, das eng in Zusammenhang mit den aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen im Handel steht: der Organisationsgrad in der Branche. „Das große und aktuelle Thema hinter allem bleibt für mich die Stärke der Gewerkschaft. Mein Ziel ist es, am Standort G3 eine 100-prozentige Mitgliedschaft zu erreichen. Daran arbeite ich“, so die kämpferische Betriebsrätin. In unzähligen Einzelgesprächen hat sie vielen MitarbeiterInnen erklärt, dass eine Vertretungsorganisation nur so stark sein kann, wie ihre Mitglieder sie machen und den Organisationsgrad der Beschäftigten im Shopping Center von drei auf 25 Prozent erhöht. „Man muss den Leuten erzählen, wie schwierig die Kollektivvertragsverhandlungen sind, welche Probleme auftauchen und warum es Sinn macht, sich zu engagieren.“

Größte Gewerkschaft

Forstner ist klar, welche Bedeutung die Branche hätte, wenn ein Gutteil der fast 600.000 Handelsangestellten in Österreich gewerkschaftlich organisiert wäre: „Wir wären die größte Gewerkschaft in Österreich. Aber wenn die Leute nicht zur Gewerkschaft gehen, befürchte ich, dass wir unseren Kollektivvertrag verlieren könnten. Ich möchte den Menschen bewusst machen, dass die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht von allein passieren, sondern auf Betreiben der Gewerkschaften.“ Die wenigsten wüssten, dass die Ansprüche für das 13. und 14. Gehalt in den Kollektivverträgen verankert seien.

Betriebsräte, steht auf und sprecht mit euren Leuten“, betont Forstner die Wichtigkeit von Aufklärung. Je mehr Mitglieder wir haben, desto ernster werden wir von den Arbeitgebern genommen. „Ich habe mehrmals die Forderung gehört, dass die Betriebsräte selbst mit den Unternehmen Verhandlungen führen sollten, wenn Gehaltserhöhungen erwünscht sind. Das wäre eine dramatische Schwächung der Arbeitnehmerposition.“ Als einheitliche Vertretung könne man viel besser argumentieren: „Der Handel hat im vorigen Jahr 565 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Für die Unternehmer bedeutet dies eine 15-prozentige Gehaltserhöhung – und die kleinen Angestellten wollten sie mit 1,9 Prozent abspeisen.“

„Macht Betriebsversammlungen, sammelt Unterschriften und unterstützt die Gewerkschaft. Wir brauchen jedes einzelne Mitglied, damit wir etwas erreichen können“, nimmt Forstner alle BetriebsrätInnen in die Pflicht.

Zur Person:

Rita Forstner ist 51 Jahre alt, in Gmünd geboren und seit 32 Jahren verheiratet. Sie hat einen erwachsenen Sohn und eine Tochter sowie vier Enkelkinder, die sie heiß und innig liebt. Nach dem Lehrabschluss als Friseurin absolvierte sie weitere Ausbildungen als Floristin, Heilmasseurin und Heimbademeisterin sowie als Bürokauffrau.

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