Trautes Home-Office

Julia Bock-Schappelwein ist Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Im KOMPETENZ-Interview erklärt sie, warum besonders Frauen von der Corona-Krise hart getroffen werden.
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Folgen der Corona-Pandemie sind extrem einschneidend. Vor allem Frauen müssen die Lasten tragen, sowohl beruflich als auch privat.

Mitte März veränderte die COVID-19-Pandemie das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auf radikale Weise. Der so genannte „Lockdown“ nicht-systemrelevanter Wirtschaftsbereiche, etwa Universitäten, Schulen, Lokale und Restaurants sowie der meisten Geschäfte – und die zumindest kurzfristige Unterbrechung der Bautätigkeit –, sorgte für Turbulenzen in unser aller Leben. Die gegenwärtige Krise trifft Arbeitskräfte in beinahe allen Wirtschaftsbereichen: von Dienstleistungen über Teilbereiche der Sachgütererzeugung bis hin zum Bauwesen. Ende April waren mehr als 570.000 Menschen in Österreich arbeitslos. Zum Vergleich: im April 2019 waren es rund 360.000. Dazu kommen noch 1,2 Millionen Menschen, die derzeit Kurzarbeit verrichten.

Frauen meistern die Krise

„Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus trafen insbesondere die frauendominierten Branchen hart“, erklärt Julia Bock-Schappelwein, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Gerade Wirtschaftszweige mit mehrheitlich weiblichen Beschäftigten – u.a. Beherbergungsbetriebe, Gaststätten, Friseursalons und weite Teile des Einzelhandels (ausgenommen Lebensmittel, Apotheken, etc.) – bauten MitarbeiterInnen ab. Und nicht, wie so oft, allein die schlechter Qualifizierten: „Vom Job-Abbau sind durchaus viele Frauen mit Matura, höherer kaufmännischer Ausbildung oder FH-Abschuss betroffen, während es bei den Männern etwa in der Baubranche eher geringer Qualifizierte sind“, weiß die Expertin.

„Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus trafen insbesondere die frauendominierten Branchen hart“

Julia Bock-Schappelwein

Zudem hat sich in den letzten 10 Jahren die Zahl der selbstständig erwerbstätigen Frauen um ein Fünftel erhöht, 60 Prozent von ihnen arbeiten als Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Ob sie in der Regel freiwillig Unternehmerinnen sind, ist oft zu bezweifeln, denn sie verdienen weniger als die  unselbstständig beschäftigten Frauen derselben Branche. Der „Lockdown“ könnte diese Entwicklung noch verschärfen, die geringe soziale Absicherung die unsichere wirtschaftliche Lage noch deutlich verschlechtern.

Julia Bock-Schappelwein: Während bei den Männern eher gering Qualifizierte arbeitslos geworden sind, seien es bei den Frauen, durchaus auch Personen mit höherer Ausbildung.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Systemrelevanter Faktor Frau

Derzeit weiterhin einen hohen Bedarf an weiblicher Arbeitskraft haben systemrelevante Branchen wie Lebensmittelhandel oder Gesundheitswesen. Doch hier sind Frauen besonders großer Belastung ausgesetzt: Überstunden und Stress sind die Folgen. Sie (und die männlichen Kollegen) gelten derzeit als HeldInnen des Alltags – ob deshalb in Zukunft auf bessere Entlohnung gehofft werden darf, ist allerdings höchst zweifelhaft.

Die COVID-19 bedingte Empfehlung der Bundesregierung, die Arbeit ins aktuell viel diskutierte Home-Office zu verlagern, bringt viele Frauen an ihre Belastungsgrenzen. Die abrupte Schließung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder, der daraus resultierende Heimunterricht sowie die Beschäftigung mit den Kleineren zeitgleich mit den Anforderungen im Job und dem Haushalt rundherum, verlangt den Frauen Höchstleistungen ab. Die schon zuvor zwischen den Geschlechtern – immer noch – ungleich verteilten Aufgaben, müssen nun wieder die Frauen schultern.

Die unbezahlte  Hausarbeit und Kinderbetreuung in Österreich wird zu rund zwei Drittel von Frauen geleistet. Die letzten Zahlen dazu wurden 2009 im Rahmen einer Studie erhoben: damals ergab sich eine Summe von neun Milliarden Stunden an unbezahlter Hausarbeit und Kinderbetreuung pro Jahr, umgerechnet entsprach das etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in jenem Jahr. Übrigens: in besser verdienenden Haushalten leisten die Männer kein Mehr an Hausarbeit. Die Arbeitsleistung wird einfach dazu gekauft, zumeist von anderen Frauen, die u.a. als Putzhilfen oder Nannys angeheuert werden. Von staatlicher Seite aus betrachtet, sind es die Kindergärtnerin oder die Lehrerin

An Herd und Computer

Die derzeitige Rückkehr der Frauen ins traute Heim und „an Herd und Computer“ – hat ihre Situation keineswegs verbessert. Wie das Austrian Corona Panel Project (https://viecer.univie.ac.at/) – eine nun in regelmäßigen Abständen durchgeführte Online-Befragung der Uni Wien – zeigt, gibt es bei den österreichischen Frauen derzeit einen deutlichen Rückgang an Lebenszufriedenheit. Laut einer SORA-Umfrage im Auftrag des Momentum Instituts tragen während der Corona-Krise 42 Prozent der Mütter (und nur 23 Prozent der Väter) die Hauptverantwortung in der Kinderbetreuung. Etwa 64 Prozent der daheim werkenden Väter gaben an, ihre Kinder währenddessen zu betreuen, bei den Müttern waren es sogar 75 Prozent. Immer öfter verschieben Eltern wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten die eigenen Arbeitszeiten auf das Wochenende, den Abend oder gar die Nacht. Bis hin zur Reduktion der Erwerbsarbeit – ein Schritt, den häufiger Mütter gehen.

Gleichzeitig wird der finanzielle Druck immer stärker. Wer schon vor der Krise wenig Geld hatte, hat jetzt noch weniger – das gilt insbesondere für Alleinerziehende, Menschen mit geringer formaler Bildung oder mit Migrationshintergrund. Vor allem Frauen aus ärmeren Schichten verrichten besonders viel unbezahlte Arbeit. Für sie ist es eine (gar nicht so) „neue“ unmittelbare Doppelbelastung und gefühlte 24-Stunden-Schichten im Krisenmodus. 

„Die Krise zeigt die Nachteile der Geschlechterstereotypen bei der Verteilung und Bewertung der bezahlten wie unbezahlten Arbeit auf“

Julia Bock-Schappelwein

Sozialleistungen gleichen aus

Die Ökonomin Julia Bock-Schappelwein sieht in der raschen Öffnung von Kinderbetreuung und Schulen – und mittelfristig im Ausbau der Betreuungsinfrastruktur – die zentrale Voraussetzung für „eine Weiterentwicklung der Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt“. Daneben soll es einen Transfer von Sozialleistungen geben. Egal ob Geld- oder Sachleistung, das unterste Einkommensdrittel profitiert davon.

„Die Krise zeigt die Nachteile der Geschlechterstereotypen bei der Verteilung und Bewertung der bezahlten wie unbezahlten Arbeit auf“, erklärt die WIFO-Expertin. „Instrumente wie gendergerechte Mittelverwendung und Gleichstellungsförderung sollten eine neue Bedeutung gewinnen.“

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