Sonnen- und Schattenseiten

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Viele Unternehmen haben im Zuge der Coronakrise gesehen, dass die MitarbeiterInnen im Home-Office ebenso effizient arbeiten können wie im Betrieb. Doch für die Beschäftigten ergeben sich aus dieser Arbeitssituation nicht nur Vorteile.

Home-Office ist seit dem Shutdown zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus Mitte März in aller Munde. Viele, die schon vor Ausbruch der aktuellen Pandemie den Großteil ihres Arbeitstages am Schreibtisch und vor einem Computer verbrachten, wurde nun per Regierungsempfehlung vom Arbeitgeber gebeten, zu Hause zu arbeiten. Rasch waren neue Tools etabliert: von der morgendlichen Teambesprechung via Zoom bis zur Möglichkeit, auch von zu Hause aus auf für die Arbeit nötige Daten zuzugreifen. Aus Unternehmenssicht lief das in vielen Fällen sehr rasch sehr gut. Doch wie sieht das aus der Perspektive der Beschäftigten aus?
Wie eine IFES-Befragung von 2.200 Personen im April im Auftrag der Arbeiterkammer Wien zeigte, nutzten 42 Prozent der Befragten die Möglichkeit des Home-Office. Von jenen, die dies nicht taten, war es 82 Prozent in ihrem Beruf überhaupt nicht möglich, dies zu tun.
Hoch war die Anzahl der von zu Hause aus Arbeitenden in den Bereichen Telekommunikation, IT und Medien, hier werkten ab Mitte März in mehr als zwei Drittel der Unternehmen so gut wie alle Beschäftigen im Home-Office. Weit weniger wurde dagegen naturgemäß in Industrie, Gewerbe und Produktion von zu Hause aus gearbeitet.

Ungestörter Arbeiten

Manches wurde von den nun im Home-Office Tätigen als angenehmer als bei der Arbeit im Betrieb empfunden. So gaben 56 Prozent der Befragten an, sie könnten im Home-Office ungestörter arbeiten als im Betrieb. Auch die Auswirkung des von zu Hause Werkens auf die Arbeitszufriedenheit war insgesamt hoch, 58 Prozent bezeichneten sie als sehr oder etwas positiv. Für 49 Prozent war die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten, zu Hause höher als im Betrieb, 43 Prozent gaben hier „weder noch“ an.

„Wenn der Dienstgeber nun auf die Idee kommt, auf Grund der guten Erfahrungen mit dem Home-Office noch mehr an Platz zu sparen, dann wird man als Betriebsrat gefordert sein.“

Julia Böhm, Betriebsrätin bei der Erste Bank

Doch die Umfrage förderte auch Schattenseiten zu Tage: Während viele vom Arbeitgeber mit Notebooks ausgestattet wurden (66 Prozent), bekamen nur neun Prozent einen ergonomischen Schreibtischsessel zur Verfügung gestellt und lediglich 13 Prozent einen Drucker. Die klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit gelingt 66 Prozent der Befragten im Betrieb besser, für 56 Prozent ist auch das Abstimmen von Arbeitsaufträgen mit KollegInnen und Vorgesetzten im Unternehmen leichter.

Die Umfrage spiegelt im Wesentlichen wieder, was auch Julia Böhm – sie ist stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Erste Bank – aus ihren Erfahrungen und einer Umfrage des Betriebsrats zum Arbeiten im Home-Office berichten kann. Die Erste Bank gehört in Österreich zu den Vorreitern in diesem Bereich: Schon 2004 wurde hier eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten abgeschlossen. Seit Jahren können MitarbeiterInnen in vielen Aufgabenbereichen, wenn sie dies wünschen, ein bis zwei Tage in der Woche von zu Hause aus tätig sein. Mit der Coronakrise arbeiteten ab Mitte März 95 Prozent der Beschäftigten im zentralen Bereich, aber auch sehr viele der MitarbeiterInnen in den Filialen von zu Hause. „Hier hat sich gezeigt, dass es auch im Filialbetrieb möglich ist, Dinge von zu Hause aus zu erledigen.“

Langfristige Nachteile bedenken

Dennoch meint Böhm: Seitens des Betriebsrats wird keinesfalls empfohlen, dass MitarbeiterInnen nur mehr von zu Hause aus arbeiten. Das sei in der Krisensituation eine gute Lösung gewesen – langfristig gelte es aber Dinge wie den fehlenden Teamaustausch, die Vereinzelung und das entgrenzte Arbeiten zu bedenken. „Man sitzt alleine zu Hause und kriegt viele Infos nicht mit.“ Wenn neue KollegInnen im Unternehmen zu arbeiten anfangen, sei es zum Beispiel wichtig, dass sie eine PatIn, und MentorIn vor Ort hätten. Und grundsätzlich sei der persönliche Austausch etwas, was zwar über Videokonferenz möglich sei, von Angesicht zu Angesicht aber doch besser funktioniere.

Betriebsrat gefordert

Noch eines gibt Böhm zu bedenken: schon jetzt bestehe in der Erste Bank das Desksharing. „Wenn der Dienstgeber nun auf die Idee kommt, auf Grund der guten Erfahrungen mit dem Home-Office noch mehr an Platz, an Flächen zu sparen, dann wird man als Betriebsrat gefordert sein.“ Hier hakt auch Michael Gogola, Jurist in der GPA-djp, ein. „Viele Unternehmen, die sich bisher gegen das Home-Office gewehrt haben, sehen, dass die Leute zu Hause genauso effizient oder unter den passenden Bedingungen möglicherweise sogar effizienter arbeiten als im Betrieb. Da wird dann nachgedacht: Könnte man vielleicht Büroflächen einsparen?“ So werde versucht, einen Teil des wirtschaftlichen Risikos auf die MitarbeiterInnen abzuwälzen. Das betreffe dann auch Fragen wie: Wer kommt für die zu Hause verwendeten Druckerpatronen auf, wer für das Papier, wer zahlt die Internetverbindung, wer kümmert sich um einen ergonomischen Arbeitsplatz? Hier könnte eine Abgeltung in Form einer Pauschale eine Lösung sein.

Betriebsvereinbarung zu Home-Office

In jedem Fall ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen des Home-Office im Betrieb durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden, betont Gogola. Flankierend gibt es aber auch gesetzliche Maßnahmen, die man sich nun, da Home-Office durch die Coronakrise an Zulauf gewonnen habe, genau ansehen müsse. Positiv sei etwa der nun ausgeweitete Unfallversicherungsschutz auch für die Arbeit zu Hause. In seiner derzeitigen Form läuft er mit Jahresende aus, bei einer Verlängerung könnte man vielleicht noch klarer definieren, was in diesem Schutz alles erfasst ist und was nicht.

Aber auch das Thema Arbeitszeit – und deren Aufzeichnung – müsse man sich noch einmal genau ansehen. Die Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit werde im Home-Office erschwert. Anders als im Betrieb muss beim Arbeiten zu Hause nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit notiert werden, nicht aber deren genaue Lage. So kann es auch dazu kommen, dass Ruhezeiten nicht eingehalten werden, weil etwa jemand bis Mitternacht am Schreibtisch sitzt und morgens um sieben Uhr schon wieder. „Da bräuchte es ein objektives System, das garantiert, dass Mindestruhezeiten eingehalten werden.“

Home-Office-Studie von ÖGB und AK
Die AK Wien wollte wissen, wie es den Beschäftigten im Home-Office geht, welche Probleme es gibt, aber auch welche Vorteile es mit sich bringt oder wie es um die technische Ausstattung bestellt ist und hat daher bei IFES eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die gesamten Befragungsergebnisse und einen Überblick über die Schlüsse, die daraus zu ziehen sind, finden Sie auf der Website der Arbeiterkammer unter: www.arbeiterkammer.at/homeoffice

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