„Nicht denen helfen, die am besten vernetzt sind, sondern jenen, die am meisten Unterstützung brauchen“

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Mit einer Diskussionsreihe unter dem Titel „Leben und Arbeiten in Zeiten von Corona“ wird die Gewerkschaft GPA in den kommenden Monaten die politische Debatte um die Corona-Krise begleiten, Analysen liefern und mögliche Perspektiven für Zivilgesellschaft und Gewerkschaften aufzeigen.

Den Startschuss für diese Serie bildete eine Online-Veranstaltung am 14. Dezember 2020 unter dem Motto „Koste es, was es wolle: Heute investieren. Und morgen?“ Drei ÖkonomInnen tauschten sich dabei mit dem Moderator Wolfgang Greif von der GPA-djp Bildungsabteilung über die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Dimensionen von Corona in Österreich aus: Michaela Schmidt, die Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Salzburg, Oliver Picek, Senior Economist des Momentum Instituts und David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung in der Gewerkschaft GPA.

Coronakrise – Wirtschaftskrise

Was verbindet die aktuelle Krise mit vergangenen und worin unterscheiden sie sich? Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise fällt den ÖkonomInnen zufolge außerordentlich umfangreich aus: Bis zu zehn Prozent weniger Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 und 100.000 zusätzliche Menschen, die ihre Jobs verloren haben. Darüber hinaus SchülerInnen, die unter den Schulschließungen leiden und vieles mehr. Oliver Picek vom Momentum Institut sagt, die Auswirkungen seien derart dramatisch, weil die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung schon seit Jahrzehnten schlecht war. Zwar habe die Kurzarbeitsregelung diesmal das Schlimmste am Arbeitsmarkt abfangen können, doch langfristig habe jeder Wirtschaftsaufschwung, nach einem Abschwung, immer noch mehr Arbeitslose „übrig gelassen,“ so der Ökonom.

Anders als normale Wirtschaftskrisen, die durch geänderte Konjunkturzyklen oder in der Finanzwirtschaft selbst entstehen, sei die Coronakrise eine Gesundheitskrise, so David Mum, „die eine flächendeckende Wirtschaftkrise entfaltet hat.“ In der Krise würden unterschiedliche soziale Realitäten hervortreten, die verschiedenen Sicherungsniveaus werden sichtbar: Wer kann ins Home-Office gehen? Wer geht in Kurzarbeit? Wer verliert die Arbeit und rutscht in die Armutsfalle ab?
Seien üblicherweise Tourismus und Konsum in Krisensituationen stabilisierend, sei es diesmal anders: Zwölf Prozent weniger Konsum und massive Einbußen im Tourismus, die Anfang 2021 erst ihren Höhepunkt erreichen werden, erklärte Michaela Schmidt von der AK Salzburg. Immerhin mache Hoffnung, dass Lohnerhöhungen für bisher unterbezahlte systemrelevante Jobs (Stichwort: Pflege) großen Rückhalt haben würden und ein Abbau von Spitalsbetten mittlerweile auch undenkbar wäre.

Finanzspritzen für Unternehmen

Das führte die Diskussion zum Corona-Hilfspaket der Bundesregierung. „Sechs von zehn Euro der Wirtschaftshilfe bis 2024 gehen an Unternehmen und Landwirte“ kritisiert Oliver Picek. Die Regierung imaginiere in der Privatwirtschaft einen Retter, anstatt selbst aktiv zu werden und für die Zukunft langfristig vorzusorgen: In der Pflege, der Bildung, gegen die Klimakrise.
Wirtschaftswachstum alleine kann keines der Probleme lösen, welche durch COVID-19 zutage gebracht wurden. „Wenn wir gesellschaftliche Lösung haben wollen, dürfen wir uns nicht immer auf die Privatwirtschaft verlassen,“ so David Mum. Aktuell passiere exakt das Gegenteil: Die öffentliche Hand ersetze den Unternehmen ihre Ausgaben über den Fixkostenzuschuss, sowie den Großteil ihrer Einnahmen durch den Corona-Hilfsfonds. Die Corona-Hilfen sollten aber nicht denen am meisten helfen, die politisch am besten vernetzt sind, sondern jenen, die am meisten Unterstützung brauchen.
Dabei würden 80 Prozent der gesamten Steuereinnahmen von den ArbeitnehmerInnen bezahlt während nur 10 Prozent von den Unternehmen getragen werden. Werde in der Krise nur in die Privatwirtschaft investiert, aber nicht in die ArbeitnehmerInnen selbst, führe dies langfristig nicht aus der Krise heraus. Ganz im Gegenteil: „Damit macht man sich den Sozialstaat kaputt,“ so Oliver Picek.

Wirtschaft aktiv gestalten

David Mum ist sich sicher: „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen kurz expansiv zu sein und dann lange sparen, wie in den Jahren 2008 und 2009.“ Nach kurzfristigen Investitionen folgten europaweit jahrelange Sparpakete mit dem Ergebnis, dass flächendeckend Sozialleistungen abgebaut wurden und die Arbeitslosigkeit stieg. Diese falsche Strategie habe „die Krisenkosten enorm erhöht.“ Im Gegenteil dazu sehe Michaela Schmidt gerade jetzt den richtigen Zeitpunkt nicht nur langfristig zu investieren, sondern eine Verschuldung auch auf Gemeindeebene zuzulassen. Aufgrund der „historisch niedrigen Zinsen“ sei dies möglich, so die Expertin von der Arbeiterkammer.
Man müsse insgesamt zu einem Staatsverständnis zurückkehren, bei dem der Staat aktiv die Wirtschaft gestaltet und Aufträge vergebe, so Picek. So könnten etwa in der Pflege zehntausende Stellen geschaffen werden, aber stattdessen werde bis jetzt „fast alles staatlich bezahlt, aber privatwirtschaftlich umgesetzt.“
Dringend anstehen würde auch die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, von 55 auf 70 Prozent, um die Gefahr der Verarmung zu reduzieren, so David Mum. Michaela Schmidt machte sich für einen Lastenausgleich über das Steuersystem stark: „Jene mit genug finanziellen Mitteln sollen auch mehr beitragen: Millionärssteuer, Erbschafts- und Vermögenssteuer.“ In diese Richtung wird auch die Arbeit der Gewerkschaft im Jahr 2021 gehen, so der Ökonom Gewerkschaft GPA: Die Forderung nach einer faireren Verteilung von Steuern und von Arbeit.

Am 28. Jänner von 14.00-15.30 geht die Veranstaltungsserie der Gewerkschaft GPA „Leben und Arbeiten in Zeiten von Corona“ in ihre zweite Runde. Dann wird diskutiert: „Besteht die Europäische Union den Corona-Stresstest?“

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