„Verkäuferinnen können nicht ins Home-Office“

Foto: Lisa Lux

Die Coronakrise trifft alle. Sind Frauen tatsächlich noch härter betroffen als Männer (so wie in den Medien kommuniziert)? Diese Frage haben wir Sandra Steiner, der Frauenvorsitzenden der Gewerkschaft GPA gestellt.

KOMPETENZ: Wir haben jetzt den dritten Lockdown hinter uns. Wir wissen mittlerweile zu gut, was das bedeutet: Nach Möglichkeit Home-Office, die Schulen waren geschlossen und die höchste Arbeitslosigkeit seit langem. Wer leidet am meisten unter der Corona-Krise? Trifft die Pandemie tatsächlich Frauen härter als Männer?

Sandra Steiner: Naja – Fakt ist, dass seit der Corona-Krise die soziale Ungleichheit wächst und sie wirkt sich innerhalb der Gesellschaft auch unterschiedlich aus. Lass uns doch einen Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen werfen. Vorweg – die Bildung spielt – wie auch schon vor der Krise – eine große Rolle beim Jobverlust. Und nach wie vor sind Personen mit niedrigerer oder mittlerer Bildung deutlich stärker vom Jobverlust betroffen.
Caroline Berghammer hat sich das Ganze in ihrer Studie „Wer ist von der Krise besonders betroffen?“ genauer angesehen: Dabei ist z.B. herausgekommen, dass die Schere zwischen den verschiedenen Bildungsgruppen unter Frauen stärker aufgeht als unter Männern. Weites hat die Studie gezeigt, dass die Erwerbsarbeit von Personen mit höherer Bildung leichter ins Homeoffice zu verlegen ist – als von Menschen mit niedrigerer bzw. mittlerer Bildung.

KOMPETENZ: Viele Frauen arbeiten aber in Jobs, die man nicht ins Home-Office verlegen kann.

Sandra Steiner: Genau. Was wir nicht vergessen dürfen – Home-Office ist nicht in jedem Beruf möglich – es ist am geeignetsten für Berufe mit überwiegend nicht manuellem Tätigkeitsschwerpunkt oder für Berufe ohne persönlichen Kundenkontakt. Das heißt Menschen mit systemrelevanten Berufen – wie z. B. VerkäuferInnen im Lebensmittelhandel oder die ElementarpädagogInnen – die alle können nicht ins Home-Office gehen.

„Spannend ist auch, dass jede 2. Frau in Österreich den Eindruck hat, dass die Corona-Krise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft hat.“

Sandra Steiner

Wir wissen alle, dass in vielen systemrelevanten Berufen überwiegend Frauen tätig sind. Die bittere Pille dabei ist, dass diese Leistungen aktuell monetär viel zu gering entlohnt werden – und das ist falsch!
Spannend ist auch, dass jede 2. Frau in Österreich den Eindruck hat, dass die Corona-Krise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft hat und dass während der Lockdowns Frauen wieder vermehrt in traditionelle Rollen gerutscht sind.
Zu diesem Ergebnis kam nicht ich – sondern StepStone. Die haben im September 2020 rund 1.900 berufstätige und arbeitssuchende Frauen in ganz Österreich befragt. Mit dem Thema Corona-Krise als Instrument der Gleichstellung hat sich auch der Blog Arbeit-und Wirtschaft auseinandergesetzt. Dort können viele weitere spannende Ergebnisse nachgelesen werden 😉

KOMPETENZ: Laut aktuellen Erhebungen schaut es so aus, dass die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung zu 60 Prozent den Männern und zu 40 Prozent den Frauen zugutekommen.

Sandra Steiner: Die aktuell beschlossenen Wirtschaftshilfen kommen überwiegend den Unternehmen zugute, denn auch die KUA hilft den Unternehmen! Sie können Fachkräfte behalten und müssen diese nicht bei neuerlichem Anlaufen teuer am Arbeitsmarkt zu suchen. Ich glaube, das ist ja für alle ok. Doch wenn wir uns fragen, wer finanziert die Wirtschaftshilfen – in welchem Ausmaß? – dann ist es vielleicht nicht mehr so ok. Denn die Finanzierung der Wirtschaftshilfe erfolgt überwiegend durch ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen aufgrund derer Steuerabgaben.

KOMPETENZ: In der Corona Krise haben wir gesehen, was systemrelevante Berufe sind, nämlich Reinigung, Handel, Pflege. Das sind die Berufe, die aber auch schlecht bezahlt sind und überwiegen von Frauen ausgeführt werden. Lässt sich an diesen strukturellen Gegebenheiten etwas ändern?

Sandra Steiner: Ja, sicher z.B. im Gesundheitssektor. Durch öffentliche Förderungen könnte vieles verbessert werden und es könnten neue Maßstäbe gesetzt werden. Eine Vermögenssteuer bzw. eine Millionärssteuer – die wir als Gewerkschaft GPA fordern – könnte dies alles auch möglich machen. Aber auch in Bereichen wie z.B. im Handel geht es einerseits um die Neubewertung der Tätigkeiten und andererseits um eine angemessene Bezahlung.

KOMPETENZ: Jede Krise bedeutet auch Umbruch. Wo liegen den Arbeitsmarkt betreffend Chancen für Frauen?

Sandra Steiner: Chancen gibt es viele, die Frage ist nur ob gesellschaftspolitisch auch der Rahmen dafür ermöglicht wird, diese Chancen zu nützen! Es ist wichtig, dass im Bereich der Aus- und Weiterbildung die öffentliche Hand ernsthaft unterstützt. Und diese Aus- und Weiterbildung – z.B. in Form von Webinaren – ermöglicht wird.
Was meine ich damit? Viele Frauen haben oft keine Zeit für Aus- und Weiterbildung aufgrund der Vielfachbelastung. Durch die Möglichkeit von Webinaren fällt die Fahrzeit auf jeden Fall weg und die Aufsichtspflicht gegenüber Kindern ist auch leichter händelbar.

KOMPETENZ: Deine Botschaft zum Frauentag?

Sandra Steiner: Lasst uns gemeinsam für ein besseres Frauenleben eintreten!

Zur Person:

Sandra Steiner, 45, ist Betriebsratsvorsitzende beim IT-Dienstleister Atos IT Solutions and Services GmbH und selbständige Kommunikations- und Persönlichkeitstrainerin. Mitte November wurde sie zur Frauenvorsitzenden der Gewerkschaft GPA gewählt. Sandra Steiner lebt in Wien.

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