Handel: „Die Wertschätzung muss man im Geldbörsel sehen können!“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Rudolf Kukovec, Betriebsrat bei der Buchhandelskette Thalia, blickt gespannt auf die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen für seine Branche. Der Handel war während der Pandemie besonders gefordert, jetzt wird es Zeit für eine kräftige Gehaltserhöhung.

„Ich habe schon immer gern mal kritisch nachgefragt“, erzählt Rudolf Kukovec auf die Frage, warum er sich 2014 erstmal als Betriebsrat bei Thalia engagiert hat. Wenn er davor bei seiner Arbeit Fragen stellte, bekam er öfter mal zur Antwort: „Wenn du nicht zufrieden bist, dann musst du ja nicht hier arbeiten.“ Als Betriebsrat erwartete er, dass man ihm in Zukunft die Antworten nicht mehr so einfach schuldig bleiben könne.

Seine Motivation? „ArbeitnehmerInnen verdienen Gerechtigkeit, und natürlich auch die Durchsetzung ihrer Rechte, ebenso wie Wertschätzung. All das muss erkämpft werden! Für mich war es daher logisch, auch selbst mal Verantwortung zu übernehmen“, sagt Kukovec.

Die Thalia-Gruppe verkauft ein breites Sortiment an Büchern, E-Books und Hörbüchern, aber auch Schreibwaren, Geschenkartikel u.a. Österreichweit sind in 37 Filialen mehr als 700 MitarbeiterInnen beschäftigt. Der Betriebsrat hat elf Mitglieder, zwei davon freigestellt. Rudolf Kukovec ist zweiter stellvertretender Vorsitzender, nicht freigestellt, trotzdem aber in den Aufsichtsrat entsandt. Aktuell ist er in seiner zweiten Periode als Betriebsrat.

„ArbeitnehmerInnen verdienen Gerechtigkeit, und natürlich auch die Durchsetzung ihrer Rechte, ebenso wie Wertschätzung. All das muss erkämpft werden!“

Rudolf Kukovec

Konstruktive Gesprächsbasis

Die betriebliche Zusammenarbeit beschreibt Kukovec als konstruktiv: Auch wenn es naturgemäß Interessensgegensätze gibt, so werden diese auf einer guten Gesprächsbasis ausgetragen. „Als Betriebsrat reden wir Klartext, dabei kann es schon mal zu Konflikten kommen, das Klima ist aber insgesamt konstruktiv.“

Rudolf Kukovec hat einen abwechslungsreichen Berufsweg hinter sich: Der geborene Grazer begann seine Laufbahn ursprünglich im Gastgewerbe, arbeitete danach für kurze Zeit in der Produktion, um schließlich in Wien eine Karriere im Handel zu starten. 2006 begann er bei Thalia und fand seine Berufung im Buchhandel.

Neuer Kollektivvertrag im Handel

Als Betriebsrat kümmert sich Kukovec nun schon seit sieben Jahren um alle Sorgen und Nöte, die derzeit den Handel generell bewegen. Das große Thema war im letzten Jahr nicht nur Corona, sondern v.a. auch der Umstieg in den neuen Handelskollektivvertrag, will heißen: in ein neues Gehaltsschema, und zwar für alle Beschäftigten – keine Kleinigkeit, bei über 700 MitarbeiterInnen!

Der neue, von der GPA in jahrelanger Arbeit verhandelte Kollektivvertrag im Handel, sieht höhere Einstiegsgehälter, eine flachere Gehaltskurve und übersichtliche Gehaltseinstufungen vor. Im Übergang musste allerdings darauf geachtet werden, dass jede/r Angestellte, je nach Tätigkeit, in die richtige Gruppe kommt. „Damit waren wir über ein Jahr lang intensiv beschäftigt, denn es war uns ein großes Anliegen als Betriebsrat, dass niemand zu kurz kommt oder übersehen wird,“ schildert Kukovec. „Zugleich war es auch die einmalige Gelegenheit, aktiv auf alle KollegInnen zuzugehen und mit ihnen zusammen an diesen Einstufungen zu arbeiten. Ich denke, dass uns das sehr gut gelungen ist.“

„Für uns als Betriebsrat ist diese Regelung ein Erfolg und eine gelebte Sozialpartnerschaft, wenn wir es schaffen, über den Mindeststandard hinaus noch mehr zu erreichen. Denn genau darum geht es, das liegt mir am Herzen. Ein Mindeststandard, so wie er im KV vorgesehen ist, ist wichtig, aber wann immer es möglich ist, versuchen wir im BR-Team noch darüber hinaus Verbesserungen zu erzielen, und das ist hier gelungen.“

Rudolf Kukovec

Im alten Kollektivvertrag galt man nach fünf Jahren buchhändlerischer Tätigkeit als BuchhändlerIn, egal, ob das auch der erlernte Beruf war. Der neue KV sah diesen Passus nicht mehr vor. Es gelang trotzdem, hier auf Betriebsebene eine Lösung zu finden: Nun ist es bei Thalia sogar schon nach vier Jahren möglich, zum Buchhändler hochgestuft zu werden. Kukovec ist darauf stolz: „Für uns als Betriebsrat ist diese Regelung ein Erfolg und eine gelebte Sozialpartnerschaft, wenn wir es schaffen, über den Mindeststandard hinaus noch mehr zu erreichen. Denn genau darum geht es, das liegt mir am Herzen. Ein Mindeststandard, so wie er im KV vorgesehen ist, ist wichtig, aber wann immer es möglich ist, versuchen wir im BR-Team noch darüber hinaus Verbesserungen zu erzielen, und das ist hier gelungen.“

Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Digitalisierung im Betrieb

Der Umstieg ins neue Schema ist nun seit Anfang Oktober abgeschlossen, und das nächste große Projekt für den Thalia-Betriebsrat ist die Digitalisierung im Betrieb. „Corona hat diese Entwicklung beschleunigt“, erklärt Kukovec, „Infos mussten möglichst rasch verbreitet und geteilt werden, vieles änderte sich von einem Tag zum nächsten, Dienstpläne wurden erstellt und aufgrund der Umstände oft wieder verworfen – dafür benötigten wir eine verbesserte Kommunikation im Betrieb, und die Geschäftsführung hat das auch vorangetrieben.“ So wurde z.B. eine eigene Mitarbeiter-App geschaffen, mit der sich alle austauschen können und auf einfache und direkte Weise an Infos herankommen. Für den Betriebsrat bedeutet das: „Wir brauchen hier auf jeden Fall eine Betriebsvereinbarung dazu!“ Es geht um den Schutz von Persönlichkeitsrechten, aber auch um die Abgrenzung zwischen Freizeit und Arbeit, wenn z.B. abends noch Infos oder Dienstpläne verschickt werden. „Das mag praktisch sein, doch die Rechte der Beschäftigten können da auch schnell unter die Räder kommen.“

Denn die rasche und einfache Kommunikation führt leider auch dazu, dass von den Beschäftigten größere Flexibilität erwartet wird. „Das war während der Pandemie anfangs oft nicht zu vermeiden, denn manchmal erfuhren wir erst sehr kurzfristig von einer neuen Regelung oder gar einem erneuten Lockdown. Doch nun muss auch wieder Normalität einkehren.“

Corona

Was Corona angeht, so war der Buchhandel natürlich auf andere Weise betroffen als der systemrelevante Lebensmittelhandel. Die Thalia-Filialen waren im Lockdown und auch in Kurzarbeit. „Wegen der niedrigeren Gehälter war die Kurzarbeit für viele belastend“, erinnert sich Kukovec. Dazu kam eine große Arbeitsverdichtung durchs Online-Geschäft und ‚Click and Collect’.

Die oben erwähnte Flexibilisierung war einerseits notwendig, um gut durch die Pandemie zu kommen. Die Planbarkeit für die MitarbeiterInnen litt allerdings spürbar. Nun gilt es, diese Flexibilität wieder in Bahnen zu lenken, die mit dem Arbeitsrecht kompatibel sind, denn „der Arbeitgeber hat da schon auch einigen Nutzen gezogen“, kritisiert Kukovec. „Der Schulterschluss am Anfang der Pandemie, wo alle zusammengehalten und die Ärmel hochgekrempelt haben, das war gut und richtig so. Aber man muss nachher wieder geordnete Verhältnisse schaffen, was die Planbarkeit bzw. die Abgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit angeht.“

Herbstlohnrunde

Und die Herbstlohnrunde, was sind die Erwartungen? „Letztes Jahr gab es einen extrem raschen Abschluss, das war auch verständlich, denn alle waren noch gezeichnet von Corona. Heuer muss das vorbei sein!“, beschreibt Kukovec seine Sicht auf die kommenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen im Handel, „unsere Erwartung an den Abschluss wäre dieses Jahr schon eine Zahl deutlich über der Inflationsrate.“

Denn die großen Unternehmen wie Thalia, die gut durch die Krise gekommen sind, konnten das schaffen, weil sie durch Kurzarbeit Unterstützung vom Staat erhalten haben, und damit von den SteuerzahlerInnen, gibt Kukovec zu bedenken. Das bringt eine Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler mit sich: nun muss Geld an die SteuerzahlerInnen – d.h. an die ArbeitnehmerInnen – zurückfließen. Die Beschäftigten im Handel (rund 420.000 Angestellte, 15.000 Lehrlinge, 120.000 ArbeiterInnen) sind eine der größten Gruppen bei den ArbeitnehmerInnen. „Wir müssen den Konsum ankurbeln, auch das bringt wieder Steuern. Aber dafür brauchen die Menschen eben mehr Geld zum Ausgeben.“

„Unsere Erwartung an den Abschluss wäre dieses Jahr schon eine Zahl deutlich über der Inflationsrate.“

Rudolf Kukovec

Auch der Corona-Bonus könnte mehr sein, findet Kukovec, ganz besonders bei den systemrelevanten Supermärkten bräuchte es eine langfristige finanzielle Wertschätzung für ihren Einsatz während der Pandemie.

Er beobachtet daher auch genau die Verhandlungen und Forderungen in der Metallbranche, da dieser Abschluss traditionell die Latte für alle nachfolgenden KV-Verhandlungen wie den Handel legt. Entsprechend wünscht sich Kukovec auch vergleichbar hohe Forderungen für seine Branche. „Die MitarbeiterInnen haben sich mehr Wertschätzung verdient, und das müssen die Leute einfach im Geldbörsel sehen können!“

Zur Person

Rudolf Kukovec ist verheiratet und Vater einer zweieinhalbjährigen Tochter. „Meine Freizeit, das ist seit ihrer Geburt meine Tochter“, erzählt er auf die Frage nach Hobbies und Wochenenden. Er holt die Kleine nach der Arbeit gern vom Kindergarten ab, um z.B. noch mit ihr auf den Spielplatz zu gehen. Diese Chance, seinem Kind beim Großwerden zuzusehen, möchte er um nichts missen. „Ich genieße es sehr, so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen zu können.“ Und sonst, fügt er hinzu, ist er ja ohnehin 24 Stunden am Tag Betriebsrat.

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