ArbeitnehmerInnen in die Prozesse der Digitalisierung einbeziehen

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Wie Digitalisierung die Arbeitswelt verändert und wie Beschäftigte sie aktiv mitgestalten können.

Anfang Dezember hat die GPA in Kooperation mit dem AMS und dem Forschungsinstitut ABIF die Tagung „Digitalisierung jetzt! Arbeitswelt 4.0 aktiv und gerecht (mit)gestalten“  ausgerichtet.

Dabei sollte nicht nur die Frage nachgegangen werden, was Digitalisierung überhaupt ist, sondern viel mehr wie sie aktiv, gerecht und ArbeitnehmerInnen-freundlich mitgestaltet werden kann.

Die Beiträge waren sehr vielfältig und spannend, weshalb auch nur kleine, möglicherweise zentrale Erkenntnisse in einem solch kurzen Bericht eingefangen werden können.

Digitalen Transformation am Arbeitsmarkt

In einem Eröffnungsvortrag hat der deutsche Sozialwissenschafter Klaus Dörre zur „Digitalen Transformation am Arbeitsmarkt“ referiert. Der Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie der Universität Jena ordnete die Digitalisierung in eine sich ständig wandelnde Veränderung in der Kommunikation ein. Buchdruck, Computerisierung, die Vernetzung durch das Internet und schließlich die gegenwärtige Erhebung von unfassbaren Datenmengen, „Big Data“. Sie sind der „Rohstoff“, ihre Verarbeitung das Geschäftsmodell der Big5, der Technologiekonzerne Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google, so Dörre. Was vorher „nur in einzelnen Köpfen gespeichert wurde, wird jetzt in den kapitalistischen Warentausch einverleibt.  Der Kern“, so der Sozialwissenschafter, sei die „digitale Landnahme von Wissen und Erfahrung“. Wir alle würden damit zu „InformationsarbeiterInnen“. Abschließend zeigt Klaus Dörre wie unterschiedlich das Voranschreiten der Digitalisierung in der Arbeitswelt konkret ausgestaltet ist. Auf der einen Seite kann sie eine Abwertung der Dienstleistungstätigkeiten mit sich bringen, wie am Beispiel des Handscanners bei Paketauslieferdiensten dargestellt. Auf der anderen Seite erleichtern neue Technologien auch die Arbeit. Oft setzen sich Beschäftigte selbst für solche ein um diese kreativ in ihrem Arbeitsalltag zu integrieren und diesen damit zu erleichtern.

Arbeiten im Home-Office

Was aber bedeutet das konkret für die Arbeit im Home-Office, die insbesondere seit der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen hat? Und was heißt das für die Arbeitenden selbst? Die Ökonomin Julia Bock-Schappelwein vom WIFO ging in ihrem Vortrag diesen Fragen nach.

Einer der großen Vorteile im Home-Office seien Wegzeiteinsparungen. Darüber hinaus könnten Jobs altersunabhängiger werden und körperliche Tätigkeiten würden in den Hintergrund rücken. Damit einher gehe allerdings auch eine Entgrenzung der Arbeit. „Wo fängt’s an, wo hört’s auf?“ fragt die Wirtschaftswissenschafterin plakativ. Im Home-Office steige zudem aber die Arbeitsintensität, so Bock-Schappelwein. Wenn etwa neben der Online-Konferenz Mails gelesen und beantwortet werden. Die direkten Folgen der Arbeit online sind erfreulich („weniger Arbeitsunfälle, weniger körperliche Anstrengungen“), aber auch ambivalent, wenn sich die Qualifikationsanforderungen für Jobs verändern und nur ein bestimmtes Segment der ArbeitnehmerInnen davon profitierten könnten. Bisher unbeachtet waren die indirekte Folgen der Tele-Work: Das (Home-Office-) Büro werde nicht automatisch gereinigt, es fallen weniger Geschäftsreisen und weniger Konsum insgesamt an. „Es gibt unmittelbare Gewinner dieser Entwicklung, aber auch Verlierer,“ kommt Bock-Schappelwein zum Schluss. Covid19 sei Beschleuniger als auch Brennglas und liefert damit gleich Antworten auf die Frage „Wo sind die Personen, die das Risiko der digitalen Exklusion haben?“

Pflege im digitalen Wandel

Im Anschluss wurden in zwei Seminarsträngen vier Projekte des DigiFonds der Arbeitkammer vorgestellt, um die Digitalisierung, seine Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz lebensnah darzustellen.

Eines der Projekte ist die Untersuchung „Die Zukunft der Pflege im digitalen Wandel“ unter der Leitung der Fachhochschule des BFI und des Austrian Institute of Technology. Eine der Leiterinnen des Projekts, Stefanie Wöhl, schilderte ihre qualitativen Interviews mit PflegerInnen, Leitungspersonal und MitarbeiterInnen der EDV-Abteilung des Pflege- und Betreuungsdienstleisters Caritas Socialis in Wien. Der Leitfrage folgend „Können Arbeitsabläufe in der mobilen Pflege durch digitale Anwendungen vereinfacht werden?“ machten die Autorinnen eine ganze Reihe von Problemen in der Digitalisierung insbesondere für die Heimhilfen aus. Nicht nur die Bedienung der Endgeräte, in vielen Fällen das Diensthandy, auch die mangelnde Internetverbindung am Arbeitsort bereiten oft Schwierigkeiten. Für die Pflegebedürftigen eröffnet die Digitalisierung oft kaum überwindbare Hindernisse. Nicht für JedeN ist es selbstverständlich auf einem Bildschirm eine Unterschrift leisten zu können. Oft seien es solche kleine Hürden, wie etwa auch die zu kleine Schrift am Handy, die den Alltag erschweren, berichtet die Politikwissenschafterin. Stefanie Wöhl und ihr Team kamen zum Schluss: „Viele Sachen, die technisch entwickelt wurden funktionieren in der Umsetzung oft gar nicht.“ Das Wichtigste sei es alle in der Organisation Tätigen auf denselben Wissensstand über die technische Entwicklung zu bringen. Zu diesem Zweck seien Lernvideos für die mobilen PflegerInnen entwickelt worden, erzählt Wöhl. Die zentrale Erkenntnis der Forschung: „Es gibt Defizite bei der Einbindung der ArbeitnehmerInnen vor Ort.“ Die Gespräche mit den Angestellten hätten gezeigt, „es ist sehr wichtig, sie in diesen Prozessen immer mitzunehmen.“

Digitalisierung partizipativ gestalten

Zu ähnlichen Schüssen kam die Untersuchung „Talk about IT! Digitalisierung partizipativ gestalten: gendergerecht und divers“ von L&R Sozialforschung & Austrian Institute of Technology, welche die Projektleiterin Nadja Bergmann vorstellte. Ihr Fazit nach der Begleitung von Digitalisierungsprozessen in drei Großunternehmen: Der Fokus auf MitarbeiterInnengruppen, welche üblicherweise wenig im Fokus stehen, Karenzierte oder etwa Teilzeitbeschäftigte, sei wichtig. Darüber hinaus sollte „der Nutzen der Digitalisierung mit den AnwenderInnen abgeklärt und adapiert werden“ bringt es die Forscherin auf den Punkt. „Wenn die Menschen, die damit arbeiten sollen partizipativ einbezogen werden, dann kommt die gesteigerte Motivation, dann kommt der Spass. Dann ziehen die Leute mit.“

Nutzen der Digitalisierung

Einen guten Abschluss der Tagung und eine zentralen Erkenntnisgewinn lieferte Bergmanns Kollegin Anke Schneider vom Austrian Institute of Technology mit dem Fazit: Oft sei es bereits einfach eine gute Methode der Partizipation, zu erklären „Wo liegt eigentlich der Nutzen der Digitalisierung?“

Die Entwicklungen der Digitalisierung werden ArbeitnehmerInnen noch lange beschäftigen. Die Vorträge und Diskussionen der Tagung „Digitalisierung jetzt!“ lieferten einerseits Wissen um historische Entwicklungen in dem Thema, andererseits aber auch sehr lebensnahe Tipps, auf welche BetriebsrätInnen zurückgreifen können, wenn Digitalisierungsprozesse im Betrieb anstehen. Auf dass die Digitalisierung die Arbeit aller gerechter, einfacher und vielleicht sogar effizienter gestalten kann.

Die Vorträge zu Nachhören

Youtube-Kanal des Forschungsinstituts für Analyse, Beratung und interdisziplinäre Forschung ABIF

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