„Es braucht eine Perspektive“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

In den Kindergärten werden die Rahmenbedingungen für die hier Beschäftigten von Jahr zu Jahr schwieriger statt besser. Die vielen Appelle an die Politik haben bisher allerdings nichts substanziell verändert. Karin Bauer ist Betriebsrätin bei den Wiener Kinderfreunden, die sowohl Kindergärten als auch Horte betreiben. Die Elementarpädagogin pocht auf stufenweise Verbesserungen bei Gruppengröße und PädagogIn-Kind-Schlüssel.

Karin Bauer liebt die Arbeit mit Kindern. Die Freude daran hat sie schon als Mädchen entwickelt, als sie in den Ferien ihren um sechs Jahre jüngeren Bruder in den Kindergarten begleitete oder das Spielprogramm für Kindergeburtstage organisierte. Auch deshalb ist es ihr trotz aller bestehenden Probleme für die in Kindergärten arbeitenden PädagogInnen ein Anliegen, die Situation nicht schwarzzumalen. Ja, die Personalnot sei aktuell erdrückend. Ja, viele KollegInnen seien erschöpft und die Fluktuation hoch. Immer wieder würden PädagogInnen beschließen, den Beruf zu wechseln – meist entscheiden sie sich für ein Studium, das ihnen durch die abgelegte Matura möglich sei. Das erschwere den Arbeitsalltag von jenen, die im Kindergarten bleiben, weiter. Nur dieser Befund alleine löse das Problem nicht.

Mehr als nur Betreuung

„Was es braucht, ist eine Perspektive“, macht Bauer im Gespräch mit der KOMPETENZ klar. Langfristig brauche es mehr PädagogInnen und AssistentInnen und gleichzeitig weniger Kinder in den Gruppen. Seit 30 Jahren sei sie nun im Kindergarten tätig, seitdem habe sich im Anspruch an diese Einrichtung viel verändert. Der Kindergarten werde heute als Bildungsstätte und nicht nur als Betreuung gesehen. Und das sei auch richtig. Gleichzeitig werde das einzelne Kind in den Mittelpunkt gestellt – doch diese individuelle Förderung, die brauche auch entsprechende Ressourcen. An diesen fehle es aber.

„Die PädagogInnen müssen das Licht am Ende des Tunnels sehen. Wenn sie wissen, dass es alle zwei Jahre eine schrittweise Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit gibt, dann können sie durchhalten. Denn die PädagogInnen lieben ja grundsätzlich ihre Arbeit.“

Karin Bauer

„Die KollegInnen wissen, dass Verbesserungen hier nicht von heute auf morgen passieren können – das geht schon auf Grund des Mangels an ElementarpädagogInnen nicht“, sagt Bauer allerdings auch. Aber sie müssten wissen, dass es sukzessive besser wird. Helfen könnte hier ein Stufenplan, der beispielsweise klar vorgibt, bis dann und dann gibt es statt der derzeit 25 Kinder in den Gruppen der Drei- bis Sechsjährigen nur mehr maximal 22 Kinder, dann 20, irgendwann vielleicht 18. „Die PädagogInnen müssen das Licht am Ende des Tunnels sehen. Wenn sie wissen, dass es alle zwei Jahre eine schrittweise Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit gibt, dann können sie durchhalten. Denn die PädagogInnen lieben ja grundsätzlich ihre Arbeit.“

Fotos: Nurith Wagner Strauss

Mehr AssistentInnenstunden

Was es allerdings rasch brauche, seien mehr helfende Hände und Augen in den Gruppen. „Es ist dringend nötig, dass jede Gruppenform 20 AssistentInnenstunden dazubekommt“, so Bauer. Neben den Gruppen für Drei- bis Sechsjährige gibt es auch die Kinderstuben für Null- bis Dreijährige. Der Trend gehe aber vor allem zu Familiengruppen für Null- bis Sechsjährige. Hier sieht der Betreuungsschlüssel derzeit eine PädagogIn und eine AssistentIn für 20 Kinder vor – wenn es mindestens drei Kinder unter drei Jahren gibt. Sind es weniger, erhöht sich die Kinderzahl auf 22. „Da braucht allerdings schon von der Altersstruktur her für jedes Kind eine andere Förderung. Da gibt es die ganz Kleinen und gleichzeitig Ältere, die kurz vor dem Wechsel in die Schule sind.“

„Die Politik, die Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen wirklich wachgerüttelt werden und merken, dass es eine Veränderung braucht, zumindest Step by Step“, betont Bauer. „Sonst gibt es zwar wunderschöne neue Kindergärten, aber kein Personal.“ Woran es in Wien zudem massiv mangle, seien Inklusionsgruppen. „Das ist ein massives Problem. Es gibt viel zu wenige Inklusionsplätze. Das bedeutet dann, dass nicht selten, sobald eine Diagnose vorliegt, ein Elternteil den Job kündigen muss, meistens ist es die Mutter. Das ist frauenpolitisch ein Wahnsinn.“

Es gibt viel zu wenige Inklusionsplätze. Das bedeutet dann, dass nicht selten, sobald eine Diagnose vorliegt, ein Elternteil den Job kündigen muss, meistens ist es die Mutter.

Karin Bauer

À la longue haben die ElementarpädagogInnen allerdings noch ein weiteres Bündel an Forderungen, die dazu beitragen sollen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dazu gehören bezahlte Supervision sowie mehr Vor- und Nachbereitungszeit. Das Gesetz sehe heute zum Beispiel das Führen von Entwicklungsgesprächen mit den Eltern vor, auch auf diese gelte es, sich vorzubereiten. Und ja, die Gehälter zu erhöhen, wäre sicher motivierend. Wobei Bauer betont: „Das ist nicht das primäre Thema. Worum es den KollegInnen vor allem geht, sind die Rahmenbedingungen der Arbeit.“

Karin Bauer, geb. 1971 in Stuttgart, aufgewachsen im Innviertel, nach der AHS-Unterstufe Ausbildung zur Elementarpädagogin. Seit 1992 in diesem Beruf tätig, seit 1995 in Wien bei den Kinderfreunden, ab 2002 Leitung eines Kindergartens in der Leopoldstadt. Seit 2012 aktiv im Betriebsrat der Wiener Kinderfreunde, 2019 dann Besuch der Betriebsräteakademie, seit 2020 freigestellte Betriebsrätin. Bauer lebt in einer Patchworkfamilie mit drei mittlerweile erwachsenen Kindern. Sie liebt das Reisen, liest viel und bewegt sich gerne in der Natur.

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