Erfolgreicher Probelauf für die 4-Tage Woche bei Messer Austria

Foto: Nurith Wagner-Strauss fotografierte Walter Bergauer



Der Industriegase-Hersteller mit Firmensitz im niederösterreichischen Gumpoldskirchen testet ein Arbeitszeitmodell mit flexiblen Gleitzeittagen für
132 Angestellte.

Die Idee zur freiwilligen Umstellung auf eine 4-Tage Woche reifte bei der Geschäftsführung bereits im Oktober 2022, die Firma wollte dadurch attraktiver für neue Fachkräfte werden.

Bis zur Umsetzung war es ein weiter Weg, weil die Angestellten von Messer Austria bereits seit 2019 über eine Betriebsvereinbarung ein sehr attraktives Arbeitszeitmodell hatten, bei dem in enger Abstimmung zwischen Betriebsrat und damaliger Geschäftsführung die Kernzeit abgeschafft wurde. Für Walter Bergauer, seit 2017 Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates, ein Resultat der „guten Gesprächsbasis zwischen Geschäftsleitung und Belegschaftsvertretung: Wir konnten uns darauf verständigen, dass die Arbeitsleistung innerhalb des Gleitzeitrahmens, Montag bis Donnerstag zwischen 6.oo und 20.00 bzw. am Freitag zwischen 6.00 und 17.00 Uhr erbracht werden muss. Für die Kolleg:innen brachte das schon 2019 eine sehr große Flexibilität.“

Im Jahr 2023 startete ein Testbetrieb mit einer verpflichtenden Vier-Tage-Woche bei gleicher Arbeitszeit in vier Abteilungen. Insgesamt waren davon 58 Mitarbeiter, davon 50 Arbeiter und acht Angestellte, betroffen. Die überwiegende Mehrheit der Angestellten sah vorerst keinen Grund, auf das 2022 präsentierte, verpflichtende 4-Tage Modell umzusteigen. „In einer internen Umfrage des Betriebsrates lehnten die Angestellten das Modell ab“, erklärt Bergauer: „Es waren keine Vorteile zur Ist-Situation erkennbar, die tägliche Arbeitszeit hätte 9,3 Stunden betragen, das möchten die meisten auch nicht ständig machen.“

„Wir testen bei Messer Austria eine Spezialform der 4-Tage Woche. Angesparte Zeitguthaben können durch einen Eintrag ins Zeiterfassungssystem in Abstimmung mit dem Vorgesetzten konsumiert werden.“

Betriebsratsvorsitzender der Angestellten Walter Bergauer

Alternative Umsetzung der 4-Tage Woche

Ende 2023 kam von der Geschäftsführung die Idee, die 4-Tage Woche auf alternative Weise umzusetzen, nämlich über ein sehr flexibles Zeitausgleich-Modell, das zusammen mit dem Betriebsrat nach den Bedürfnissen der Angestellten und des Unternehmens entwickelt und in die bestehende Betriebsvereinbarung über die Gleitzeit integriert wurde: „Bis dahin konnten Angestellte jeden Monat maximal einen Tag Zeitausgleich konsumieren“, erklärt Bergauer.

Im neuen, flexibleren Modell können die Mitarbeiter:innen in Abstimmung mit dem Vorgesetzten Zeitausgleich nehmen, sobald sie das dafür notwendige Zeitguthaben angespart haben. Das wollte die Mehrheit der Belegschaft ausprobieren und so läuft 2024 ein Testbetrieb. „Es gibt keine Begrenzung auf 12 Tage pro Jahr, sondern auf wöchentlich einen Tag. Verbraucht wird, was zuvor an Guthaben aufgebaut wurde“, erklärt Bergauer, der seit 1991 als technischer Angestellter bei Messer tätig ist: „Wer möchte, kann an bestimmten Tagen oder Wochen mehr arbeiten und für die angesammelten Mehrstunden in Folge pro Woche einen Tag frei nehmen.“

„Der Großteil der Belegschaft ist zufrieden mit der neuen Flexibilität beim Verbrauchen von Zeitguthaben. Viele nützen die Neuregelung, manche arbeiten aber weiter wie vorher. Es gibt keinen Zwang zum Mitmachen.“

Betriebsratsvorsitzender der Angestellten Walter Bergauer

Gleitzeittage müssen nicht bewilligt werden

Wirklich wegweisend findet Bergauer, dass „die Kolleg:innen Gleitzeittage jederzeit konsumieren können: Es ist lediglich ein Eintrag im elektronischen Zeiterfassungssystem notwendig, diese Anträge dürfen nur aus gewichtigem Grund abgelehnt werden.“ Der Durchrechnungszeitraum für den Verbrauch der Zeitguthaben ist über die Betriebsvereinbarung zur Gleitzeit für Angestellte geregelt und beträgt drei Kalendermonate. „So ist es beispielsweise möglich, in einer Woche 50 Stunden zu arbeiten, in einer anderen Woche nur 4 Tage. Das bringt den Beschäftigten eine hohe Flexibilität – die freie Zeit für Familie, Hobbies oder Kurzurlaube ist leichter planbar.“

Ende des Jahres soll das Projekt evaluiert werden. „Wir müssen dann schauen, wie zufrieden die Mitarbeiter:innen und die Unternehmensleitung mit der Regelung sind und ob das Modell in der Praxis funktioniert hat“, erklärt Bergauer. Nach der einjährigen Testphase werde entschieden, ob das alte Modell aus der Betriebsvereinbarung bleibt oder das neue Arbeitszeitmodell als „attraktive Spezialform der 4-Tage-Woche“ in den Regelbetrieb übergeht. Bergauer will ab Herbst „viele persönliche Gespräche führen und die Grundstimmung der Belegschaft erfassen: Ich möchte wissen, was gepasst hat und wie wir das Modell vielleicht noch weiter verbessern können.“

Erste Rückmeldungen zum Probebetrieb beschreibt Bergauer als „durchwegs positiv: Die Möglichkeit, individuelle Zeitguthaben gebündelt und eigenverantwortlich zu konsumieren, wird sehr gut angenommen.“ Auch Geschäftsführer Michael Holy ist zufrieden: „Rund 20 Prozent unserer Angestellten nutzen diese Möglichkeit regelmäßig. Die anderen schätzen die weiter erhöhte Flexibilität bei der Arbeitszeit und wollen diese Option zukünftig nutzen.“ Meist werde ein Montag oder Freitag in Verbindung mit dem Wochenende als zusätzlicher freier Tag genommen: „Die individuelle Gestaltung der Arbeitszeit, um privaten Verpflichtungen nachzukommen wird ebenso geschätzt wie die Möglichkeit, sich ein verlängertes Wochenende zu gönnen.“

Flexible 4-Tage Woche kommt gut an

Obwohl der Großteil der Belegschaft mit der neuen Flexibilität sehr zufrieden ist und diese auch nutzt, legt Bergauer Wert auf die Tatsache, dass es keinen Zwang zum Mitmachen gibt: „Viele probieren das jetzt einfach einmal aus. Manche Kolleg:innen wollen ihre Arbeitszeit aber weiter so wie bisher verteilen und arbeiten jeden Tag 7,6 Stunden.“

Holy hat bislang „keine Arbeitsengpässe, beispielsweise beim Monatsabschluss oder sonstigen Probleme bemerkt, was für ihn „die gute und umsichtige Abstimmung und Planung der 4 Tage-Woche durch die Mitarbeitenden zeigt: Es gibt aus Sicht der Vorgesetzten keine Schwierigkeiten, für unsere Kund:innen sind wir weiterhin an allen Werktagen erreichbar, weil die Mindestbesetzung in den Abteilungen schon seit viele Jahre vorgegeben ist.“ Die Firma werde durch das Modellprojekt auf dem Arbeitsmarkt für potentielle Bewerber attraktiver: „Mitarbeiter:innen mit weiteren Wegen zum Dienstort können Zeit und Geld sparen.“

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