Staatssekretärin Muna Duzdar spricht im KOMPETENZ-Interview über die Auswirkungen der Digitalisierung, über Hass im Netz und neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylsuchende.
KOMPETENZ: Das Thema Crowdwork, also Arbeiten über Online-Plattformen ist eines, das uns als Gewerkschaften stark beschäftigt, und uns interessiert Ihre Einschätzung dazu.
Muna Duzdar: Vor zwei Wochen hat die AK eine Studie präsentiert, in der es darum ging festzustellen, wie verbreitet Crowdwork in Österreich ist. Von 2.000 Befragten haben 18 Prozent im vergangenen Jahr mindestens einmal Arbeit über Online-Plattformen verrichtet. Im Moment befinden wir uns in einer Phase, wo noch sehr viele Analysen passieren, und es wäre unseriös zu behaupten, dass wir jetzt schon alle Antworten parat haben. Aber man kann insgesamt schon sagen, dass es massive Veränderungen in der Arbeitswelt geben wird. Und das heißt natürlich, dass wir uns überlegen müssen, wie verteilen wir die Arbeit gerecht, und wie gehen wir mit neuen Arbeitsformen um. Crowdwork ist eine sehr individualisierte Arbeitsform und erinnert mich sehr stark an die Heimarbeit des 19. Jahrhunderts. Da braucht es noch sehr viel Organisierung, die soziale Absicherung wird auch eine ganz große Rolle spielen, und wie man die Kollektivverträge auf diese neuen Arbeitsformen ausweiten kann.
KOMPETENZ: Sie haben davon gesprochen, dass man die Arbeitszeit neu verteilen muss. Denken sie dabei auch an Arbeitszeitverkürzung?
Muna Duzdar: Ja, da denke ich auch an Arbeitszeitverkürzung. Und ich möchte auch gleich die Wertschöpfungsabgabe ansprechen, die der Bundeskanzler aufgeworfen hat. Wir werden nicht drum herumkommen, Überlegungen in diese Richtung anzustellen. Es ist ja so, dass es durch den digitalen Wandel auch mehr Produktivität gibt, mehr Reichtum und mehr Wertschöpfung, und ich bin der Meinung, dass das auch in den Dienst der Gesellschaft gestellt gehört. Die Unternehmen profitieren ja auch vom digitalen Wandel, der durch die Forschung, die staatlich subventioniert wird, zustande kommt und von der Infrastruktur, die vom Staat zur Verfügung gestellt wird.
KOMPETENZ: Eng im Zusammenhang mit der Digitalisierung steht auch das Problem der Hasskultur im Netz.
Muna Duzdar: Das Netz wird von bestimmten Gruppierungen sehr stark als Propagandainstrument genutzt. Viele treten daher für eine Verschärfung des Strafrechts ein. Ich verfolge aber eher den Ansatz, dass man mit dem Strafrecht allein nicht alle Probleme löst. Wir brauchen eine allgemeine Diskussion darüber. Hasskultur darf nicht als Norm akzeptiert werden, sondern es muss klar sein, dass Hasskultur unsere Gesellschaft zerstört, und dass Hetze im Netz in reale Gewalt umschlagen kann. Oft wird Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung kleingeredet. Aber es gilt auch, langfristig zu denken und die Gesellschaft schrittweise zum Besseren zu verändern. Natürlich ist das ein Prozess, bei dem nicht morgen alles gelöst ist. Wir haben eine Regierungsinitiative gestartet und begonnen, Testimonials heranzuziehen. Wir wollen auch ein gewisses Empowerment im Netz fördern mit digitaler Zivilcourage. Es gibt Tipps, es gibt Ratschläge und einen Argumentationsleitfaden gegen Hass im Netz. Und in unserem Programm steht auch die Sensibilisierung von relevanten Berufsgruppen.
KOMPETENZ: Sollen die Leute auch motiviert werden, Anzeige zu erstatten?
Muna Duzdar: Ja. Viele haben das Gefühl, sie können nichts dagegen tun und müssen das in sich hineinfressen – was Mobbing anbelangt zum Beispiel. Und hier sagen wir: „Mach einen Screenshot, sichere die Beweise.“ Es sind manchmal diese Kleinigkeiten, an denen es dann letztlich scheitert. Im Herbst möchten wir Gruppen, die sehr stark von Hass im Netz betroffen sind, wie zum Beispiel Frauenorganisationen, Flüchtlinge, freiwillige Helferinnen und Helfer einladen, gemeinsam mit JournalistInnen und Bloggern positive Geschichten zu erzählen. Zudem wird es ein Konzept zur Gegenrede geben.
KOMPETENZ: Anderes Thema: Integrationsminister Kurz fordert, dass anerkannte Flüchtlinge verpflichtend in Ein-Euro-Jobs arbeiten sollen.
Muna Duzdar: Die Ein-Euro-Jobs sind ein Einfallstor, um den Niedriglohnsektor in Österreich auszubauen – über die Hintertür der Flüchtlinge. Und das heißt natürlich Lohndumping und dadurch Arbeitsplatzverdrängung. Da ist schon auch eine gewisse Intention dahinter. Ich habe immer von gemeinnütziger Tätigkeit von AsylwerberInnen gesprochen, niemals von verpflichtender gemeinnütziger Tätigkeit von anerkannten Flüchtlingen. Das ist ein großer Unterschied, weil AsylwerberInnen in Österreich ja nicht arbeiten dürfen.
KOMPETENZ: Wäre es nicht sowieso sinnvoll, das Arbeitsverbot für AsylwerberInnen aufzuheben?
Muna Duzdar: Es geht darum, legale Möglichkeiten zu schaffen. Wir wollen, dass sie die Sprache lernen, dass sie gemeinnützige Tätigkeiten machen oder einen Dienstleistungsscheck in Anspruch nehmen können, und es soll auch eine Art Kompetenzclearing geben wie beim AMS. Asylverfahren dürften in Wirklichkeit nicht länger als sechs Monate dauern, die Realität ist aber, dass sie meistens viel länger dauern. Es geht darum, die Zeit zu nutzen – um, wenn‘s dann so weit ist – auch wirklich fit für den Arbeitsmarkt zu sein. Wir wollen ein durchgängiges System von Anfang an haben, und das heißt auch, dass man die Angebote schafft. Das ist das, was uns auch von der ÖVP unterscheidet. Es reicht nicht aus, immer sofort von Sanktionen zu reden, wenn die Angebote nicht da sind. Die Menschen haben ein großes Interesse daran, schnell ihren Weg in der Gesellschaft zu finden.
KOMPETENZ: Weil wir über die Vorschläge von Minister Kurz gesprochen haben. Wie sehen sie die Forderung nach einem Burkaverbot?
Muna Duzdar: Selbstverständlich bin ich gegen Frauenunterdrückung und lehne den Niqab und die Burka ab. Ich glaube aber nicht, dass man gesellschaftlichen Fortschritt und Freiheit mit Verboten erzielt. Das geht nur in einem sozialen Prozess, in einem Prozess von Integrations- und Aufklärungsarbeit. Frauen zu stärken, Frauen fördern, Frauen auch am Arbeitsmarkt einzubinden, ist für mich ein Schlüssel zur Integration.