Arbeitszeitverkürzung über Kollektivverträge erfolgreich umgesetzt

Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, Karl Dürtscher
Foto: Michael Mazohl

Karl Dürtscher, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, erklärt, warum flexible Modelle der Arbeitszeitverkürzung Zukunft haben. Im Rennen um die besten Köpfe müssten die Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten noch stärker berücksichtigt werden.

KOMPETENZ: Die GPA-djp hat es sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitszeit in verschiedenen Branchen über Kollektivverträge zu verkürzen. Wie kann das funktionieren?

Karl Dürtscher: Das kann über eine 6. Urlaubswoche funktionieren oder über eine branchenspezifische Arbeitszeitverkürzung. Wir sind in dieser Frage durchaus erfolgreich unterwegs, obwohl Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer ständig vor einer Verkürzung der Arbeitszeit warnen. In einigen Branchen haben wir die Arbeitszeitverkürzung mit Zustimmung der Wirtschaftskammer in den Kollektivverträgen umgesetzt.

Wichtig dabei ist es, flexible Lösungen für die jeweilige Branche zu finden. Es ist schwierig vorformulierte Ziele wie eine einheitliche 6. Urlaubswoche oder eine allgemeine Reduktion der Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden durchzusetzen. Wir sind in jenen Sparten erfolgreich, wo wir spezifische Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen im jeweiligen Bereich aufzeigen und gemeinsam mit der Arbeitgeberseite flexible Lösungen erarbeiten.

KOMPETENZ: Wo ist das schon gelungen?

Karl Dürtscher: Für die rund 10.000 Beschäftigten der öffentlichen Flughäfen in Österreich haben wir einen großen Durchbruch erzielt. Hier gibt es eine kollektivvertragliche Vereinbarung über eine 6. Urlaubswoche mit einem Bereich, welcher der Wirtschaftskammer zugehörig ist: eine Woche zusätzliche Freizeit.

KOMPETENZ: Wie wurde das erreicht?

Karl Dürtscher: Der alternative Zugang hat den Erfolg gebracht. Thomas Schäffer, Angestelltenbetriebsrat am Flughafen Wien, stand einer Arbeitszeitverkürzung von Beginn an sehr aufgeschlossen gegenüber. Da es die klare Linie der Arbeitgeber war, eine 6. Urlaubswoche zu verhindern, wurde als Kompromiss eine Woche zusätzliche, bezahlte Freizeit für alle Angestellten vereinbart, was zum Ergebnis hat, dass es für langjährig Beschäftigte sogar eine 7. Woche gibt.

KOMPETENZ: Wer trägt dafür die Kosten?

Karl Dürtscher: Einen Teil zahlen die Arbeitnehmer selbst, denn der diesjährige Kollektivvertragsabschluss wurde mit 1,3 Prozent Erhöhung fixiert. Einen großen Teil bezahlt aber die Arbeitgeberseite.

KOMPETENZ: Was sind die Vorteile der Vereinbarung?

Karl Dürtscher: Eine derartige Vereinbarung ist immer ein Tauschgeschäft im Gesamten. Im Arbeitsbereich Flughafen müssen die Angestellten ein starkes Stoßgeschäft bewältigen. Sie sind meist dann am stärksten belastet, wenn andere Menschen frei haben – zur Ferienzeit, an langen Wochenenden und Feiertagen. Zu diesen Zeiten müssen extrem viele Flüge abgewickelt werden und da gibt es die größte Stressbelastung. Uns ging es darum, für diese Menschen Auszeiten zu finden und zu einer positiven Work-Live-Balance beizutragen. Nach zusätzlichen Freizeitblöcken oder Auszeiten sind die Leute wieder ausgeruht und motivierter.

KOMPETENZ: In welchen Branchen gibt es noch Erfolge?

Karl Dürtscher: Auch für 100.000 Beschäftigte im Sektor der Sozialwirtschaft und Diakonie waren wir kürzlich erfolgreich und haben erreicht, dass alle Beschäftigten, die bereits fünf Jahre im Betrieb sind, einen zusätzlichen Arbeitstag als Urlaubstag erhalten. Ebenso konnten wir im Erwachsenenbildungsbereich zusätzliche Urlaubstage nach 10 und 15 Jahren Dienstzeit erreichen.

KOMPETENZ: Gibt es weitere Erfolgsmodelle?

Karl Dürtscher: Für die Angestellten des Wiener Hafens haben wir ein spannendes, alternatives Modell verhandelt, das mit 1. Juli in Kraft tritt. Hier gibt es für alle Beschäftigten, die 25 Jahre im Betrieb sind, eine Zulage, die in ein Wahlmodell für den Angestellten umgewandelt wurde. Dabei kann der Einzelne entweder Freizeit oder Geld nehmen. Die Freizeit-Option ist aber attraktiver gestaltet, man erhält dann zwar beispielsweise 3,5 Prozent weniger netto Gehalt, hat aber – aus steuertechnischen und sozialversicherungsrechtlichen Gründen – einen Zuschlag zum Zeitguthaben durch den Arbeitgeber sowie einen Freizeitgewinn von 9 Prozent. Konkret geht es um fast einen ganzen Monat zusätzlicher Freizeit. Das ist schon eine sehr spürbare Entlastung für die Menschen, wenn sie sich für die Freizeitvariante entscheiden.

KOMPETENZ: Wie ist man auf dieses Modell gekommen?

Karl Dürtscher: Wir haben uns die Beschäftigtenstruktur des Betriebes angeschaut und erkannt, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren annähernd die Hälfte der Belegschaft in Pension gehen wird. Das neue Modell ermöglicht dem Betrieb Neuanstellungen durchzuführen und Know-How im Betrieb zu sichern, indem das Wissen auf viele Schultern aufgeteilt wird. Ältere Mitarbeiter werden aus der Arbeitsbelastung ein wenig rausgenommen, stehen aber für die Einschulung jüngerer KollegInnen trotzdem zur Verfügung. Mit diesem Modell sichern wir einen ordentlichen Übergang des Wissens zu den jungen Mitarbeitern einerseits und ermöglichen dem Betrieb auf der anderen Seite – zu annähernd gleichbleibenden Kosten – junge Beschäftige aufzunehmen. Dieses Modell gilt zwar lediglich für 120 Beschäftigte, ist für mich aber richtungsweisend.

KOMPETENZ: Wo ist die Freizeitoption noch erfolgreich?

Karl Dürtscher: In der großen Branche der Elektro- und Elektronikindustrie haben wir das Modell der Freizeitoption leider derzeit noch nicht mit Rechtsanspruch durchgebracht. Derzeit kann die zusätzliche freie Zeit zweimal vor dem 50. Lebensjahr und zweimal danach in Anspruch genommen werden. Das Modell wird sehr gut aufgenommen und von den Beschäftigten sehr stark nachgefragt. Dennoch ist es insofern ausbaufähig, als es von den Betrieben derzeit sehr unterschiedlich gewährt wird. Manche Betriebe gehen damit flexibel um. Für andere, die teilweise immer noch recht rückständig unterwegs sind, kommt es überhaupt nicht in Frage, dass es ein Mehr an Mitbestimmung der Beschäftigten in der Arbeitszeitfrage gibt.

KOMPETENZ: Gibt es ein optimales Modell?

Karl Dürtscher: Weil sich die Arbeitszeiten insgesamt im Wandel befinden sind je nach Branche unterschiedliche Modelle, wie auch Teleworking oder mobiles Arbeiten, erfolgreich. DIE einheitliche Arbeitszeit gibt es in der Praxis nicht mehr. Viele KollegInnen in der Industrie haben schon verstanden, dass die Beschäftigten nicht nur durch überlange Arbeitszeiten im Betrieb gehalten werden können. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn man das Rennen um die besten Köpfe gewinnen will, muss man den Bedürfnissen der Beschäftigten entgegenkommen. Betriebe, die attraktive Arbeitszeitmodelle bieten, werden die Sieger sein.

KOMPETENZ: Haben wir nicht ohnehin einen Trend zur Teilzeitarbeit?

Karl Dürtscher: Man darf Teilzeitarbeit nicht mit Arbeitszeitverkürzung gleichsetzen. Wir erleben in Österreich eine beständige, geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzung in Form von Teilzeitarbeit, die fast ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmerinnen geht. In so einem Modell gibt es keine Kostenaufteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Verkürzung bezahlt die Arbeitnehmerin alleine, weil das Risiko für das – meist nicht existenzsichernde Einkommen – ausschließlich bei der Arbeitnehmerin liegt.

KOMPETENZ: Was sind die Modelle der Zukunft?

Karl Dürtscher: Alle Modelle, die Wahlfreiheiten für die Beschäftigten beinhalten, sind Modelle der Zukunft. Um erfolgreich zu sein, müssen wir in der Frage der Arbeitszeitverkürzung vielfältiger werden. Hier zählen auch kleine Fortschritte, wie abzusichern, dass der 24. und der 31. Dezember arbeitsfrei sind oder dass der erste Schultag des Kindes für die berufstätigen Eltern frei ist.

KOMPETENZ: Konkrete Ziele?

Karl Dürtscher: Wir wollen uns in der Arbeitszeitfrage dynamisch weiterbewegen, das Thema steht absolut vorne auf unserer Agenda. Wir wollen nachhaltige Fortschritte erzielen, egal ob es um die wöchentliche, monatliche oder jährliche Arbeitszeit geht. Flexible Lösungen müssen auf die Gegebenheiten und Bedürfnisse in der jeweiligen Branche Rücksicht nehmen. Den Beschäftigten mit All-in Verträgen hilft eine stundenweise Verkürzung der Arbeitszeit beispielsweise nicht – da können wir mit zusätzlichen freien Tagen bzw. mit mehr Urlaub aber sehr wohl punkten.

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