Aller Anfang ist schwer

V. l. n. r.: Sophie Doppler, Martin Geischläger, Lisa Höferl. Foto: Nurith Wagner Strauss
Sophie Doppler, Martin Geischläger, Lisa Höferl
Foto: Nurith Wagner Strauss

Drei Viertel der jungen ArbeitnehmerInnen finden leicht ihren ersten Job. Die Joberfahrungen sind allerdings für viele ernüchternd. Die meisten wünschen sich bessere Information während der Ausbildung.

Sophie Doppler (22) ist in ihrem Arbeitsalltag zufrieden. Seit etwas mehr als einem Jahr betreut sie nachmittags 10- bis 14-Jährige, unterstützt sie bei den Hausübungen und spricht vor allem viel Englisch mit ihnen. Ihre eigenen Englisch-Kenntnisse hat sie nach der Matura an einer Schule für Kindergartenpädagogik (Bakip) ein Jahr lang als Au-pair-Mädchen in den USA in der Nähe von Washington perfektioniert. Obwohl sie für die Betreuung von Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter ausgebildet wurde, wollte sie nach ihrer Rückkehr nach Österreich zuerst einmal die Arbeit mit etwas älteren Buben und Mädchen ausprobieren. Noch war sie sich nicht klar, ob sie nicht doch noch eine weitere Ausbildung machen wollte, etwa zur Hebamme oder aber zur AHS-Lehrerin für Psychologie und Englisch. Der Job in der Nachmittagsbetreuung für die Sekundarstufe eins war als Testlauf gedacht, ob sie mit dieser Altersgruppe auch gut zurecht käme.

Sophie Doppler (22) betreut nachmittags 10- bis 14-Jährige und ist mit ihrem Job sehr zufrieden. Foto: Nurith Wagner-Strauss
Sophie Doppler (22) betreut nachmittags 10- bis 14-Jährige und ist mit ihrem Job sehr zufrieden. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Doch sie kam nicht nur gut zurecht, sondern fühlte sich auch rundherum wohl. „Was ich mache, gefällt mir sehr.“ Sie arbeite 35 Stunden in der Woche und sei mit der Bezahlung zufrieden. „Ich wohne in meiner eigenen Wohnung und komme gut über die Runden.“ Im Job habe sie viel Freiraum, wie sie die Zeit mit den Kindern gestalte „und das finde

ich sehr gut“. Wenn sie zehn Jahre in die Zukunft denkt, sieht sich Sophie Doppler sich immer noch an diesem Arbeitsplatz – „außer wenn sich das Team sehr ändert, im Moment verstehen wir uns sehr gut“. In ihrer Freizeit macht sie derzeit beim Roten Kreuz die Ausbildung zur Rettungssanitäterin und will künftig als Freiwillige tätig sein. „Ich wollte immer schon mit Menschen arbeiten.“ Die Arbeit mit Kindern und die ehrenamtliche Tätigkeit im Rettungsdienst würden einander gut ergänzen.

Guter Einstieg

Sophie Doppler ist ein guter Einstieg ins Arbeitsleben gelungen. Damit findet sie sich in Österreich in guter Gesellschaft, denn von einer Generation Hoffnungslos kann keine Rede sein: Dem Gros der Jungen fällt der Start am Arbeitsmarkt nicht allzu schwer. Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial. Die überwiegende Mehrheit fühlt sich in ihrer Ausbildung nicht gut über die Arbeitsrealität informiert und ein Viertel der 18- bis 30-Jährigen gab in einer von IFES für die GPA-djp durchgeführten Umfrage an, dass der Einstieg ins Arbeitsleben ein durchaus steiniger und langwieriger war. Interviewt wurden 500 junge ArbeitnehmerInnen und 300 Frauen und Männer in Ausbildung. Was aber vor allem klar herauskommt: „Junge Menschen arbeiten, um zu leben, und leben nicht, um zu arbeiten“, betont der Bundesjugendsekretär der GPA-djp, Christian Hofmann. 83 Prozent der Befragten gaben an, dass es ihnen sehr beziehungsweise schon eher wichtig ist, dass sich der aktuelle oder künftige Arbeitsplatz zeitlich gut mit außerberuflichen Interessen und Verpflichtungen vereinbaren lässt. „Es geht um die Work-Life-Balance“, betont Hofmann.

Sophie Doppler möchte sich auch ehrenamtlich engagieren, anderen ist Sport oder schlicht Freizeit mit FreundInnen und Familie wichtig. Nicht bei allen erfüllt sich diese Erwartung allerdings nach dem Berufseinstig: Ein Viertel der Befragten meinte, dass der Job eher weniger bis gar nicht mit privaten Interessen, aber auch Verpflichtungen vereinbar sei. Männer würden im Schnitt gerne 36 Stunden pro Woche arbeiten, tatsächlich sind es allerdings 39,3. Frauen streben eine Wochenarbeitszeit von 34 Stunden an und arbeiten schließlich 35,7 Stunden.

Negative Erfahrungen

Lisa Höferl (22) arbeitet als Freizeitpädagogin. Ihr Wunschberuf ist Sozialarbeiterin. Kommendes Frühjahr will sie die Aufnahmeprüfung für soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Pölten machen. Foto: Nurith Wagner-Strauss
Lisa Höferl (22) arbeitet als Freizeitpädagogin. Ihr Wunschberuf ist Sozialarbeiterin. Kommendes Frühjahr will sie die Aufnahmeprüfung für soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Pölten machen. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Ernüchtert ist auch Lisa Höferl (22). Mit ihrem aktuellen Job als Freizeitpädagogin ist sie zwar zufrieden, sieht aber auch diese Stelle nicht als etwas Lebenslanges. Zuvor hat sie allerdings schon negative Erfahrungen am Arbeitsmarkt gemacht. Nach AHS-Unterstufe und einer dreijährigen Fachschule für Mode entschied sie sich doch dazu, die Matura zu absolvieren. Zunächst besuchte sie daher einen Aufbaulehrgang im Bereich Mode, „aber es war gar nicht meines. Das habe ich eigentlich schon während der Fachschule gemerkt“. In einer Maturaschule kam sie schließlich zum Ziel. Ihr Wunschberuf ist Sozialarbeiterin. Doch die Aufnahme an die Fachhochschule für Soziale Arbeit in Wien gelang nicht, trotz zweier Versuche. So arbeitete Höferl zunächst in der Gastronomie bei einem Möbelhaus. „Dort habe ich wenig verdient und die Arbeitszeiten gingen bis in den Abend hinein.“ An manchen Tagen sei sie auch zum Dienst erschienen, aber wieder weggeschickt worden. „Ich habe eingecheckt, aber dann hat es geheißen, es ist nicht viel los, wir brauchen dich heute nicht. Das war nicht die Regel, aber es ist vorgekommen.“ Anschließend ergatterte sie einen Kassajob bei einem Supermarkt, wo sie zunächst 30 Wochenstunden, dann parallel zu ihrer einjährigen Ausbildung im Bereich Freizeitpädagogik 20 Wochenstunden arbeitete. In den neun Monaten, die sie für die Supermarktkette tätig war, hat sie sich die Hand ruiniert. Nach ein paar Monaten wurde sie dann immer wieder krank, bis ihr Arzt zu ihr gesagt habe: „Das schaut langsam nach einem Burn-out aus.“ Während eines Krankenstands wurde sie schließlich vom Unternehmen gekündigt. Die Endabrechung fiel nicht korrekt aus, das Dienstzeugnis war negativ verfasst. Hier konnte die GPA-djp Höferl helfen, zu ihrem Recht zu kommen.

Seit Herbst ist die junge Frau nun als Freizeitpädagogin tätig und betreut dabei nachmittags VolksschülerInnen. Die Arbeit gefällt ihr, auch die Bezahlung sei in Ordnung. Besonders weiß sie heute zu schätzen, dass sie krank nicht zur Arbeit kommen muss. Hilfreich ist da, dass, wenn jemand aus dem Team ausfällt, der Verein, bei dem sie angestellt ist, einen/eine SpringerIn schickt. „Und auch meine Chefin sagt, wenn ihr krank seid, seid ihr krank. Es wird kein psychischer Druck ausgeübt.“ Dennoch will Höferl nicht ihr Leben lang in der Nachmittagsbetreuung von Kindern tätig sein. Denn ihren Plan, Sozialarbeiterin zu werden, hat sie trotz der zwei Fehlschläge noch nicht aufgegeben.

Der Weg zum Traumjob soziale Arbeit

Kommendes Frühjahr will sie die Aufnahmeprüfung an der FH St. Pölten machen, und sollte es auch dort nicht klappen, wäre sie auch bereit, für das Studium Soziale Arbeit für ein paar Jahre nach Vorarlberg zu ziehen. Dort gebe es weniger BewerberInnen pro Studienplatz. Ihr Traum ist es, eines Tages in einer Jugend-Wohngemeinschaft zu arbeiten oder aber in der Suchtberatung tätig zu sein. Ihr Freund macht derzeit ein freiwilliges soziales Jahr und sammelt dabei schon Erfahrungen in einer Jugend-WG, erzählt Höferl. Auch er hat die Aufnahme zum FH-Studium Soziale Arbeit nicht geschafft und versucht so, statt bis zum nächsten Versuch irgendeinen Job zu machen, berufseinschlägige Praxis zu bekommen. Der Zugang zu einigen FH- und Uni-Studien wird immer restriktiver, weiß auch Hofmann. Er sieht hier auch ein anderes Problem: Wenn man es einmal ins Wunschstudium oder ins vermeintliche Wunschstudium geschafft habe, kann es auch vorkommen, dass man sich gefangen fühle. „Man steht ja auch unter dem Druck, die Ausbildung möglichst früh fertig zu machen. Das führt dazu, wenn ich im fünften Semester Jus draufkomme, dass mir Jus gar nicht liegt, dann breche ich nicht wie noch Generationen davor ab und beginne mit einem anderen Studium, sondern mache es fertig. Dann befinde ich mich aber in einer Situation, in der ich nicht wirklich glücklich bin – und alles nur, damit der Lebenslauf keine Lücken und Brüche aufweist. Das Gros der Unternehmen heute bevorzugt durchgängige Lebensläufe, die meisten Betriebe suchen keine Menschen mit Ecken und Kanten.“

Stichwort Ausbildung

Wie die IFES-Umfrage nun zeigte, fällt jungen Menschen mit einem Lehrabschluss der Einstieg ins Berufsleben leichter als Jung­akademikerInnen. Für viele FH- und Uni-AbsolventInnen zeigt sich der Arbeitsmarkt zunächst von seiner prekären Seite. 33 Prozent der JungakademikerInnen gaben an, eher oder sehr schwer eine reguläre Arbeitsstelle gefunden zu haben. Insgesamt gab jeder vierte Berufstätige an, dass es eher schwer war, den ersten Job zu ergattern. Bei jenen mit Fachausbildung ohne Matura waren es nur 19 Prozent. Frauen und Männer haben übrigens unterschiedliche Strategien, wenn es um die Suche nach einem Arbeitsplatz geht. Während Frauen vorrangig über Inserate Jobs finden, nutzen Männer stärker persönliche Kontakte. Für Hofmann bedeutet das: „Es ist jungen Leuten, vor allem aber eben auch Frauen, zu empfehlen, Netzwerke zu nutzen. Wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, dann sollte man sich nicht scheuen, diese Kontakte in Anspruch zu nehmen.“ Frauen sind übrigens auch zurückhaltender, wenn es um das Verhandeln von Arbeitszeit und Bezahlung geht. 58 Prozent der befragten berufstätigen jungen Frauen gaben im Rahmen der IFES-Umfrage an, bezüglich der Bezahlung keinen Spielraum gehabt zu haben – lediglich sechs Prozent sagten, sie hätten hier viel Mitsprache gehabt. Bei ihren männlichen Kollegen waren es dagegen 13 Prozent und nur 46 Prozent hatten keinerlei Spielraum.

Betriebsklima ist wichtig

Wichtig ist allerdings der Mehrheit der jungen Männer und Frauen das Betriebsklima. So gaben auch 76 Prozent der Befragten an, dass sie einen Job kündigen würden, wenn das Arbeitsklima schlecht wäre oder es zu Mobbing kommen würde. Für 51 Prozent wären keine Gehaltsvorrückungen ein Kündigungsgrund, für 45 Prozent, keine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu haben. Von den befragten Frauen gaben 40 Prozent an, eine Arbeitsstelle aufgeben zu wollen, wenn sie eine Benachteiligung gegenüber männlichen Kollegen spüren.

Martin Geischläger (22) ist Mitarbeiter im Parlament und studiert nebenbei Politikwissenschaft. Foto: Nurith Wagner-Strauss
Martin Geischläger (22) ist Mitarbeiter im Parlament und studiert nebenbei Politikwissenschaft. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Martin Geischläger (22) ist erst seit wenigen Wochen in seinem neuen Job. Er ist nun Mitarbeiter im Parlament und momentan rundum zufrieden. Er absolvierte zunächst eine Fachschule für Flugtechnik, die auf die Wartung von Flugzeugen vorbereitet. Noch während der Ausbildungszeit wurde ihm klar, dass er in der Wartung, die vor allem nachts stattfindet, nicht seine Zukunft sieht. Er absolvierte das Bundesheer und legte danach die Berufsreifeprüfung ab. Erste Arbeitserfahrungen sammelte er in einer Jugendorganisation, wo er für eine Lehrlingskampagne zuständig war, sowie bei einem Bauunternehmer, wo er für Bürotätigkeiten Teilzeit angestellt wurde. Beim ÖGB konnte er im Rahmen einer Karenzvertretung Auslandserfahrung in Brüssel sammeln. „Einen Auslandsaufenthalt kann ich jedem empfehlen, es ist gut, von zu Hause wegzukommen, so ergeben sich neue Perspektiven.“

Studieren neben der Arbeit

In Brüssel reifte auch der Entschluss, an der Uni Wien Politikwissenschaft zu studieren. Mit dem neuen Job wird das Studium wieder mehr in den Hintergrund treten, aber gänzlich an den Nagel hängen will es Geischläger nicht. „Nun muss ich mich einmal ein­arbeiten, und dann werde ich sehen, wie ich die Arbeitszeit gestalten kann, dass das Studium doch möglich ist.“ Auch Zeit für das Privatleben zu haben, ist Geischläger insgesamt wichtig. „Ich bin froh, dass ich geregelte Arbeitszeiten habe. Natürlich, wenn Plenarsitzung ist, bleibt man länger und das macht man dann auch gerne, weil es interessant ist. Aber dafür gibt es dann an einem anderen Tag Zeitausgleich. Das ist mir auch wichtig. Wenn ich für 40 Stunden angestellt bin, möchte ich nicht mehr als 40 Stunden arbeiten, und wenn es doch mehr Stunden werden, dann müssen diese abgegolten werden.“

Rund um die Uhr abeiten ist out

Insgesamt definieren sich junge Menschen von heute, anders als die Yuppie-Generation in den 1990er-Jahren, nicht mehr über selbstausbeuterisches Quasi-rund-und-die-Uhr-Arbeiten, betont Hofmann. Entsprechend kritisch sieht der GPA-djp-Jugendsekretär daher auch das neue Arbeitszeitgesetz, das 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen leichter als bisher möglich macht. Die meisten jungen Menschen seien durchaus bereit, flexibel auf Wünsche des Arbeitgebers zu reagieren. Im Gegenzug werde aber auch erwartet, dass den ArbeitnehmerInnen bei individuellen Wünschen ebenfalls entgegengekommen werde. „Dass sich nur die ArbeitnehmerInnen für den Arbeitgeber verbiegen, das kann es nicht sein“, so Hofmann.

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