Helden an der Strippe

Barbara Schuh, Karl Schimpf,
Elise Trapp und Peter Hummel (v.l.n.r.) sind BetriebsrätInnen in
Callcenter-Unternehmen.

Foto: Daniel Novotny

Sie arbeiten rund um die Uhr, sprechen mehrere Sprachen und behalten auch in Notfällen die Nerven. Die Callcenter-Agents kämpfen für ein besseres Image und mehr Anerkennung.

Den wenigsten Anrufern ist bewusst, welchen Anforderungen Callcenter-MitarbeiterInnen gerecht werden müssen. Ihre Kenntnisse müssen umfangreich sein, bei manchen Diensten werden drei Sprachen vorausgesetzt, dazu noch höchste Flexibilität und Stressresistenz. Immer gut aufgelegt und höflich. Eingesetzt werden sie etwa für Banken, Telekom-Unternehmen, Versicherungen oder auch bei Notruf-Nummern. Elise Trapp, Peter Hummel, Barbara Schuh und Karl Schimpf sind Betriebsräte in Callcenter-Unternehmen. „Wir erfüllen viele Aufgaben und sehen uns als Competence Center und es wäre gut wenn sich dieser Begriff allgemein durchsetzen würde“, erklären sie.
Autopannen, Unfälle und medizinische Notfälle im Ausland – hier muss schnell geholfen werden. Betroffene, oft im Ausnahmezustand und geschockt, kontaktieren eine Notrufnummer ihrer Versicherung. Und gelangen etwa zum Unternehmen, in dem Betriebsrätin Elise Trapp arbeitet. Die Firma betreut außerdem ein Handwerker-Notservice, das etwa bei Sturmschäden am Dach oder dem Wasserrohrbruch am Wochenende zum Einsatz kommt.

Hohe Kompetenz, enormer Druck

„Die KollegInnen an der Hotline erfragen die näheren Umstände – sind sie routiniert, klappt die
Fallaufnahme mit allen wichtigen Daten in weniger als zwei Minuten“, weiß die Betriebsrätin. Werden
sie wegen einem beschädigten Auto angerufen, beauftragen die MitarbeiterInnen während des Gesprächs bereits den nächstgelegenen Abschleppdienst und beruhigen zeitgleich Menschen, die auch wegen Blechschäden die Nerven verlieren können.

Die Arbeitsinhalte können vielfältig sein. Je nach Versicherungsmodalitäten, kümmert sich der Call-Agent auch um Reparatur, Ersatzwagen oder sogar Ersatzteile, organisiert Heimflug und den Rücktransport des Autos. In vielen Callcentern wird ein hohes Maß an Verantwortung übernommen. Neben dem Sperren von Kreditkarten bei Diebstahl und Verlust, „kontrollieren wir auch, ob es zu Betrugsfällen gekommen ist“, berichtet Betriebsrat Peter Hummel, der für ein Bank-Callcenter arbeitet. KundInnen müssen erreicht werden, um einen auffälligen Umsatz zu klären – im Zweifelsfall wird gesperrt, um „einen großen Schaden zu verhindern“.

Neben dem alltäglichen Arbeitsstress, gibt es auch enge Vorgaben. Wie lange ein Call und die Nachbearbeitung durchschnittlich dauern, ist strikt festgesetzt. Vorgesetzte sehen sich ganz genau an, wie lange telefoniert wurde. Ist der vorgegebene Rahmen überschritten, wird der Callcenter-Agent ermahnt, den Kunden zu verabschieden. Rund 30 Sekunden bis drei Minuten dauert in der Regel die Nachbetreuung eines Falles.

Stress und Verantwortung

Callcenter-Betriebsrätin Barbara Schuh arbeitet in einem Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen. „Wenn der Kunde nicht zahlt, wird der Strom abgedreht“, erklärt sie, „doch die MitarbeiterInnen können abschätzen, ob es sich um einen Fall von Kulanz handelt oder sie mit dem Vorgesetzten Rücksprache halten“. Es liegt im Ermessen des Callcenter-Agent. Dass Menschen in Bedrängnis oftmals aggressiv reagieren und auch schreien, ist bekannt, aber nicht erfreulich. „Nur im äußersten Notfall, wenn sie sich mit der Zeit nicht beruhigen, dürfen die Agents auch auflegen“, berichtet Elise Trapp von ihren Arbeits-Erfahrungen. Allerdings müssen sie dabei ihren Namen nennen und die KundInnen darauf hinweisen, wieder anzurufen, wenn sie entspannter sind.

Die Grundausbildung sollte ein Kommunikationstraining bieten, das auch den Umgang mit schwierigen KundInnen thematisiert. Betriebsrätin Schuh: „Sollten sich KundInnen ganz extrem verhalten, können die Anrufe im Normalfall auch an einen Vorgesetzten weitergeleitet werden“. Nach der Ausbildung heißt es learning by doing im engen Großraumbüro: nach drei Monaten agieren die meisten MitarbeiterInnen angstfrei auf die eingehenden Anrufe, Routine stellt sich nach einem Jahr ein. Doch ein hoher Prozentsatz der AnfängerInnen gibt im ersten Jahr auf. Gearbeitet wird in einem Großraumbüro – da sind auch die klimatischen Bedingungen ein entscheidendes Thema. „Im Sommer gibt es immer die Auseinandersetzung zwischen den Zugluft-empfindlichen und den Mitarbeitern, denen zu warm ist“, erzählt Betriebsrat Karl Schimpf. In vielen Büros wird rund um die Uhr im Schichtdienst gearbeitet. „Bei uns gibt es Frühdienste ab 6 Uhr, Mitteldienste, die ab 7 Uhr im Halbstunden-Takt anfangen, Spät- und Nachtdienste. Der Einsatz dauert achteinhalb Stunden,“ erzählt Elise Trapp.

Die Betriebsräte Peter Hummel, Barbara Schuh, Elise Trapp, und Karl Schimpf berichten auch von Problemen, an die vielleicht kein Außenstehender denkt: denn wer länger im Callcenter-Bereich arbeitet, wird immer einsamer. „Mit der Zeit ändert sich der Freundeskreis, die Umgebung geht abends aus, die Agents haben Dienst.“ Wenig Zeit für ein Privatleben oder auch Weiterbildung. „Die KollegInnen werden zum Familien-Ersatz“, wissen die vier BetriebsrätInnen.

Zeit statt Dauerstress

Ein Ziel der kommenden Verhandlungen im KV Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung (Siehe Kasten) ist es, das Recht auf mehr zusammenhängende Freizeit festzuschreiben. Derzeit gibt es nur das Recht auf 36 Stunden Wochenendruhe, das heißt, wer am Samstag frei hat, könnte am Sonntag schon für den Abenddienst eingeteilt werden. „Unsere Agenten müssen sehr flexibel sein und leisten oft Nacht- und Wochenenddienste. Bei uns ist die Belastung stärker als bei einem 9 to 5 Job, daher sollte es das Recht auf mehr zusammenhängende Freizeit geben“, sind sich die Betriebsräte einig.

Vernetzung für mehr Rechte

Die Callcenter Agents fallen in den Kollektivvertrag für Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung. „Bei den letzten KV Verhandlungen sind zwei erfreuliche Verbesserungen gelungen,“ sagt Albert Steinhauser,
GPA-djp-Sekretär.

  1. Höhere Zuschläge für Callcenter Agents, die in der Nacht arbeiten.
  2. Einen Zuschlag für betriebsbedingt notwendige Arbeiten am 24.
    und am 31. Dezember. Wer zu Weihnachten oder zu Silvester nach
    12 Uhr arbeitet, der muss dafür zusätzlich Normalarbeitsstunden und
    einen Zuschlag von 50 Prozent, ab 17 Uhr einen Zuschlag von 100
    Prozent bezahlt bekommen.

Diese Regelungen traten mit 1. Jänner 2020 in Kraft.

Die GPA-djp vernetzt die Callcenter-BetriebsrätInnen, um weiter für mehr Rechte kämpfen!
Ansprechpartner: Albert Steinhauser, erreichbar unter: albert.steinhauser@gpa-djp.at

Scroll to top