Josef Scheuchenegger, Betriebsratsvorsitzender des Spritzgießmaschinenproduzenten und Autoindustrie-Zulieferbetriebes Engel, erklärt warum der Zusammenhalt zwischen Führungskräften und Belegschaft in der Kurzarbeit gewinnbringend ist und warum es sich lohnt, als Belegschaftsvertreter in der Krise an vorderster Front zu stehen.
KOMPETENZ: Die Angestellten der Firma Engel sind seit 1. April in Kurzarbeit. Wie kommt die Belegschaft damit zurecht?
SCHEUCHENEGGER: Die Kurzarbeit hat uns in der aktuellen Krise sehr geholfen, die gesamte Belegschaft inklusive der Leasingkräfte, konnte gehalten werden. Aktuell wickeln wir mit einem hohen Personalstand bestehende Aufträge ab. Überstunden fallen derzeit keine an.
KOMPETENZ: Können durch die Kurzarbeit die Auftragsrückgänge in der Automobilindustrie abgefangen werden?
SCHEUCHENEGGER: Wir stellen hauptsächlich Spritzgießmaschinen für die Automobilindustrie her, unsere Auftragslage ist daher stark an den Absatz am Automarkt gebunden. Auftragseinbrüche sehen wir seit Herbst letzten Jahres. Seit Weihnachten 2019 haben wir daher einen Sozialplan laufen, das hilft uns zusätzlich, gut durch die Krise zu kommen. Auftragseinbrüche können aber langfristig nicht ausgeblendet werden.
KOMPETENZ: Engel hat Werke und rege Geschäftsbeziehungen in Asien. Wann waren die Auswirkungen der Covid-Pandemie für die Firma spürbar?
SCHEUCHENEGGER: Wir haben bereits Ende Jänner miterlebt, dass auch die Werke der Autoteile-Zuliefererindustrie in Asien geschlossen wurden. Von unseren Kollegen vor Ort haben wir sehr früh viele Details erfahren, welche Auswirkungen auf die Betriebe zu erwarten sind.
KOMPETENZ: Wie hat das Unternehmen reagiert?
SCHEUCHENEGGER: Mitte Februar wurde eine eigene „Health Management Gruppe“, bestehend aus Führungskräften und Belegschaftsvertretern, eingerichtet. So haben wir uns frühzeitig darauf vorbereitet, was passieren kann, wenn der Virus auf unser Unternehmen trifft.
Am Sonntag den 15. März wurde die Belegschaft des Stammwerkes Schwertberg vorsorglich nach Hause geschickt. Die Werke in St. Valentin und Dietach wurden nur Tage später geschlossen. Der Betrieb stand vier Wochen lang still, alle Werke waren bis 14. April geschlossen. Die KollegInnen aus der Werkstatt arbeiten zwecks Risikominimierung derzeit noch im Schichtbetrieb.
„Der Betrieb stand vier Wochen lang still, alle Werke waren bis 14. April geschlossen.“
Josef Scheuchenegger
In der 2. Märzwoche wurden bereits einige MitarbeiterInnen, die in Ischgl auf Schiurlaub waren, positiv getestet. Daraufhin wurde eine Reihe von KollegInnen von den Behörden als Kontaktperson ersten Grades in Quarantäne geschickt.
KOMPETENZ: Was ist mit den Büroangestellten passiert?
SCHEUCHENEGGER: Wir haben im Stammwerk Schwertberg ca. 2.200 MitarbeiterInnen, an allen Standorten zusammen inklusive Leasingkräften ca. 3.500 Beschäftigte. Wir haben es geschafft, alle 1.500 Büroangestellten innerhalb von 24 Stunden auf Homeoffice um zu stellen – mit aller Hardware. Die Konstrukteure haben ihre Arbeitsgeräte im Büro abgebaut, zuhause wieder aufgebaut und alles hat funktioniert.
Es war eine sehr herausfordernde Zeit, selbst die Kurzarbeitsverträge haben wir im Homeoffice verhandelt.
KOMPETENZ: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Management in dieser Zeit?
SCHEUCHENEGGER: Es gab ein sehr gutes Miteinander mit dem Management und der Personalabteilung. Die Verhandlungen wurden über den Zentralbetriebsrat für alle Standorte geführt. Mit 1. April waren wir startklar und haben die Kurzarbeit für alle Beschäftigten gestartet.
KOMPETENZ: Alles hat reibungslos geklappt?
SCHEUCHENEGGER: In Summe ja, wir haben auch die erste Stunden-Monatsabrechnung im April gut über die Runden gebracht. Wir haben in der Metallbranche generell eine gute Basis bestehender Regelungen. Bestehende Passagen des Kollektivvertrages und der Betriebsvereinbarungen in die Kurzarbeitsregelung hineinzuarbeiten war dennoch keine ganz leichte Aufgabe.
KOMPETENZ: Wo hat es sich gespießt?
SCHEUCHENEGGER: Es war schwierig, die tatsächliche Auslastung in den jeweiligen Werkstandorten abzubilden. Einige stehen aufgrund der Auftragslage bei 50 Prozent, andere bei 70 Prozent Arbeitsleistung.
Bis Dato haben alle Lohnabrechnungen gepasst, wir haben zahlreiche nachgerechnet. Die Beiträge wurden treffsicher und richtig abgeführt, alle KollegInnen haben ihr Geld pünktlich bekommen.
„Wir haben keine einzige ArbeitnehmerIn an die Arbeitslosigkeit verloren.“
Josef Scheuchenegger
KOMPETENZ: Wie hoch ist das Entgelt in der Kurzarbeit?
SCHEUCHENEGGER: Alle Beschäftigten bekommen während der Zeit der Corona-Kurzarbeit 80 Prozent ihres ursprünglichen Einkommens. Sie bekommen auch mehr, wenn sie mehr als 80 Prozent der Normalarbeitszeit gearbeitet haben. Das ist ein wichtiger Faktor der sozialen Absicherung für unsere Belegschaft. Wir haben keine einzige ArbeitnehmerIn an die Arbeitslosigkeit verloren.
KOMPETENZ: Wie lange bleibt das Unternehmen in Kurzarbeit?
SCHEUCHENEGGER: Aktuell verhandeln wir die zweite Phase der Kurzarbeit, die dann von 1. Juli bis 30. September ginge. Wir profitieren von unseren Erfahrungen aus der ersten Verhandlungstranche.
Im Sommer wird das Unternehmen auch den üblichen zweiwöchigen Betriebsurlaub abhalten.
KOMPETENZ: Wurde der Betriebsurlaub aufgrund der Corona-Krise notwendig?
SCHEUCHENEGGER: Nein, die Produktionswerke schließen jedes Jahr im Sommer zwei Wochen lang. Fließbänder im Montagebereich können produktiv gesehen nur entweder fahren oder stehen, man kann diese nicht mit der halben Belegschaft betreiben.
Unternehmensleitung und Belegschaftsvertreter waren sehr zufrieden damit, wie gut die Umstellung der Angestellten auf den Homeoffice-Betrieb geklappt hat.
Josef Scheuchenegger
KOMPETENZ: Wie hat die Umsetzung der Kurzarbeit bei den Angestellten funktioniert?
SCHEUCHENEGGER: Die Kooperation hat reibungslos funktioniert. Unternehmensleitung und Belegschaftsvertreter waren sehr zufrieden damit, wie gut die Umstellung der Angestellten auf den Homeoffice-Betrieb geklappt hat. Es hat alle äußerst positiv überrascht, dass dermaßen ungestört weitergearbeitet werden konnte. Durch das Arbeiten von Zuhause aus konnten viele Corona bedingte Probleme und Umstände, wie zum Beispiel die Kinderbetreuung, von den KollegInnen leichter abgefedert und erledigt werden. Unsere Gleitzeitverträge lassen den nötigen Spielraum und geben breite Möglichkeiten, sich die Arbeitszeiten einzuteilen.
KOMPETENZ: Wie war die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung?
SCHEUCHENEGGER: Die Kooperation mit den Entscheidungsträgern war durchaus gut. In der Krise haben sowohl die Personalverantwortlichen als auch wir Betriebsräte von Beginn an alle Fakten auf den Tisch gelegt. Dies ist nicht die Zeit um Interessenskonflikte auszufechten, uns ist klar, dass wir derzeit alle an einem Strang ziehen müssen. Der Wunsch der Geschäftsführung, gemeinsam gut durch diese Phase zu kommen, ist spürbar. So ist es uns gelungen, eine relative Arbeitsplatzsicherheit für 3.500 Beschäftigte aufzubauen.
KOMPETENZ: Wie ist das in der Praxis abgelaufen?
SCHEUCHENEGGER: Wir haben Probleme aufgezeigt und ausgeredet, ohne Positionen abzustecken. Der Zusammenhalt zwischen Führungskräften und Belegschaft ist aktuell für das Unternehmen und die Beschäftigten gewinnbringend.
„Kurzarbeit ist ein tolles Instrument zur Krisenbewältigung. Ich bin stolz, dass wir in diesen bewegten Tagen eine gute Regelung für die Beschäftigten zustande gebracht haben.“
Josef Scheuchenegger
Kurzarbeit ist ein tolles Instrument zur Krisenbewältigung. Ich bin stolz, dass wir in diesen bewegten Tagen eine gute Regelung für die Beschäftigten zustande gebracht haben. Die Zufriedenheit unter den MitarbeiterInnen mit der Regelung ist hoch. Der Output ist konstant, also ist auch die Unternehmensführung zufrieden.
KOMPETENZ: Was schätzen die Menschen an der Kurzarbeit und am Homeoffice?
SCHEUCHENEGGER: Oft sind es banale Erleichterungen des Arbeitsalltages. Viele sparen sich Wegzeiten, aufwendige Kleidung oder das morgendliche Schminken.
KOMPETENZ: Dein Resümee über die Krisenzeit?
SCHEUCHENEGGER: Diese Zeit ist irrsinnig anstrengend aber auch sehr gewinnbringend und lohnend. In Krisen kneift man nicht, da steht man vorne. Die Anstrengungen haben sich gelohnt, alle KollegInnen sind noch an Bord.
KOMPETENZ: Wie geht es nun weiter?
SCHEUCHENEGGER: Wir beginnen bereits darüber nachzudenken, wie es nach Auslaufen der Kurzarbeitsregelung im Oktober weitergehen wird. Wir werden eine Lösung brauchen, wie mit Corona bedingten Auftragsausfällen umzugehen ist. Wir stehen hier nicht alleine, eine derartige Folgelösung wird für viele Industriebetriebe in Österreich zu treffen sein. Die Auftragslage für den Herbst sieht aus jetziger Sicht nicht rosig aus.
Zur Person:
Josef Scheuchenegger ist seit 24 Jahren Betriebsratsvorsitzender in der Engel Gruppe. Der ausgebildete Techniker wohnt in Schwertberg am Firmensitz von Engel. Privat unternimmt der verheiratete Familienvater von drei Kindern und sechs Enkelkindern viel Zeit mit diesen.