Kindergärten und Schulen müssen bei einer zweiten Coronawelle Betreuung anbieten, fordern Gewerkschaft und ElternvertreterInnen. Mütter und Väter dürften nicht nochmals – wie im Frühjahr – zu BittstellerInnen werden.
Die schwierige Betreuungssituation im Frühjahr hat viele Eltern, vor allem Alleinerziehende, an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Die einen mussten Home-Office und Distance Learning unter einen Hut bringen. Die anderen wussten während des Shutdowns, wo Schulen nicht geöffnet hatten, nicht, wie sie ohne Großeltern die Betreuung der Kinder bewerkstelligen sollten.
Sonderbetreuungszeit
Die Regierung zauberte zwar eine dreiwöchige Sonderbetreuungszeit aus dem Hut, die bis Ende Mai in Anspruch genommen werden konnte, allerdings ohne Rechtsanspruch und auch für Arbeitgeber wenig attraktiv, da nur ein Drittel der Lohnkosten durch den Bund übernommen wurde. Die Inanspruchnahme war daher überschaubar, auch wenn das Modell als Sommer-Sonderbetreuungszeit mit weiteren drei Wochen bis Ende September ausgeweitet und verlängert wurde. Dies spiegelte aber nicht den tatsächlichen Bedarf an Betreuung wieder, kritisiert GPA-djp-Frauensekretärin Birgit Isepp.
Bereits Erste Coronafälle in Schulen
Das neue Schuljahr ist angelaufen, an den ersten Schulen gab es bereits Coronafälle und insgesamt steigen die Infektionszahlen wieder rasant. Was bedeutet das für die Eltern? Evelyn Kometter, Vorsitzende des Österreichischen Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, pocht – wie auch Isepp – darauf, dass die Schulen zu jeder Zeit für jene Kinder offenstehen, deren Eltern berufstätig sind und nicht im Home-Office arbeiten können. Sie berichtet, dass sie im Frühjahr Rückmeldungen aus allen Bundesländern erhalten habe, wonach vor allem Alleinerziehenden mit mehreren Kindern vom Arbeitgeber eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nahegelegt worden sei. „Man sei ein zu hohes Sicherheitsrisiko, hieß es,“ erzählt sie, und betont, dass sich das nicht wiederholen dürfe. Eltern dürften nicht erneut Bittsteller sein, weder, wenn sie Kinder im Kindergartenalter haben, noch wenn ihre Kinder die Schule besuchen.
Was tun im Quarantänefall?
Das sieht auch Isepp so. Lösungen braucht es aber auch für jenen Fall, dass für das Kind, weil es zum Beispiel in der Schule mit einem/r mit dem Coronavirus infizierten MitschülerIn in Kontakt kam, eine Quarantäne verhängt wird oder das Kind selbst an Covid-19 erkrankt. In letzterem Fall können ArbeitnehmerInnen die Pflegefreistellung im Ausmaß von einer Woche, für Kinder unter zwölf Jahren von zwei Wochen, in Anspruch nehmen (sollten sie sie in diesem Jahr noch nicht konsumiert haben). Ist das Kind aber nicht selbst erkrankt, sondern muss als Kontaktperson in Quarantäne, greift die Pflegefreistellung nicht. Die Regierung hat hier nun eine neuerliche Verlängerung mit der
möglichen Inanspruchnahme von weiteren drei Wochen Sonderbetreuungszeit in Aussicht gestellt, nun mit einer 50-prozentigen Übernahme der Lohnkosten durch den Bund. Der Haken bleibt jedoch weiter der fehlende Rechtsanspruch, wie Isepp betont. So sei man vom Goodwill des Arbeitgebers abhängig. Die GPA-djp-Frauensekretärin fordert daher einen Rechtsanspruch auf diese Sonderbetreuungszeit.
„Es gibt zahlreiche Eltern, die haben keine einzige Stunde Zeitausgleich mehr, keinen Tag Urlaub und auch die Pflegefreistellung ist ausgeschöpft.“
Evelyn Kometter
Der Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak von der Universität Wien weist allerdings darauf hin, dass für Angestellte im Angestelltengesetz (Paragraf 8, Absatz 3) ohnehin eine Freistellung mit Entgeltfortzahlung ohne Vereinbarung vorgesehen sei, wenn er oder sie „durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird“. Einer dieser anderen wichtigen Gründe sei eben auch die notwendige Betreuung eines Kindes. Für diese bezahlte Freistellung im Ausmaß von rund einer Woche pro Anlassfall bestehe auch keine Vereinbarungspflicht mit dem Arbeitgeber. Dieser müsse nur umgehend informiert werden.
Eltern mit mehreren Kindern besonders betroffen
Kometter gibt allerdings zu bedenken, dass es vor allem für Eltern mit mehreren Kindern dennoch erneut eng werden könnte. Wenn etwa drei Kinder nacheinander in Quarantäne geschickt würden oder erkranken, sei das auch für den Arbeitgeber eine schwierige Situation. Sie schlägt daher vor, sich hier auch seitens der Schulen Angebote zu überlegen, wie etwa gesonderte Klassen für Kinder in Quarantäne, die aber nicht erkrankt seien, sodass diese Mädchen und Buben dennoch außer Haus betreut werden können. „Es gibt zahlreiche Eltern, die haben keine einzige Stunde Zeitausgleich mehr, keinen Tag Urlaub und auch die Pflegefreistellung ist ausgeschöpft.“
Gesellschaftlicher Backlash zeichnet sich ab
Sorgen macht Isepp aber auch die langfristige Perspektive für Frauen. Bereits der Shutdown im Frühjahr habe gezeigt, dass Frauen oft neben Home-Office und Haushalt auch noch die Unterstützung der Kinder beim Distance Learning zu bewerkstelligen hatten. Das mache die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwer, ein gesellschaftlicher Backlash zeichne sich ab. Hier müsse gegengesteuert werden, das dürfe sich nicht verfestigen. Isepp fordert daher, dass sich die Politik nun an ihr Versprechen hält, dass kein – gesundes und nicht in Quarantäne geschicktes – Kind von Kindergarten oder Schule abgewiesen wird. Eltern bräuchten Planungssicherheit. Im Frühjahr sei der Umgang mit dieser Pandemie eine für alle völlig neue Situation gewesen. Nun habe man aber schon aus den bisherigen Erfahrungen lernen können. Eine davon sei, dass Eltern nicht ein zweites Mal zur Bewältigung der Krise derart in die Pflicht genommen werden könnten.