„Raus aus meiner Komfortzone!“

Kerstin Kern (23), gf. Vorsitzende der GPA Jugend in Salzburg und Frauenbeauftragte, kämpft gegen Diskriminierung und für Gleichstellung. Sie kann es nicht erwarten, nach Corona endlich wieder uneingeschränkt für ihre Anliegen demonstrieren zu können.

Eine Steilkarriere in sehr kurzer Zeit: Von der Jugendvertrauensrätin in einem Handelsbetrieb zur Salzburger Jugendvorsitzenden der GPA. Nebenbei noch Frauenbeauftragte der GPA Bundesjugend, Präsidiumsmitglied und Delegierte im Bundesjugendvorstand. Matura, Lehre, Job, nun auch Studentin. Was kann man in so kurzer Zeit alles an Arbeit und politischem Engagement unterbringen – und was brachte Kerstin Kern dazu, sich bei der Gewerkschaft zu engagieren?

Ihr großes Berufsziel war immer schon Sozialarbeiterin zu werden. Nach der Matura wollte sie studieren, aber konnte sich das Studium zunächst finanziell nicht leisten. „Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Meine Eltern haben mich immer bei allem bedingungslos unterstützt, konnten mir aber ein Studium nicht finanzieren“, erzählt sie. Also hat sie nach der Matura zunächst eine Lehre absolviert und gearbeitet, bis sie 2020 endlich für ein Selbsterhalter-Stipendium qualifiziert war. „Ich hatte das Ziel immer vor Augen, aber der Weg war lang.“

„Ich hatte das Ziel immer vor Augen, aber der Weg war lang.“

Kerstin Kern

Kern besuchte in Salzburg nach der Hauptschule das Oberstufenrealgymnasium und schloss mit AHS-Matura ab. Noch vor der Matura zog sie von zu Hause aus, weil sie auf eigenen Beinen stehen wollte. Im Anschluss an den Schulabschluss fing sie eine Lehre bei einem großen Handelsunternehmen in Salzburg an. Nach zweijähriger, aufgrund der Matura verkürzter Lehrzeit und Lehrabschluss war sie anschließend dort noch zwei weitere Jahre als Personalverrechnerin tätig.

Mittlerweile studiert sie im zweiten Semester ihres Bachelorstudiums ‚Soziale Arbeit’ an der FH Salzburg. Ihr Pflichtpraktikum möchte sie gern breit gefächert absolvieren und in so viele Bereiche wie möglich reinschnuppern. Trotzdem liegt ihr jetzt schon die Arbeitslosigkeit besonders am Herzen. „Ich möchte nach dem Studium mit Erwachsenen arbeiten, mich interessieren vor allem Menschen in Arbeitslosigkeit. Wie kann man Arbeitslosigkeit bekämpfen oder langzeitarbeitslosen Menschen helfen, ihre Stigmatisierung zu überwinden?“

Jugendvertrauensrätin

Zur Gewerkschaft kam Kern, als während ihrer Lehrzeit Ersatzmitglieder für den Jugendvertrauensrat in ihrem Betrieb gesucht wurden. Spontan meldete sie sich, „auch wenn ich damals noch nicht mal genau wusste, was ein Jugendvertrauensrat eigentlich genau macht.“ Da sie in einem großen Konzern arbeitete, konnte sie als gewähltes Ersatzmitglied am gewerkschaftlichen Grundkurs für Betriebsräte und Jugendvertrauensräte teilnehmen.

„Auf der Fahrt dorthin verbrachte ich drei Stunden im Auto mit der damaligen Jugendsekretärin. Sie hat mir alles über die Gewerkschaft erklärt, ich hatte viel Zeit, Fragen zu stellen“, erinnert sich Kern. Und am Ende ihres Grundkurses wusste sie: das ist was für mich! Als die Jugendsekretärin sie fragte, ob sie sich gewerkschaftlich engagieren wolle, sagte sie sofort zu. „Das war eher untypisch für mich, so spontan mit vielen unbekannten Menschen fühle ich mich normalerweise nicht so rasch wohl. Da bin ich wirklich aus meiner Komfortzone rausgekommen“, gesteht sie rückblickend.

Als nächstes nahm sie an der Frauendemo am 8. März teil: „Es war einfach so cool und ich habe so viele tolle Leute getroffen wie noch nie, Menschen, mit denen ich mich über alles unterhalten kann.“

Kampf für Gleichstellung

Aus ihrem anfänglichen Engagement als Jugendvertrauensrätin wurde rasch mehr, sie beendete ihre Zeit in ihrem Betrieb als Vorsitzende des Jugendvertrauensrates. In der GPA Jugend ist sie mittlerweile Präsidiumsmitglied und seit einem Jahr geschäftsführende Vorsitzende der GPA Landesjugendorganisation Salzburg. Eine Verkettung von Zufällen? „Rückblickend war das sicher mehr als nur Zufall, das macht schon alles Sinn!“

„Es gibt einfach immer noch so viel Ungerechtigkeit, sowohl was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht, als auch bei den verschiedenen sozialen Schichten. Diskriminierung oder Gewalt kann jede Frau treffen, aber Frauen aus benachteiligten Gruppen sind umso stärker betroffen“

Kerstin Kern

Als Frauenbeauftragte der Bundesjugend kämpft sie für Chancengleichheit. Dieses Anliegen zieht sich bei ihr überall durch, auch in der Berufswahl und in der Gewerkschaftsarbeit insgesamt. „Es gibt einfach immer noch so viel Ungerechtigkeit, sowohl was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht, als auch bei den verschiedenen sozialen Schichten. Diskriminierung oder Gewalt kann jede Frau treffen, aber Frauen aus benachteiligten Gruppen sind umso stärker betroffen“, kritisiert Kern. Ihr Ziel: „Alle Frauen müssen ausreichend Geld zum Leben verdienen können und sich in unserer Gesellschaft sicher fühlen. Solange das nicht ausnahmslos und für alle gilt, müssen wir gemeinsam dagegen aufstehen.“

Kerstin Kern auf der Demo gegen den 12-Stunden-Tag 2017
Foto: GPA Salzburg

Straßenaktionen statt Newsletter

Die Corona-Pandemie, so bedauert sie, legt leider momentan vieles still. Sie hat ihre gewerkschaftliche Arbeit zum Großteil auf Social Media verlagert und verschickt Newsletter, damit wichtige Themen während Corona präsent bleiben. „Auch jetzt sind wegen Corona Frauen schon wieder stärker diskriminiert. Alle reden vom Arbeitsmarkt und den fehlenden Arbeitsplätzen – für Frauen ist alles noch einmal schlechter! Frauen sind viel öfter in prekären Arbeitsverhältnissen, und müssen außerdem noch die Kinderbetreuung stemmen.“

In normalen Zeiten begeistert sie sich für die „großen Termine“, für Straßenaktionen, gerne auch laut und auffällig, wie z.B. am Internationalen Frauentag oder am Internationalen Tag der Menschenrechte. Auch das fällt während Corona momentan aus, auf politischer Ebene sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt: „Online-Aktionen auf den Social Media sind wichtig und heutzutage auch dringend notwendig, haben aber einfach nicht den gleichen Effekt wie große Straßenaktionen oder Demos,“ bedauert Kern.

Zukunftspläne

Worauf sie sich ganz besonders freut, wenn Corona endlich vorbei sein wird? „Auf die FH und beruflich auf meine Praktika, das ist für mich enorm wichtig, dass ich meine Praktika ohne Einschränkungen absolvieren kann. Und sonst freue ich mich auf alle sozialen Kontakte!“ sagt Kern. Demnächst wird sie bereits zum zweiten Mal ihren Geburtstag im Lockdown feiern. Ihre FreundInnen sehen zu können und mit ihnen feiern zu gehen, das geht ihr mittlerweile ab. Aber auch endlich wieder einen Präsenz-Frauenvorstand in der GPA abhalten zu können, bei dem sich alle real treffen und austauschen können. „Ich bin eine kommunikative Persönlichkeit, auf die Dauer ist mir Online einfach zu wenig, damit komme ich nicht so gut zurecht.“

„Ich bin eine kommunikative Persönlichkeit, auf die Dauer ist mir Online einfach zu wenig, damit komme ich nicht so gut zurecht.“

Kerstin Kern

Auch die kleinen Sachen fehlen, mal abends mit einer Freundin essen gehen nach einem langen Tag. „Studium, Gewerkschaft, Arbeit – ich arbeite viel und gern, aber mir fehlt momentan der Ausgleich.“

Was Corona angeht, würde Kern sich außerdem wünschen, dass nach der Pandemie eine Bilanz aus dieser Zeit gezogen wird. Ein Zurück zur Normalität von vorher reicht für sie nicht. Fehlende Lehrstellen, Jugendarbeitslosigkeit – „die Jugend kommt seit einem Jahr ständig zu kurz“, findet sie. Und: „Was können wir nachher besser machen als es vorher war? Es ist eine extreme Situation, was sind die Lehren daraus? Ich wünsche mir, dass wir unseren Blick weg von ausschließlich Arbeit und Leistung, mehr in Richtung Mensch und Menschlichkeit lenken.“

Scroll to top