Österreich legt nationalen Aufbauplan für Verwendung der EU-Hilfsgelder vor

Als Reaktion auf die enormen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie hat die EU bereits Ende 2020 ein 750-Milliarden-Euro Hilfspaket auf den Weg gebracht. Für Österreich sind darin 4,5 Milliarden Euro an direkten Zuschüssen vorgesehen.

Mitte April hat die Bundesregierung zur Abholung dieser Mittel endlich den bereits sehnlich erwarteten nationalen Aufbauplan bei der EU-Kommission eingereicht.

Kaum tatsächlich neue Projekte – geringer Beitrag zur Überwindung der Krise

Im vorgelegten Plan der Bundesregierung sind lediglich 4 Prozent der Mittel für Investitionen in neue Projekte vorgesehen. Das restliche Geld wird jeweils zur Hälfte in bereits laufende oder im Regierungsprogramm ohnehin vorgesehene Projekte investiert. Bereits budgetierte Ausgaben werden also vielfach durch EU-Mittel ersetzt und nicht einmal aufgestockt. Das ist weder im Sinne der Bevölkerung noch in jenem der EU und wird nicht ausreichen, um aus der Krise zu kommen.

Es wird also deutlich weniger Geld zur Bewältigung des Klimawandels, der digitalen Transformation und vor allem für dringend benötigte Investitionen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Genau das wäre angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise aber dringend nötig.

Wenig Ambitionen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut

Aufgrund der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und den Herausforderungen, die Digitalisierung und Ökologisierung für den Arbeitsmarkt mit sich bringen, wären hier umfangreiche Investitionen von wesentlicher Bedeutung. Die AMS-Mittel hätten spürbar aufgestockt werden müssen, um vor allem Maßnahmen für Frauen, Jugendliche sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes möglich zu machen. Das ist im Aufbauplan der Bundesregierung jedoch so nicht vorgesehen.

Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit wird überhaupt nicht adressiert, obwohl gerade bei dieser Gruppe von Menschen in den letzten Monaten ein besonderer Anstieg zu verzeichnen ist.

Im Aufbauplan erkennt man zwar an, dass Frauen stärker von der Krise insgesamt und vor allem von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen wird dem jedoch keine Rechnung getragen.

Kein zusätzliches Geld für Aus- und Weiterbildungen

Laut Aufbauplan will die Bundesregierung zwischen 2021 und 2023 gut 277 Millionen Euro der EU-Hilfsgelder in Weiterbildungs- und Umschulungsinitiativen investieren. Diese Maßnahmen sind zwar grundsätzlich unterstützenswert, aber großteils schon angelaufen. Bestehende Programme werden hier also durch EU-Gelder, statt nationaler Budgetmittel finanziert. Dringend benötigte zusätzliche Maßnahmen werden dadurch nicht geschaffen. Eine deutliche Ausweitung der Umschulungen und Anpassung der Qualifikationen von Beschäftigten im Rahmen des Strukturwandels durch Digitalisierung und der Anforderungen der Dekarbonisierung wird es daher nicht geben.

Klimaschutz, Umwelt und nachhaltige Mobilität – Sozialökologischer Umbau fehlt

Ein Großteil der aufgelisteten Maßnahmen im Bereich Klimaschutz, Umwelt und nachhaltige Mobilität (1-2-3 Klimaticket, Errichtung und Elektrifizierung von Bahnstrecken, …) sind jedenfalls unterstützenswert. Allerdings werden auch hier in vielen Fällen bereits budgetierte Ausgaben einfach durch EU-Mittel ersetzt. Der ökologische Gesamteffekt dieser Maßnahmen wird nicht ausgewiesen.

Bedauerlich ist, dass die Bundesregierung mit ihrem Aufbauplan nicht die Chance genützt hat, ein Gesamtkonzept zum strategischen Umgang mit dem notwendigen sozial-ökologischen Umbau vorzulegen. Der bevorstehende grüne und industrielle Strukturwandel muss in der politischen Prioritätenliste ganz nach oben rücken. Aktuell zeigt sich das besonders in der österreichischen Industrie, die angesichts der rasanten Entwicklung in Richtung Elektromobilität vor großen notwendigen Investitionen und beschäftigungspolitischen Herausforderungen steht. Gerade auch vor dem Hintergrund der drohenden Schließung des MAN-Werkes in Steyr stellt sich die Frage, ob nicht durch Förderungen und öffentliche Beteiligungen generell die Produktion von emissionsfreien Fahrzeugen in Österreich durch Mittel aus dem Aufbauplan angestoßen werden hätte können.

Im Aufbauplan sind keine Mittel vorgesehen, mit denen die Einrichtung von Arbeitsstiftungen für einen sozial-ökologischen Umbau unterstützt werden könnte. Jenen Beschäftigten, deren Arbeitsplätze aufgrund der Dekarbonisierung in Gefahr sind, hätte dadurch der Umstieg in andere Tätigkeitsfelder ermöglicht werden können. Die im „Just transition“ Fund der EU dafür vorgesehenen Mittel werden dafür jedenfalls nicht ausreichen.

Sozialpartner in Erstellung des nationalen Aufbauplanes de facto nicht eingebunden

Die EU hat die Einbindung der Sozialpartner bei der Erstellung der nationalen Aufbaupläne dezidiert vorgesehen. Das ist in Österreich jedoch de facto nicht geschehen. Die Sozialpartner haben weder den Entwurf des Planes erhalten, noch wurde ihnen die Gelegenheit eingeräumt, ihre Vorschläge und Forderungen in geeigneter Form zu präsentieren.

Dafür wäre jedoch genügend Zeit gewesen. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat sich Österreich viel Zeit gelassen, den Aufbauplan zu erarbeiten. Genau diese Zeit hätte die Regierung nützen müssen, um mit den Sozialpartnern in einen fundierten Austausch zu treten. Nun gibt aufgrund der Abgabefrist nicht einmal die Möglichkeit, das Konzept zu begutachten.

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