Herbstlohnrunde: Wir verzichten nicht!

„Hätte die Bundesregierung stärker auf warnende Stimmen gehört und die Vorschläge der Gewerkschaften ernst genommen, dann wären die Voraussetzungen für die Lohn- und Gehaltspolitik um einiges einfacher“, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber (dritte v.l.).
Foto: GPA

Die Gewerkschaft GPA verhandelt in diesem Herbst für hunderttausende Beschäftigte die Gehaltserhöhung. Die heurige Kollektivvertragsrunde findet unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen statt. Zur anhaltend hohen Inflationsrate gesellt sich nun eine wirtschaftliche Eintrübung. Lohnverzicht wäre jedoch die völlig verkehrte Antwort.

Mit 7,5 Prozent ist die Inflationsrate im August in Österreich eine der höchsten im Euroraum. Einer der Gründe dafür liegt in den hohen Energiepreisen, welche sich durch die gesamte Wirtschaft verbreiten. Aktuell sind vor allem Lebensmittel, Dienstleistungen und Wohnen teuer. Die rollierende Inflation des vergangenen Jahres, die als Verhandlungsbasis für die KV-Verhandlungen gilt, liegt bei 9,6 Prozent.

„Die Beschäftigten im Handel können sich einen
Gehaltsverzicht schlicht und einfach nicht leisten. Hier geht es neben der Bewältigung des individuellen Lebens auch um die Kaufkraft einer halben Million Menschen. Gerade der Handel selbst muss ein großes Interesse daran haben, dass die Konsumnachfrage nicht einbricht.“

Martin Müllauer,
Betriebsratsvorsitzender von MORAWA und Vorsitzender GPA-Wirtschaftsbereich Handel

Die österreichische Regierung hat sich trotz vieler kritischer Stimmen dafür entschieden, die Auswirkungen der Inflation fast ausschließlich durch Direktzahlungen zu bekämpfen und nicht bei deren Entstehung anzusetzen. Damit bleibt die hohe Belastung durch die Inflation weiterhin aufrecht.

„Hätte die Bundesregierung stärker auf warnende Stimmen gehört und die Vorschläge der Gewerkschaften ernst genommen, dann wären die Voraussetzungen für die Lohn- und Gehaltspolitik um einiges einfacher. Es werden aber sicher nicht die Beschäftigten sein, die die Fehler der Politik nun ausbaden“, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.

Unternehmen konnten Gewinne ausbauen

Viele Unternehmen konnten die inflationsbedingten Kostensteigerungen an die Kund:innen weiter geben und ihre Gewinne in den letzten Jahren stark erhöhen. Es ist auch kein Fall bekannt, wo den Ausschüttungen an Eigentümer Grenzen nach oben gesetzt wurden. „Es wäre absurd, wenn nun ausgerechnet die Beschäftigten jene Gruppe sind, bei denen als erstes ein Deckel nach oben bei Löhnen und Gehältern eingezogen wird. Die Teuerung des letzten Jahres muss abgegolten werden, alles andere wäre ein mehr als schlechtes Geschäft für die unselbständig Beschäftigten“, stellt Teiber klar.
Stagnierende bzw. sinkende Realeinkommen wären nicht nur für jede/n Einzelne/n eine nicht zumutbare Belastung, sondern auch in Zeiten eines drohenden wirtschaftlichen Abschwunges fatal. Die Europäische Kommission hat bereits in der Frühjahrsprognose darauf hingewiesen, dass der private Konsum in Österreich 2023 ganz erheblich für das Wachstum und damit den Wohlstand verantwortlich sein wird. In dem Zusammenhang spricht die Kommission auch von der Wichtigkeit von starken Lohn- und Gehaltserhöhungen!

Neue Form der Lohnfindung

Es ist nur allzu durchschaubar, dass aktuell vor allem von marktliberalen Stimmen darauf gedrängt wird, die Laufzeiten der Abschlüsse zu verlängern. Denn wir kommen jetzt in eine Phase, in der die rollierende Inflation, also der 12-Monatsdurchschnitt der Inflation, höher als die aktuelle monatliche Inflationsrate ist. „Nun auf jährliche Verhandlungen zu verzichten, würde uns die Möglichkeit nehmen, auf die wirklichen Gegebenheiten der Wirtschaft und der Preisentwicklung flexibel einzugehen. Seit jeher ist die solidarische Lohnpolitik an der Inflation und der Produktivitätssteigerung des vergangenen Jahres orientiert. Diese Vorgehensweise ist geübt und gibt den Unternehmen ausreichend Planungssicherheit“, legt sich der Chefverhandler der GPA, Karl Dürtscher, fest.

Immer wieder kommen außerdem Rufe zur Verwendung eines anderen Index als Basis für die Lohnverhandlung auf – je nachdem wie es gerade vorteilhaft für die Unternehmerinteressen ist. Meist wird in diesem Zusammenhang vom „BIP-Deflator“, dem Preisindex der heimischen Wertschöpfung gesprochen. „Um die Kaufkraft der Arbeitsleistung zu bewahren und damit sicherzustellen, dass der Lebensstandard der Menschen in Österreich zumindest gleichbleibt, ist es notwendig, alle Ausgaben mit denen Haushalte konfrontiert sind, zu berücksichtigen. Das ist nur durch die Betrachtung aller relevanten Preissteigerungen möglich“, sagt dazu der Leiter der GPA-Grundlagenabteilung David Mum.

„Die Angestellten und die Arbeiter:innen können am allerwenigsten etwas für die extrem hohe Inflation. Es ist nicht einzusehen, dass ausgerechnet sie für die Fehler der Politik die Zeche zahlen sollen. Im Standortwettbewerb bestehen wir durch ausgezeichnete Produktivität, durch hohe Qualitätsstandards, aber keinesfalls durch Lohndumping. Und es geht auch um den Erhalt der Kaufkraft für alle Kolleg:innen.“

Reinhard Streinz,
Angestellten-Betriebsratsvorsitzender der voestalpine Stahl GmbH und GPA-Verhandler in der Metaller-Runde

Auch Einmalzahlungen werden heuer wieder als Alternative zu prozentuellen Lohn- und Gehaltserhöhungen ins Treffen geführt. Gegen Einmalzahlungen und Prämien ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn sie zusätzlich zur nachhaltigen Gehaltserhöhung gewährt werden. Die GPA hat erst jüngst berechnen lassen, wie sich das Aussetzen einer jährlichen Gehaltserhöhung auf das Lebenseinkommen auswirkt. Hier geht es um beträchtliche Verluste im Zehntausenderbereich.

Mitunter wird der Vorschlag gemacht, als Maßnahmen gegen die Teuerung eine Lohnnebenkostensenkung durchzuführen. Lohnnebenkosten sind Kosten, die der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin für die Beschäftigten bezahlen muss: etwa die Beiträge zur Pensionsversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds, zum Familienlastenausgleichsfonds und zur Wohnbauförderung. Damit ist schon einmal klar, wer von einer Senkung der Lohnnebenkosten profitiert: Arbeitgeber:innen. Für die Beschäftigten bringt eine Lohnnebenkostensenkung nicht mehr Einkommen, sondern schlechtere Leistungen. Mit den Lohnnebenkosten werden viele soziale Leistungen finanziert, die den Beschäftigten zugutekommen Diese Beiträge dienen zur Pensionsfinanzierung, fließen in das Gesundheitssystem oder kommen über die Familienbeihilfen Familien zugute. Nachdem die Lohnnebenkosten der Finanzierung von Leistungen dienen, die auch an die Inflation angepasst werden, wie Pensionen, Familienbeihilfe oder wo der Bedarf steigt, wie dem Gesundheitssystem, macht das wirtschaftlich keinen Sinn. Wenn Ausgaben für diese Leistungen mit der Inflation steigen, wäre es verantwortungslos, die Einnahmen zu kürzen.

Was tun?

Lohnzurückhaltung rettet keinen Betrieb und schon gar nicht die Volkswirtschaft. Im Gegenteil: ein Sinken der Nachfrage jetzt würde die Probleme noch verstärken.

Auch wenn Eingriffe in die Preisentwicklung von der Regierung bisher verabsäumt wurden, noch sind Maßnahmen möglich und sicher notwendig. Die im August angekündigte Mietpreisbremse wird allerdings wenig Wirkung haben und birgt Tücken. So wird der Deckel beim gemeinnützigen Wohnbau die Mittel für geförderten Wohnbau empfindlich schmälern. Genau dieses Segment ist aber enorm wichtig, um auch künftig leistbaren Wohnraum zu ermöglichen.

„Um zusätzliches Personal zu halten und zu bekommen, müssen die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich attraktiver gestaltet werden. Und dazu gehören ganz wesentlich höhere Gehälter. Die Arbeit mit Menschen muss der Politik und der Gesellschaft mehr Wert sein.“

Beatrix Eiletz,
Betriebsratsvorsitzende bei der Volkshilfe Steiermark und Chefverhandlerin für den Sozialwirtschafts-
Kollektivvertrag

Die Regierung muss sich auch rasch überlegen, wie sie dem drohenden Wirtschaftsabschwung entgegengewirkt. Vor allem die Bauwirtschaft leidet massiv unter den geänderten Vorzeichen der Zinspolitik. Investitionen werden teurer und die Bereitschaft, Kredite aufzunehmen sinkt massiv. Die öffentliche Hand ist gefordert, öffentliche Investitionsprogramme weiter zu forcieren etwa in den Bereichen Energie, Kinderbildung, öffentlicher Verkehr.

Gute Stimmung, die viele Vertreter:innen der Politik jetzt einfordern, ist tatsächlich wichtig, diese erzeugt man aber nicht durch Appelle, sondern durch konkrete spürbare Maßnahmen, die bei den Menschen ankommen. Die Beschäftigten und ihre Leistungsbereitschaft sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Gerade die Beschäftigten jetzt zu bestrafen, ist nicht nur ungerecht, sondern auch wirtschaftlich falsch!

Laut dem Vertreter der Metallindustrie, Christian Knill, fühlen sich die Unternehmen nicht zuständig für den Erhalt der Kaufkraft der Beschäftigten. Wir fühlen uns zuständig und werden in diesem Herbst für gute Gehaltsabschlüsse kämpfen!

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