Bloß keine One-Man-Show

Aus einfachen Verhältnissen stammend, wurde Raimund Döcker Betriebsrats-Vorsitzender bei Hartlauer. Er schätzt einen kollektiven Führungsstil und einen wertschätzenden Umgang.

Als Raimund Döcker zu Hartlauer kam, gab es den Betriebsrat erst drei Jahre, heuer feiert das Gremium sein 40-jähriges Bestehen und Raimund Döcker ist seit 10 Jahren der Vorsitzende. Noch heute kann er sich gut an seinen ersten Arbeitstag erinnern: „Es war Freitag, der 1. August 1986 als ich meine Lehre beim Hartlauer am Favoritener Südtiroler Platz begonnen habe“, schmunzelt er. Der erste Kunde seines Lebens war der damals benachbarte Videothekar, ein Stammkunde, der wie üblich Batterien kaufen wollte. „Ich war erst 10 Minuten im Geschäft“, erinnert sich der gebürtige Wiener und so musste ihm der Kunde erklären, wo die Batterien im Laden verstaut sind – daraus entwickelte sich eine lange Freundschaft.

Ein Beginn im Kleinen

Seine ersten Lebensjahre verbrachte Raimund Döcker in einer 31 Quadratmeter kleinen Mietwohnung: „Bis ich zehn war, haben wir dort zu viert mit einem Gang-WC und ohne Dusche gewohnt“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende. Ein Lavoire in der Küche musste für die Hygiene genügen, die zwei Kinder schliefen im Stockbett, die Eltern – Hausmeisterin und Maschinenschlosser – klappten ihr Bett abends auf und morgens ein. Mit dem Familienumzug in eine Gemeindewohnung nach Wien Meidling „hatten wir auf einmal 81 Quadratmeter und Wohnzimmer mit Küche waren größer als unsere alte Wohnung“. Bald konnte Döcker der Schule nicht mehr viel abgewinnen: „Ich wollte lieber mein eigenes Geld verdienen und mit anderen zusammenarbeiten“, erzählt er. Die Entscheidung fiel für die Lehre zum Fotokaufmann bei Hartlauer, wo Döcker noch lernte, in der Dunkelkammer Filme zu entwickeln. Zu Beginn verstand er kaum etwas von Fotografie, doch das holte er schnell auf, er wurde bald Abteilungs- und später auch Filialleiter. Als Döcker 1992 gefragt wurde, ob er für den Betriebsrat kandidieren möchte, hatte er „keine Ahnung, was ein Betriebsrat so macht“. Unterwegs zur Photokina, einer Fachmesse in Köln, konnten mit dem damaligen Betriebsrats-Vorsitzenden die meisten Punkte geklärt werden und Döcker trat als Letztgereihter auf der Kandidatenliste an.

 Mit Bröseln ging es los

Im Unternehmen wurde das allerdings nicht so gerne gesehen – ein Verkaufsleiter etwa, versetzte die Betriebsrats-Kandidat:innen nicht zufällig in jene Filialen mit den schlechtesten Umsätzen. „Dieser Mann hat einen privaten Feldzug gegen die neuen Betriebsräte geführt und das war nicht so lustig“, berichtet der heutige Betriebsratsvorsitzende.Er ging vors Arbeitsgericht, doch noch ehe es zu einem Urteil kam, wurde der Konflikt durch ein Gespräch mit dem obersten Chef, dem im Jahr 2000 verstorbenen Franz Josef Hartlauer, beendet. „Er hatte nichts von den Benachteiligungen gewusst, wir haben uns ausgeredet und den Streit schnell außergerichtlich beigelegt.“ Dass der „Löwe“ aufbrausend werden konnte, daran erinnert sich Döcker.

„Ich will den Bezug zu den Menschen nicht verlieren“.

Raimund Döcker

Aber auch: „Er hatte Handschlagqualität – was mit ihm vereinbart wurde, hat gehalten“.Gleiches gilt für den Sohn und aktuellen Eigentümer Robert Hartlauer. Döcker stieg im Betriebsrats-Gremium immer weiter auf, wurde 2004 freigestellter Betriebsrat und 2013 zum Vorsitzenden gewählt. Er vertritt derzeit 2.000 Mitarbeiter:innen an 160 Standorten in ganz Österreich. Zumindest einmal pro Jahr versucht Döcker, jedes der Geschäfte zu besuchen: „Ich will den Bezug zu den Menschen nicht verlieren“.

Betriebsrat ist keine One-Man-Show

Der Betriebsratsvorsitzende sieht sich ganz klar als „Teamleader“ und keinesfalls als Alleinentscheider. „Früher war das eher eine One-Man-Show– da traf sich der Vorsitzende mit dem Chef und die haben sich ausgemacht, was gilt. Das war damals auch allgemein üblich und notwendig, inzwischen haben sich aber auch die Ansprüche der Mitarbeiter:innen und der Geschäftsführung geändert.“ Döcker wollte es bewußt anders machen. „Wir sind derzeit ein 19-köpfiges Betriebsrats-Gremium und haben mitunter auch 19 unterschiedliche Meinungen“, erklärt Döcker. Auf „Jasager“ kann er verzichten, will sich aber am Ende des Tages auf eine Meinung einigen. „Die muss aber nicht zwangsläufig meine sein“, ergänzt der Betriebsratsvorsitzende bestimmt. „Für mich ist das Team wichtig– wir können immer nur als Ganzes agieren und für alle.“ Er schätzt es auch, wenn Betriebsräte authentisch bleiben und es einen wertschätzenden Umgang untereinander gibt. Respekt herrscht auch zwischen Chefetage und Betriebsrat: „Wir haben eine gute Gesprächsbasis mit der Geschäftsführung, die in den letzten Jahren gewachsen ist – natürlich gehören da auch Konfrontationen dazu, aber wir müssen es gemeinsam angehen und uns in die Augen schauen können“.

Gute Mitarbeiter:innen gesucht

Hartlauer setzt heute auf die Standbeine Foto, Handy, Optik und Hörgeräte –der Bereich Gesundheit befindet sich im Aufbau. Auch dieses Unternehmen sucht derzeit nach Fachkräften. „Wir suchen permanent Mitarbeiter:innen, aber es ist nicht einfach, welche zu finden“, zeigt sich der Betriebsratsvorsitzende sehr nüchtern. Schließlich hat der Handel kein besonders gutes Image, die Bezahlung ist nicht rosig, die Arbeitszeiten gestalten sich – im Vergleich zu anderen Branchen – eher ungünstig. „Wir versuchen seit Jahren, gute Leute zu holen und auch zu halten.“ Wer in der Firma Fuß gefasst hat, kann sich etwa in der Hartlauer-Akademie im oberösterreichischen Kronsdorf weiterbilden. Dort werden fachspezifische Ausbildungen zu den Bereichen Foto, Handy, Optik, Hörgeräte genau wie Führungskräfte-Coachings oder Persönlichkeitsseminare angeboten. Außerdem sollen die Mitarbeiter:innen von flexiblen Arbeitszeitmodellen und der betrieblichen Altersvorsorge mit einem steuerbegünstigten Sparmodell profitieren.

„Wir versuchen seit Jahren, gute Leute zu holen und auch zu halten.“

Raimund Döcker

Gut ausgebildete Mitarbeiter:innen sind wahrscheinlich auch ein Grund dafür, dass die 1971 gegründete Firma Hartlauer noch immer besteht. In den 1970er und 1980er Jahren gab es reichlich vergleichbare Elektronikhandels-Ketten wie etwa Herlango, Köck, Foto Nettig und Niedermeyer.

Um 1988 wurden Foto Nettig (gegründet 1970) und Foto Pionier an Niedermeyer verkauft, 1992 folgte Herlango – Niedermeyer (1957 gegründet) schloss 2013 die letzten Geschäfte. Köck (erste Filiale 1958 am Wiener Volkertplatz) lockte in Wien und Brunn am Gebirge mit Tiefpreisgarantie – im Juli 1989 verkaufte Gründer Walter Köck an zwei Interessenten. Doch der „Löwe“ Hartlauer, der blieb einfach auf seinem Platz. „Ich glaube, es liegt daran, dass wir uns immer aufs Kerngeschäft konzentriert und mehr auf die Qualität als auf die Niedrigpreise geschaut haben“. Ein Beispiel: 1986 kostete die Ausarbeitung eines 10×15 Bildes rund 9,90 Schilling (etwa 73 Cent). „Einige Zeit später haben der Herlango und der Niedermeyer dieses Format um 2,90 bis 3,90 Schilling angeboten, das konnte sich einfach nicht rechnen.“

Auch konnte Hartlauer überleben, weil dort gutes Personal beschäftigt ist.

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Von der Dauererreichbarkeit zur lebenswerten Struktur

Dementsprechend viel Energie steckte Raimund Döcker in seine Arbeit. Lange Zeit fühlte sich der Betriebsratsvorsitzende für so gut wie Alles zuständig. Eine Trennung zwischen Arbeitstag und Freizeit war schwierig, doch eine persönliche Krise brachte ihn zum Umdenken: „Vor zwei Jahren sind meine Eltern innerhalb von nur neun Tagen verstorben ohne externe Hilfe hätte ich das nicht meistern können“, weiß Döcker. Nach der Trauerarbeit wurde ihm bewusst, wie viel anderes es im Leben noch gibt, mit dem er sich konfrontieren muss. „Da wurde mir ein Spiegel vorgehalten, den ich nicht gerne gesehen habe.“

Er nahm sich Zeit, Sachen zu verändern, er deligierte Aufgaben an sein Betriebsrats-Gremium und brachte mehr Struktur in seinen Arbeitsalltag. Den Schriftverkehr bewältigt Döcker nun zumeist am Montag, den Freitag verbringt er in der Regel im Homeoffice. „Eins nach dem anderen machen und dafür auch fertig“, empfiehlt der Betriebsratsvorsitzende. „Multitasking funktioniert so nicht“, das ist seine Erfahrung. Und von Freitagabend 18.30 Uhr bis Montag um 7.30h ruht sein Firmen-Handy.

Private Sozialpartnerschaften

An den Wochenenden ist Raimund Döcker nun vor allem für seine Familie und für den Fußballverein ASV 13 verfügbar, dort sitzt er im Vorstand. Früher spielte sein Sohn Stefan dort in der Nachwuchsmannschaft, durch das Begleiten fand Döcker in den Verein. „So schnell habe ich gar nicht schauen können, da war ich bereits für die Trainingsstatistik zuständig.“ Der Sohn hat schon vor längerer Zeit mit dem Fußball aufgehört, der Papa blieb dem Verein erhalten und genießt es, dort interessante Menschen zu treffen. Der ehemalige Präsident etwa ist Eigentümer einer Hotelkette, von ihm hat Döcker einiges gelernt „und er auch von mir“.  Sozialpartnerschaft funktioniert eben auch im Fußballverein.

Weil ihm der Alltag viel abverlangt, verbessert das Abschalten können, seine Lebensqualität. „Ich bin gerne ein oder zwei Stunden allein, tue nichts oder höre Musik.“ Miles Davis gehört zu seinen Lieblingsinterpreten. Mit seiner Frau Bea – eine gelernte Köchin – ist Döcker seit fünf Jahren zusammen. Gleich beim ersten Date ging es in die Küche: „Ich war total nervös und habe mir gedacht, was wird sie bloß zu meinen Kochkenntnissen sagen? Und dass sie sicher beobachtet, wie ich die Zwiebel schneide“. Es lief harmonisch und Raimund Döcker dürfte auch als Koch beeindruckt haben. Er ist inzwischen für das alltägliche Kochen zuständig.

Das Paar teilt neben der kulinarischen Leidenschaft auch die Liebe fürs Reisen, besonders die Toskana hat es ihnen angetan. Die Liebe hat den Wiener auch nach Leibnitz verfrachtet. „Meine Frau lebt schon seit 30 Jahren in der Steiermark und es sind nur drei Stunden bis zum Meer.“

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