„Kann ich den Techniker sprechen?“

Cornelia Krautstingl, Vorsitzende der Interessengemeinschaft IT in der Gewerkschaft GPA.
Fotocredit: Gernot Tockner

In der IT-Branche sind Frauen in Österreich unterrepräsentiert. Weil Technik eben nichts für Frauen ist? Die Interessengemeinschaft IT in der Gewerkschaft GPA hat sich die Hürden näher angesehen und nachgefragt, was sich ändern muss, damit die Tech-Branche weiblicher wird.

„Womit Frauen in der IT Branche kämpfen müssen“, unter diesem Titel brachte die Interessengemeinschaft (IG) IT in der Gewerkschaft GPA eine neue Broschüre heraus. Darin wird auf der Basis einer Umfrage die Branche auf die fehlende Fairness und die Einkommensschere durchleuchtet.

Die IG IT versteht sich als Kompetenznetzwerk für alle IT-Spezialist:innen. Die ausführliche Umfrage, an der 353 Personen teilnahmen ergab, dass die IT-Branche gute Jobs biete und fortschrittlich, innovativ und zukunftsorientiert sei. Viele wiesen auf die gute Bezahlung hin, oft werden auch flexible Arbeitsplätze geboten. „Das sind sehr hilfreiche Voraussetzungen für Frauen, die ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben anstreben“, findet Sandra Steiner, Bundesfrauenvorsitzende und stv. Vorsitzende der Gewerkschaft GPA sowie Betriebsratsvorsitzende beim IT-Dienstleister Eviden Austria GmbH.

Doch der Tech-Sektor hat leider auch Kehrseiten: Die Branche sei eine Männerdomäne, so der Tenor, in der eine ‚Nerdkultur‘ vorherrsche. „Dieser Aspekt wird vor allem von Männern kritisiert“, sagt Cornelia Krautstingl, Vorsitzende der Interessengemeinschaft IT in der Gewerkschaft GPA. „Den Männern wäre es mehrheitlich durchaus wichtig, mehr Frauen in die IT zu bringen!“

In der Umfrage kritisiert werden auch hoher Stress und Arbeitsdruck, was kontraproduktiv für die Work-Life-Balance bzw. für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei. „Diese Nachteile werden durch politische Versäumnisse verstärkt. Die Kinderbetreuung in Österreich ist immer noch lückenhaft und es fehlen familienfreundliche Rahmenbedingungen, die Frauen in ihrer Berufsausübung unterstützen“, kritisiert Frauenvorsitzende Steiner.

„Als Frau in der IT braucht oft eine dicke Haut: „Wenn Kunden am Telefon mal grundsätzlich nach dem Techniker oder dem Chef fragen, weil sie glauben, die weibliche Stimme am Telefon gehöre doch sicherlich zur Sekretärin.“

Cornelia Krautstingl, Vorsitzende der Interessengemeinschaft IT

Wie lassen sich Vorurteile überwinden und wie können Frauen und Diversität in den IT-Unternehmen gefördert werden? Wie kann die Gewerkschaft GPA dabei unterstützen? Die Antworten auf diese und weitere Fragen gibt es in der Broschüre der Interessengemeinschaft IT zum Nachlesen!

>>> Die Broschüre findest du HIER.

Rollenbilder

Cornelia Krautstingl arbeitet als Projektleiterin im IT-Beratungsunternehmen Solvion. Sie berät und schult Kunden, und sie mag ihren Job eben genau für seine gute Work-Life-Balance und die flexiblen Arbeitszeiten. Im Vorjahr wurde sie zur Vorsitzenden der Interessengemeinschaft IT gewählt. „Frauen in der IT, das war schon länger das Fokusthema in unserer IG“, erzählt Krautstingl. „Denn Frauen sind stark unterrepräsentiert in der Branche.“ In ihrem eigenen Betrieb, berichtet sie, ist der Frauenanteil relativ hoch: 14 Frauen von 45 Beschäftigten, darunter mehrheitlich Programmiererinnen und Projektleiterinnen. Die Firmenleitung legt Wert auf Diversität und einen höheren Frauenanteil. Bei ihrem vorherigen Arbeitgeber war sie anfangs hingegen die einzige Frau im Unternehmen. „Da fühlt man sich dann schon ein wenig alleine“, erinnert sich Krautstingl. Und braucht oft eine dicke Haut: „Wenn Kunden am Telefon mal grundsätzlich nach dem Techniker oder dem Chef fragen, weil sie glauben, die weibliche Stimme am Telefon gehöre doch sicherlich zu Sekretärin.“

Von solchen Rollenbildern berichtet auch Sandra Steiner. Als sie als Betriebsratsvorsitzende ihr Aufsichtsratsmandat im Konzern annahm, wurde sie als „Mr. Steiner“ zu ihrer ersten Sitzung eingeladen. „Einfach weil das noch nie dagewesen war und es sonst keine einzige Frau im Aufsichtsrat gab.“ Diesem Problem der Vereinzelung müsse man sich stellen und sich ein Netzwerk aufbauen, rät Steiner. „Natürlich fühlt man sich oft als Spezifikum“, räumt sie ein, „wenn man z. B. als einzige Frau in einer Arbeitsgruppe sitzt. Hier ist es wichtig, sich zu vernetzen, sich mit anderen Frauen gegenseitig zu unterstützen, solidarisch zu sein und auch Seilschaften zu bilden.“ In ihrer Firma hat Steiner ein ‚Femanet‘ ins Leben gerufen, das Frauen dabei unterstützen soll.

Schule und Berufswunsch

Krautstingl hat IT Technikerin gelernt, eine Entscheidung, die sie nie bereut hat. Dass bei der Umfrage der IG IT viele davon berichten, wie die Geschlechterstereotype schon in der Schulzeit vorherrschten, überrascht sie nicht: „Technik ist nichts für Frauen“, hieß es da meist. „Falls sich doch ein Mädchen dafür interessierte, so galt sie eben als Ausnahme.“ Was dazu führt, dass es sich viele Frauen nicht zutrauen, einen technischen Beruf zu ergreifen und sich selbst unterschätzen. „Man braucht natürlich logisches Denken, aber sonst ist die IT ein Beruf wie ein anderer – Technik lässt sich erlernen!“ Krautstingls Rat an junge Mädchen und Frauen vor der Berufswahl: „Nutzt die ‚Mädchentage‘, wo man Jobs ausprobieren kann! Und traut euch mal, den sicheren Hafen der Büroassistentin oder der Friseurin zu verlassen. Auch Role Models können da gut helfen, redet mit ihnen, stellt Fragen!“

Frauen müssen sich selbst mehr zutrauen, nicht nur bei der Berufswahl, setzt Krautstingl fort: „Männer sind meist viel selbstbewusster, Frauen hingegen zurückhaltender, auch wenn es um Gehaltsverhandlungen und Beförderungen geht. Wir sollten stolz auf unsere Qualifizierung sein und mehr fordern!“ Und die Einkommensschere? Sie liegt derzeit in Österreich bei 16,9 Prozent. Die Umfrage für die Broschüre ergab, dass flächendeckende Einkommensberichte fehlen.

„Durch die EU-Lohntransparenz-Richtlinie kann großer Druck auf den politischen Unwillen zur Gleichstellung in Österreich gemacht werden.“

Sandra Steiner, Bundesfrauenvorsitzende der GPA

Diesen Wunsch nach transparenten Gehaltsstrukturen der Befragten kann Sandra Steiner sehr gut nachvollziehen: „Das ist ein wichtiger Schlüssel am Weg zur Gleichstellung! Hier kann durch die EU-Lohntransparenz-Richtlinie großer Druck auf den politischen Unwillen zur Gleichstellung in Österreich gemacht werden“, rät die Frauenvorsitzende. Und nicht zuletzt kann genau an diesem Punkt der Betriebsrat aktiv werden, Gehaltsunterschiede aufdecken und Frauen dabei unterstützen, höhere Gehälter und Beförderungen zu verlangen.

Sandra Steiner, Bundesfrauenvorsitzende und stv. Vorsitzende der Gewerkschaft GPA.
Fotocredit: Edgar Ketzer

Rahmenbedingungen

Plattitüden wie „Frauen interessieren sich nun mal nicht für technische Berufe“ reichen als Erklärung für die fehlenden Frauen im Tech-Sektor nicht aus, findet Steiner: „Es gibt vielmehr eine ganze Reihe von Stellrädchen, an denen wir drehen können, wenn sich etwas ändern soll.“ Sobald eine Frau Kinder hat, wird es oft schwierig für sie im Beruf. Der Druck auf Frauen, wegen eines Kindes ihre Arbeitszeit zu verringern, ist hoch: „Wenn z. B. eine Projektmanagerin in der Cyber Security als Teilzeitkraft arbeitet, so ist sie nicht mehr ständig erreichbar. Sowohl von den Kunden, als auch intern in der Firma wird dann ihre Leistung bemängelt. Langfristig führt das dazu, dass man ihr weniger gute Projekte zuteilt, usw. Die Außenwelt triggert also ganz stark in die Berufswelt hinein“, erläutert Steiner die Zusammenhänge.

Und hier müsste einerseits das Unternehmen ansetzen, mit einer Wertehaltung, die Frauen gezielt unterstützt, fordert sie. Andererseits müssen sich in Österreich endlich die Rahmenbedingungen ändern: „Wir brauchen ein Recht auf flächendeckende Kinderbildungsplätze ab dem ersten Geburtstag!“

Neben dem Recht auf einen Kinderbildungsplatz betont Steiner auch das Recht jeder Frau auf so genannte ‚selbstbestimmte Eigenzeit‘. Frauen kommen vom Job nach Hause und erledigen dort dann die Care-Arbeit: „Unser Tag hat nur 24 Stunden, ein Vollzeitjob plus Kinder plus zusätzlich noch Pflege älterer Familienmitglieder, das ist zu viel. Wir brauchen auch Zeit für uns selbst!“

In ihren Anfängen war die IT-Branche übrigens ein von Frauen dominierter Bereich, mit vielen Pionierinnen in Mathematik bzw. Informatik. Erst später, v. a. mit dem rasanten Aufstieg des PC, wurde der Tech-Sektor zur Männerdomäne. „Der IT-Sektor bietet Jobs mit hoher Flexibilität und besonders im Bereich Home-Office nimmt die IT-Branche eine Vorreiterrolle ein, was in vielen Lebenssituationen hilfreich sein kann, ich denke da an Pendelzeit, an Work-Life-Balance, usw. Ein Grund mehr, dass sich Frauen diese Domäne zurückerobern! Ich sehe hier eine Chance für eine vielfältigere und buntere Branche“, zeigt sich Krautstingl optimistisch.

Dass sich langsam, aber doch etwas bewegt in der IT, zeigte sich nicht zuletzt bei den Verhandlungen für den IT-Kollektivvertrag, die Sandra Steiner als Hauptverhandlerin zusammen mit zwei anderen GPA-Frauen im Team führt. Was die Gegenseite augenscheinlich unter Zugzwang brachte: „Bei den Arbeitgebern saßen uns jahrelang ausschließlich Männer gegenüber. Und siehe da, plötzlich haben sie ebenfalls eine Frau in ihr Gremium geholt. Ich werte das als einen wichtigen Erfolg für uns!“

Die Interessengemeinschaft (IG) IT der Gewerkschaft GPA bringt Menschen in IT-Berufen zusammen. Zum Austauschen von Erfahrungen und Wissen, zum Diskutieren von Problemen, zum Suchen kompetenter Lösungen, zum Durchsetzen gemeinsamer beruflicher Interessen.

>>> Interessiert? Werde jetzt kostenlos IG IT-Mitglied und vernetze dich mit Personen aus deinem Bereich!

Scroll to top